Zeitreise

Attentat auf John F. Kennedy: Der Tod eines Präsidenten

Von 
Konstantin Groß
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Dallas (Texas) am 22. November 1963: John F. Kennedy (hinten links) mit Ehefrau Jacki, davor Texas-Gouverneur John Connally und dessen Frau Nellie, ganz vorne Bodyguard Roy Kellerman vom Secret Service und Fahrer William Greer. Wenige Minuten nach dieser Szene ist der Präsident der Vereinigten Staaten tot. © JFK Library

Es gibt Tage, von denen weiß jeder, wie er sie verbracht hat. Das gilt etwa für den Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 oder den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989. Für frühere Generationen ist Freitag, der 22. November 1963, ein solcher Tag. Damals, vor 60 Jahren, fällt der Präsident der USA, John F. Kennedy, einem Attentat zum Opfer.

Noch heute bewegt dieser Tag die Menschen, enthält er doch alle Elemente eines Dramas: Ein sympathischer und dynamischer Staatsmann mit einer schönen Frau, politisch mit ermutigenden Botschaften, stirbt durch einen ruchlosen Mörder unter bis heute umstrittenen Umständen. Und nicht nur er: Vom „Fluch der Kennedys“ ist die Rede.

Die Kennedys, das ist ein Clan. John Fitzgerald, 1917 geboren, hat acht Geschwister. Vater Joseph, Immobilienmanager, ist vor dem Zweiten Weltkrieg Botschafter in England und unterstützt dessen Beschwichtigungspolitik gegenüber Hitler.

Im Zweiten Weltkrieg wird John F. Kenney zum Kriegshelden

Als es zum Krieg kommt, meldet sich Kennedy jr. freiwillig. 1943 wird das von ihm kommandierte Schnellboot vor den Salomonen von einem japanischen Zerstörer versenkt. Obwohl selbst verwundet, zieht er einen verletzten Kameraden fünf Kilometer weit durch das Meer zu einer Insel. Er wird zum Kriegshelden.

Sein älterer Bruder überlebt den Krieg nicht. Nun ruhen alle Erwartungen des Vaters auf John. Mit viel Geld, teilweise wohl auch mit Hilfe der Mafia von Chicago, flankiert er dessen Aufstieg: 1946 Abgeordneter im Repräsentantenhaus, 1952 Senator, 1960 Sieg bei den Präsidentschaftswahlen gegen den favorisierten Vizepräsidenten Richard Nixon.

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Ein neuer Stil zieht ein ins Weiße Haus. Auch dank seiner Frau Jacqueline, genannt Jacki; die Bilder vom kleinen John-John, der unter dem Schreibtisch des Vaters im Oval Office spielt, sind Zeichen dafür. Wie anders wirkt dieser Staatschef als der greise Deutsche Adenauer oder der unförmige Russe Chruschtschow.

Kennedy ist Personifikation des Aufbruchs

Auch inhaltlich steht Kennedy für Aufbruch. Schon die Inaugurationsrede 1961 produziert einen Satz für Kalenderblätter: „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann; frage, was Du für Dein Land tun kannst“.

Es ist die Hoch-Zeit des Kalten Krieges. Als die Sowjets 1962 auf Kuba Raketen stationieren, die die USA erreichen können, fordert Kennedy ultimativ deren Abzug. Ein Atomkrieg droht. 13 Tage hält die Welt die Luft an. Doch Sowjetchef Chruschtschow lenkt ein. Fortan verlegt sich der Wettstreit friedlich ins All. Kennedy kündigt an, „in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen“. Das gelingt in der Tat, 1969, doch er wird es nicht mehr erleben.

Den Bau der Berliner Mauer nimmt Kennedy hin. Als er im Juni 1963 zu Besuch ist, wird er dennoch gefeiert. Sein Satz „Ich bin ein Berliner“ ist einer für Geschichtsbücher.

Doch Kennedy ist auch der „Vater“ des Vietnam-Krieges auf Seiten der USA. Er ist es, der das US-Engagement von 700 Beratern auf 16 000 Militärs erhöht. Und er genehmigt den Einsatz von Napalm und Entlaubungsmitteln (Agent Orange).

