Filmkritik

Wes Andersons neuer Film: Form in Vollendung

Der Regie-Exzentriker bleibt sich und seinem Stil in „Der phönizische Meisterstreich“ treu – und sein gewohntes Schaulaufen der Stars führt diesmal Benicio Del Toro an.

Von 
Gebhard Hölzl
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Benicio Del Toro als Zsa-Zsa Korda und Mia Threapleton as Liesl in „Der phönizische Meisterstreich“. © Courtesy of Focus Features/Universal/dpa

Willkommen zurück in der wunderbar verqueren (Film-)Welt von Wes Anderson. In Cannes hat er sich einmal mehr der Konkurrenz gestellt, zum vierten Mal, nach „Moonrise Kingdom“ (2012), „The French Dispatch“ (2012) und „Asteroid City“ (2023). „Der phönizische Meisterstreich“ ist der zwölfte abendfüllende Spielfilm des in Paris lebenden Texaners, Jahrgang 1969. Betitelt, gedreht wurde die deutsche Koproduktion in den Studios Babelsberg. Die Idee zur neuen Arbeit stammt von ihm und seinem langjährigen Kompagnon Roman Coppola („Darjeeling Limited“), der als einer der ausführenden Produzenten zeichnet, das Drehbuch hat er selbst verfasst.

Wieder eine dysfunktionale Familie

Eine dysfunktionale Familie ist wieder das zentrale Thema, wie einst bei „The Royal Tenenbaums“, wo sich Gene Hackman mit seiner Sippe auszusöhnen versuchte. Diesen Part hat nun Benicio Del Toro übernommen, inhaftierten Maler und Mörder in „The French Dispatch“. Zsa-Zsa Korda – der Vorname geborgt von der Leinwand-Diva Gabor, der Nachname vom britischen Produzenten Alexander – heißt er hier, seines Zeichens einer der reichsten Männer der Welt. Einen letzten großen Millionencoup will der von der Presse „Mr. fünf Prozent“ genannte Finanzjongleur landen, gemeinsam mit vier alten Konkurrenten, die er noch von seinem Plan überzeugen muss.

An Bord seines Privatflugzeuges lernt man ihn kennen – und kurz darauf stürzt dieses ab. Ein Anschlag. Der nunmehr sechste – und auch diesen überlebt er, diverse Blessuren inklusive. Mit einem Schwarzweiß–Zwischenstopp im Himmel – weitere werden folgen –, was Kurzauftritte von Anderson-Weggefährten wie Bill Murray (als Gott), Willem Dafoe oder F. Murray Abraham (als Prophet) ermöglicht. Ein Fingerzeig des Herren ist dieses Attentat möglicherweise, darauf, sich um seine Nachfolge zu kümmern. Seine neun Söhne aus verschiedenen Ehen – darunter die mit Gattin Nr. eins alias Charlotte Gainsbourg – kommen nicht in Frage, also entscheidet er sich, seine wenig begeisterte Tochter, Nonne Liesel (Mia Treapleton), zu seiner Erbin zu machen…

Ein visuelles Fest im unverwechselbaren Stil

Schräg, verquer, urkomisch. Der Plot, die Story, obwohl stringent erklärt, sind nicht von Wichtigkeit. Es geht um die Figuren, ihre Interaktion und die rauschhaften Bilderwelten, an denen man sich nicht sattsehen kann. Im „alten“ 4:3-Format sind die Tableaus gehalten, statische, streng symmetrische Kompositionen, von Bruno Delbonnel („Die fabelhafte Welt der Amelie“) großteils aufgenommen in ruhigen parallelen Kamerafahrten. „Wimmelbilder“ in Pastellfarben, originelle Kostüme, ein erlesenes Produktionsdesign, altbewährt verantwortet von Adam Stockhausen und Milena Canonero, während Alexandre Desplat mit seinem Score jeweils den richtigen Ton trifft.

Auftritte von Tom Hanks, Bryan Cranston, Scarlett Johansson oder Benedict Cumberbatch

Hautnah begleitet man den korrupten, gern mal gewalttätigen Protagonisten, dessen fromme Tochter mit passend rundlichem Engelsgesicht und den von Michael Cera verkörperten, in Liesel verliebten Aushilfslehrer/Agenten Bjorn durch die in fünf Teile nebst Epilog strukturierte Handlung. Zum Schaulaufen der allesamt lustvoll aufspielenden Stars kommt es dabei, mit von der Partie sind unter anderem Tom Hanks, Bryan Cranston, Scarlett Johansson, Riz Ahmed, Matthieu Almaric, Jeffrey Wright und Benedict „Sherlock Holmes“ Cumberbatch als Onkel Nubar, das Gesicht hinter einem wallenden Rasputin-Bart und Monster-Augenbrauen versteckt. Ein cineastisches Feuerwerk in prototypischer Anderson-Manier, eigenwillig, exzentrisch, unverwechselbar.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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