Sie haben wieder einmal zusammengefunden, Regisseur Danny Boyle und der Schriftsteller und Drehbuchautor Alex Garland. Immer ein Versprechen. Reflexion gepaart mit spannender, schweißtreibender Unterhaltung. Grundsätzliche Fragen werden von ihnen diskutiert: Gesellschaft, Politik, Religion, Philosophie. Ihr Blick auf unsere Welt ist dabei frei von Illusionen. Brisante, hochaktuelle Themen werden wenig verklausuliert, dafür umso hellsichtiger verhandelt.
In „The Beach“ (2000) scheitert ein von Leonardo DiCaprio gespielter Aussteiger bei seiner Suche nach dem Paradies auf Erden, eine Dystopie, wie ihr Science-Fiction-Abenteuer „Sunshine“ (2007) oder die 2002 realisierte Zombie-Apokalypse „28 Days Later“, in der der grassierende Rage-Virus die Menschheit nahezu auslöscht. Ein Pandemie-Film lange vor Corona. 2007 führte der Spanier Juan Carlos Fresnadillo den Stoff ohne Boyle und Garland ganz in deren Sinn fort, ehe die beiden nun mit „28 Years Later“ ihrerseits eine weitere Fortsetzung in Szene gesetzt haben.
Im neuen Film „28 Years Later“: in die Todeszone, um einen Zombie zu töten
Die Weltgemeinschaft hat Großbritannien zwischenzeitlich isoliert und das Land den Untoten überlassen. Als Quarantänezone – möglicherweise ein böser Brexit-Verweis. Einige Menschen haben sich auf eine kleine Insel vor Schottland gerettet, in eine stark befestigte Jäger-und-Sammler-Siedlung, die nur durch einen – bei Flut überschwemmten – Damm mit dem Festland verbunden ist. Hier lebt Teenager Spike (Alfie Williams) mit seinem Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) und der schwerkranken Mutter Isla (Jodie Comer), die unter Wahnvorstellungen leidet. Spikes Initiationsritual steht an. Mit dem Papa muss er in die Todeszone, Mut beweisen, mit Pfeil und Bogen einen Zombie töten – mit einem Schuss ins Herz oder ins Hirn. Eine Aufgabe, die er meistert.
Einen sogenannten „Slow-Low“, einen langsamen, übergewichtigen und am Boden kriechenden Untoten erschießt er, nur um kurz darauf vor einem „Alpha“ fliehen zu müssen: Einem mutierten, baumlangen und blitzschnellen Zombie, der überaus schwer zu töten ist. Die Beine nehmen Vater und Sohn in die Hand, in letzter Sekunde können sie sich in Sicherheit bringen.
Bekanntes Zombie-Terrain, häufig kopiert seit „Die Nacht der lebenden Toten“ (1968) von George A. Romero, dessen Film Parabel auf den Vietnam-Krieg war. In Zeitlupe schlagen die Geschosse ein, das Blut spritzt. Genre-Kino, perfekt umgesetzt. Aber Boyle und Garland sind auch dem Arthouse verpflichtet, drosseln die Action, setzen sie punktuell ein. Interessieren sich für das Coming-of-Age ihres jungen Helden.
Ein Arzt – gespielt vom glatzköpfigen, Jod-verschmierten Ralph Fiennes, der im idyllischen, dicht bewaldeten und hügeligen Zombie-Territorium lebt, kommt ins Spiel. Zahlreiche Handlungsstränge, unterschiedlichste Motive, selbst die Teletubbies tauchen auf. Eine Auseinandersetzung mit dem Leben und der Vergänglichkeit. „Memento mori“, „bedenke, dass du sterben musst“, weiß der Doktor, der aus Totenschädeln eine Erinnerungsstätte errichtet hat. Einen selbstbestimmten Tod wünscht sich die Mama, eindringlich verkörpert von Comer („Killing Eve“). Überzeugende Sets, fantastisches Grusel-Make-up, markerschütternde Musik und intensive Bilder von Anthony Dod Mantle („Slumdog Millionär“). Bester Auteur-Horror.
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