Mehr erfahren über John F. Kennedy und seinen Tod

  • Grabstätte: John F. Kennedy ist auf dem Nationalfriedhof von Arlington in der Hauptstadt Washington, D. C. beigesetzt. An seiner Seite ruht seit 1994 seine Witwe Jacqueline.
  • Museum: die 1977 für 21 Millionen Dollar errichtete Kennedy Library in Boston, Massachusetts. Anmeldung und viele Infos über Kennedy auf deren Website www.jfklibrary.org.
  • Recherche: 1964 ordnete Präsident Johnson an, die Akten für 75 Jahre, also bis 2039, zu sperren, 1992 aber beschloss der Kongress, sie spätestens 2017 zu öffnen. Präsident Trump entschied 2017 jedoch, einige aus Sicherheitsuntergründen weiter geheim zu halten. Präsident Biden gab 2021 Protokolle von CIA und FBI frei. Damit sind nun 88 Prozent der 400 000 Dokumente zugänglich, im Netz u. a. unter: www.archives.gov/research/jfk/release2022
  • Literatur: Über das Kennedy-Attentat gibt es etwa 2000 Bücher. Die meisten stammen von Nicht-Historikern und gehen von einer Verschwörung aus. Seriöse Historiker teilen dagegen zumeist die Einzeltäter-Version und fällen, ungeachtet von Kennedys tragischem Tode, eine eher nüchterne Bilanz seiner Amtszeit.
  • Filme: Oliver Stone stellt 1992 in „Tatort Dallas“ eine Verschwörung durch Geheimdienste dar. Er schildert die Ermittlungen des Staatsanwaltes Jim Garrison (gespielt von Kevin Costner), die es 1966 in der Tat gab, aber im Sande verliefen. Der Film „I wie Ikarus“ von 1979 verlegt die Handlung in ein fiktives Land und geht ebenfalls von einem Komplott aus; die Figur des Staatsanwaltes Volney (gespielt von Yves Montand) ist angelehnt an Garrison. -tin

Innenpolitisch wird die Rassentrennung zum Thema, dem sich Kennedy zunächst zögerlich, dank seines Bruders Robert, der Justizminister ist, aber dann doch eindeutig widmet: 1962 schickt er Soldaten an die Universität von Mississippi, damit sich der schwarze Student James Meredith immatrikulieren kann.

Kenney hat Affäre mit Marilyn Monroe

Doch er hat Geheimnisse: 1949 wird bei ihm die Addisonsche Krankheit festgestellt, Unterfunktion der Nebennierenrinde. Cortison führt zu Osteoporose und verschlimmert ein anderes Leiden: seine Rückenprobleme. Mehrmals muss er sich Operationen unterziehen. Bei einer fällt er für Tage ins Koma und wird bereits „vermessen“ – für einen Sarg. Später kann er sich nur mit schwersten Schmerzmitteln bewegen. Oft schläft er auf dem Boden, trägt ein Korsett und läuft, sofern keine Kameras in Sicht sind, auf Krücken.

Seine Ehe steht für ihn nur auf dem Papier. Er hat zahlreiche Affären: mit Marilyn Monroe, die bei der Gala zu seinem „45.“ ihr legendäres „Happy Birthday, Mister President!“ haucht, oder Judith Campbell, die er mit Mafiaboss Sam Giancana teilt, oder Ellen Rometsch (die heute bei Bonn lebt). Zudem werden ihm ins Weiße Haus regelmäßig Prostituierte zugeführt. Von all dem weiß die Öffentlichkeit natürlich nichts.

So bereitet sich Kennedy auf seine Wiederwahl 1964 vor. Um dafür Delegiertenstimmen und Spenden zu sammeln, reist er im November 1963 nach Texas, einen der wichtigsten US-Bundesstaaten. Um für gute Stimmung zu sorgen, ist erstmals Jacki mit dabei. Doch Dallas ist Hort eines extrem rechten Konservatismus. Am Tag seiner Ankunft kursiert ein „Steckbrief“ mit seinem Konterfei.

Dennoch: 200 000 Schaulustige säumen die Straßen, als Kennedy durch die Stadt fährt – in einem offenen Lincoln Continental X-100. „Mister President, man kann nicht sagen, dass Dallas Sie nicht liebt“, sagt die vor ihm sitzende Frau von Gouverneur Connally. „Nein, das kann man nicht“, lächelt Kennedy, Es sollten seine letzten Worte sein.

