Zeitzeichen Gesülze über Sülze

Von Hausmannskost und mangelndem Feinsinn: Unser Kolumnist findet keinen Geschmack am Gesülze über Nahrungsmittel.

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Thomas Groß
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Wenn jemand herumsülzt, so ist das keine feine Sache. Denn dieses Sülzen meint so viel wie quatschen oder daherreden, also Dinge von sich geben, die kein Mensch braucht und hören will. Und die Sülze zum Essen, von deren Zubereitung, dem Sülzen, auch das Gequatschte abgeleitet ist, gilt ebenso heute vielfach nicht als Feinkost, sondern eher derb-grobe Speise. Von Hausmannskost ist dann auch die Rede, ungeachtet der Tatsache, dass solches in der Regel von Hausfrauen auf den Tisch gebracht wurde; so war das eben früher.

Und heute sieht man manches anders. Als glibberig wird die mit Fleischstückchen gefüllte, gallertartige Masse namens Aspik oft empfunden. Die Sülze habe indes den Vorteil, so schreibt die Nachrichtenagentur dpa in einer Meldung, dass man ihr gleich ansieht, was drin ist – das nämlich, so darf man ergänzen, ist im Zeitalter von buchstäblich fabrizierter Nahrung nicht immer der Fall. Und noch weitere Vorzüge der Sülze will man jetzt entdeckt haben, sie sei „voll auf Nachhaltigkeitskurs“, schreibt die Agentur seltsam unsachlich – und zitiert dann die Zeitschrift „Lebensmittelpraxis“, die sich im aktuellen Heft der Sülze widmet.

Besser nicht als schlichter Brotbelag

Die Essenspraktiker geben einen Verzehrvorschlag, den wohl nicht sie erfunden haben. Man solle die Sülze auf heißen Bratkartoffeln darbieten, statt als Brotbelag, und schon habe man, so der Agenturtext, „ein cremig-knuspriges Soulfood-Erlebnis“. Das probieren wir vielleicht mal aus, ziehen aus dem Ganzen aber auch die Einsicht, dass sich über die eigentliche Sülze ziemlich viel herumsülzen lässt.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.