„Ich arme Jungfer zart, ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!“ Das klagt Aurelia immer wieder auf dem Weg in den Wald, in dem sie mit ihrem vom Vater verordneten Bettler-Ehemann von nun an leben soll. Nicht wissend, dass der eben jener König ist, den sie zuvor aus Hochmut als Gatte verschmäht, verspottet und gedemütigt hat. Wie so viele andere Freier, die ihren Vater endlich von der Bürde des Regierens befreiensollen. Der Plot des Märchens der Brüder Grimm ist hinlänglich bekannt, nach ihrer Buße darf Prinzessin Aurelia als geläuterte Königin schließlich in ihr Leben am Hofe zurückkehren.
Zur Eröffnung der Heidelberger Schloss-Festspiele fand im Englischen Bau eine umjubelte Premiere des Kinderstückes „König Drosselbart“ statt. Natascha Kalmbach hat das Märchen mit Musik (Balthasar Wörner) nicht nur agil und lebendig inszeniert, sondern auch die Bühnenfassung geschrieben.
Das meiste gründet auf dem Original, doch die Figuren sind zeitgemäßer gedeutet. Nichts ist mehr nur schwarz oder weiß. Alle haben Fehler, die sie erkennen müssen, um sich selbst zu vergeben und den anderen zu verzeihen. Und unter den abgewiesenen Freiern ist auch eine Frau. Die kluge Fee (Patricia Schäfer) zieht die Fäden, die zu einem glücklichen Ende führen. Die anfangs wütende, trotzige und extrem selbstbewusste Aurelia (Hannah Hupfbauer) erkennt ihren Egoismus. Sie bedauert ihre Häme und Spott für ihre Mitmenschen, nachdem sie all das selbst spüren musste.
Gekichert, gegluckst, gelacht
Der meist ernsthafte König Christian alias Drosselbart (Timo Jander), der auch mit Reimen, Gitarre und Gesang umzugehen weiß, lernt, seine zu oft explodierenden Gefühle im Zaum zuhalten. Wie Aurelia ist er im Wald gezwungen, mit wenig auszukommen. Aurelias Vater (Thomas Pasieka) sieht ein, dass seine Tochter ein Mensch ist und keine politische Angelegenheit, die er verheiraten will, um zu Geld zu kommen.
„Man spürt es, wenn’s der Richtige ist“, hat der junge König Christian schon bei der ersten Begegnung mit Aurelia behauptet. Es dauert im Heidelberger Schloss 75 pausenlose Minuten, bis sich auch die junge Frau eingesteht, dass sie verliebt ist. Diese gute Stunde ist erfüllt mit viel Leben auf der riesigen Bühne, auf der die Fee auf Rollschuhen unterwegs ist. Die Ausstattung (Annette Wolf) in den königlichen Rautenfarben blau-weiß-schwarz wirkt auf den ersten Blick karg. Doch der Laufsteg mit spiegelnder Drehtür am einen Ende, einer Treppe am anderen, die zunächst verdeckte Hütte und die bei Bedarf reingerollten Marktständen genügen völlig.
So ist genug Platz für sehr viel beredte Körpersprache, für bewegungsintensive Szenen, für den elektrischen Golf-Caddy des väterlichen Königs und für allerlei lustige Gefechte. Überhaupt wird im Publikum - darunter viele Kinder - dauernd gekichert, gegluckst und gelacht. Dafür sorgen auch Simon Labhart, Leon Wieferich und Lotte Becker in wechselnden Rollen.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/kultur_artikel,-kultur-koenig-drosselbart-begeistert-bei-den-heidelberger-schloss-festspielen-gross-und-klein-_arid,2093780.html