Besonders große Trauer in Berlin

Im Schulbuchlager, das an der Fahrtstrecke liegt, macht sich Lee Harvey Oswald bereit. Der 24-Jährige ist eine verkrachte Existenz, tat sich als Marxist hervor, lebte von 1959 bis 1962 in der Sowjetunion.

Als der Konvoi gegen 12.30 Uhr das Schulbuchlager passiert, fallen drei Schüsse. Die erste Kugel verfehlt ihr Ziel, die zweite durchschlägt Kennedys Hals. Er sinkt in Richtung seiner Frau. Da er jedoch das Korsett trägt, bleibt er aufrecht sitzen, so dass der dritte Schuss seinen Kopf trifft. Der Fahrer drückt, wohl zu spät, aufs Gas, rast ins Hospital; die Ärzte können aber nichts mehr tun.

Aus dem Film von Hobbyfilmer Abraham Zapruder: Kennedy liegt getroffen auf der Rückbank, Jacki klettert auf das Heck, Clint Hill (Secret Service) springt auf. © Archiv

Der Leichnam wird zur Air Force One gebracht. Vor dem Start legt der bisherige Vizepräsident Lyndon B. Johnson den Amtseid als 36. Präsident der USA ab. Neben ihm Jacki, noch mit dem Blut ihres Mannes auf ihrem rosafarbenen Kostüm.

Die Tat sorgt weltweit für Entsetzen. Besonders groß ist die Trauer in Berlin. 250 000 Menschen kommen vor das Schöneberger Rathaus. Für das Staatsbegräbnis setzt Jacki durch, alles so zu machen wie bei Abraham Lincoln ein Jahrhundert zuvor, samt leerem Stiefel an einem Pferd. Weltbekannt wird das Pressefoto, das den kleinen John jr. vor dem Sarg seines Vaters salutierend zeigt.

Viele Verschwörungstheorien rund um den Kennedy-Mord

Und der Täter? Unmittelbar nach den Schüssen stürmen Sicherheitskräfte das Schulbuchlager. Ein Polizist trifft auf Lee Harvey Oswald. Als dessen Kollegen bestätigen, dass er hier beschäftigt ist, darf er nach Hause. Doch bald läuft die Fahndung nach ihm. Als er seine Wohnung um 13.15 Uhr verlässt, begegnet er einem Polizisten und erschießt ihn. In einem Kino wird er festgenommen.

Nur wenige Stunden nach Kennedys Tod an Bord der Air Force One: Sein Nachfolger Lyndon B. Johnson wird vereidigt, rechts vom ihm Jacki Kennedy. © JFK Library

Als er am 24. November ins Bezirksgefängnis von Dallas überführt wird, tritt der mafiöse Nachtclubbesitzer Jack Ruby auf ihn zu: „Du hast meinen Präsidenten getötet, Du Ratte!“, ruft er und erschießt Oswald vor laufenden Fernsehkameras. Ruby wiederum stirbt 1967 im Gefängnis.

Vorkommnisse wie diese schüren die Spekulationen. Noch heute sind zwei Drittel aller Amerikaner überzeugt, Kennedy sei Opfer einer Verschwörung. Als Hauptverdächtige gelten die Mafia, die CIA und das FBI, Castros Kuba oder die Sowjets und sogar Nachfolger Johnson.

Jacki empfindet es fortan als ihre Mission, die Erinnerung an ihren Mann wach zu halten. Als 1968 auch dessen Bruder Robert ermordet wird, verlässt sie die USA: „Hier tötet man Kennedys“, sagt sie und heiratet den 23 Jahre älteren griechischen Milliardär Aristoteles Onassis – viele kreiden dies ihr, als Witwe eines ermordeten Präsidenten fast eine Ikone, quasi als Landesverrat an.

Nach Onassis’ Tod 1975 kehrt sie in die USA zurück und lebt fortan in New York. Als sie 1994 im Alter von nur 64 Jahren stirbt, findet sie ihre letzte Ruhe ebenfalls in Arlington – neben ihrem ermordeten Mann.

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