Internationales Filmfestival

Film "Sharp Corner": Wendungsreiche Perspektiven eines Leben eröffnen das Filmfestival

Zur Eröffnung des 73. Internationalen Filmfestivals läuft in Mannheim im Cineplex-Kino als deutsche Premiere der kanadische Spielfilm „Sharp Corner“ - ein spannender Thriller, der nur am Anfang Raum lässt für ironische Noten

Von 
Thomas Groß
Lesedauer: 
Joshs Blick auf das Leben verändert sich: Szene aus dem Spielfilm „Sharp Corner“ mit Ben Foster in der Hauptrolle. © Filmfestival/Corey Isenor

Kurvenreich verläuft das Leben. Jedenfalls lässt es sich so empfinden, und je nachdem, wie das einzelne Leben ausfällt, weist es auch einige scharfe Kurven auf. Eine solche besondere Biegung hat dem diesjährigen Eröffnungsbeitrag des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg seinen Namen gegeben: „Sharp Corner“nannte der Kanadier Jason Buxton seinen spannenden Spielfilm, den das Festival als deutsche Premiere zeigt. Und die scharfe Kurve, diese Ecke oder auch Wendung weist der Film in gleich mehrfacher Hinsicht auf.

Hauptfiguren sind der Mittvierziger Josh (Ben Foster), seine Frau Rachel (Cobie Smulders) und der gemeinsame kleine Sohn. Raus aus der Stadt zieht es die harmonisch wirkende Familie, etwas außerhalb haben Josh und Rachel ein schönes Haus gefunden, das sie zu günstigen Konditionen erwerben konnten. Ein regelrechtes Familienidyll könnte sich hier entfalten, denkt man als Zuschauer zunächst. Auch Raum für witzige Details und Situationskomik bieten sich anfangs, doch dann kommt alles ganz anders und nimmt der Film eine ungeahnte Wendung. Er gewinnt an Tempo und verdüstert sich zusehends.

Die Hauptfigur Josh verändert sich immer mehr

Das Haus liegt nämlich an einer scharfen Straßenkurve, und schon bald ereignet sich dort ein schwerer Verkehrsunfall: Ein Auto schlittert in den Vorgarten, kracht gegen einen Baum; ein Vorderrad löst sich und landet mitten im Wohnzimmer, neben Rachel und Josh, die sich gerade in den Armen liegen. Das belastet die Familie verständlicherweise, besonders Josh verändert sich dadurch zusehends, und das erst recht, als sich ein weiterer Unfall mit Todesfolge direkt vor dem Haus ereignet. Ob er nicht hätte helfen können, fragt Josh sich alsbald immer dringlicher – und entwickelt die fixe Idee, einem möglichen nächsten Unfallopfer um jeden Preis das Leben zu retten. Was als realistische Schilderung einer durchschnittlichen, westlich-mittelständischen Familienexistenz beginnt, verwandelt sich allmählich in einen waschechten Psychothriller. Diesem Josh traut man dann wirklich alles zu. Wo anfangs eine sorgfältige Charakterzeichnung aller Beteiligten angesagt war, findet sich nun die filmische Erkundung dunkler seelischer Wirrungen eines Einzelnen. Souverän inszeniert ist Jason Buxtons zweiter Spielfilm, den er ganze zwölf Jahre nach seinem Debüt „Blackbird“ realisiert hat, über alle Wendungen hinweg. Und in dem US-Amerikaner Ben Foster hat der kanadische Filmemacher einen Hauptdarsteller gefunden, der die kurvenreiche Entwicklung glaubhaft verkörpern kann.

„Sharp Corner“, zu dessen Premiere der Regisseur Buxton nach Mannheim reisen will, ist viel weniger versöhnlich gestimmt als die Eröffnungsbeiträge des Festivals in den Jahren zuvor. Den reichhaltigen Anlass zum Lachen, den Festival-Direktor Sascha Keilholz angekündigt hat, muss man von anderen Filmen erwarten. Ein eigenwilliges und makellos inszeniertes Filmstück ist Buxtons Regiearbeit, zu der er auch das Drehbuch schrieb, aber gewiss.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke