Ein lichter Scheitel, eingefallene Gesichtszüge und eine Stimme, die einem gefährlichen Knurren gleicht. Ansonsten ist Billy Idol ganz der Alte: Der ewige Rebell, der Punkrock spielt und lebt. Dem es nur um Spaß geht und dem nichts peinlich ist – nicht einmal die Wartezeit aufs neue Album „Dream Into It“, mit dem der 69-Jährige sein x-tes Comeback feiert.
Herr Idol, „Dream Into It“ hat etwas von einer Lebensbeichte. Das wirft die Frage auf: Wieso sind Ihnen die ganzen Alkohol-, Sex- und Drogenexzesse kein bisschen peinlich?
Billy Idol: Nun, ich bin stolz, dass ich trotzdem so weit gekommen bin – und das Leben führen konnte, das ich wollte. Denn als junger Erwachsener schien mir die Zukunft nicht viel zu bieten. Die englische Gesellschaft der Mittsiebziger hat mir und meinen Freunden den Mittelfinger gezeigt. Nach dem Motto: „Ihr habt keine Zukunft.“ Unsere Reaktion war: „Dann tun wir halt, was uns Spaß macht – egal, wie andere darüber denken.“ Als ich dann die Sex Pistols gesehen habe, dachte ich: „Das sind Typen wie ich, die keine Ahnung von ihren Instrumenten haben.“ Also im Gegensatz zu den Prog-Rockern der Zeit, die hochtalentierte Musiker waren. Somit hat uns der Punk die Tür geöffnet: Plötzlich konnten wir unseren Traum leben und unsere eigene Zukunft gestalten. Das tue ich immer noch.
Auf dem Album gibt es auch Songs unter dem Motto „I‘m Reborn“. Worauf bezieht sich das – auf eine neue Beziehung oder Enkelkinder?
Idol: Auf meine beiden Enkel. Wenn ich sie um mich habe, ist das irre. Ich sehe, wie viel Spaß sie haben und wie sie das Leben genießen. Außerdem akzeptieren sie mich als der, der ich bin – sie kennen meine Geschichte nicht, sie sehen mich nur als ihren Großvater und wer ich heute bin. Das gibt mir das Gefühl, wiedergeboren zu sein – ohne den Ballast der Vergangenheit. Denn meiner Tochter war ich nie ein guter Vater. Einfach, weil ich in den 80ern und frühen 90ern ein Drogen-Problem hatte. Das habe ich erst die letzten 20 Jahre in den Griff bekommen, indem ich einen Sinn für Disziplin entwickelt habe.
Wie wild haben Sie es denn getrieben?
Idol: (lacht) Es ist schon heftig, sich all die Fehler vor Augen zu führen, die man begangen hat. Vor allem, wenn sie so übel waren wie meine. Ironischerweise waren Drogen für mich immer ein großer Spaß. Es ist nur so, dass sie auf lange Sicht dafür sorgen, dass du entweder draufgehst, verrückt wirst, im Knast landest oder in die Rehab musst. Sie fordern ihren Tribut. Und inzwischen begreife ich, dass Drogen die Musik zu einem gewissen Maße fördern, aber auch blockieren. Das Problem ist, dass ich mich nie wirklich davon lösen kann – ich werde immer anfällig dafür sein. Ich meine, gebt mir eine Line, ein Bier und einen Blowjob – dann bin ich glücklich. (lacht)
Billy Idol
Billy Idol, bürgerlich William Michael Albert Broad, wurde 1955 in Stanmore, London geboren.
Nach einem abgebrochenen Philosophiestudium fasste er mit seinen Bands Chelsea und Generation X in der Londoner Punkszene Fuß.
In den 1980er-Jahren war Idol nach der Auflösung von Generation X als Solokünstler weltweit erfolgreich mit Hits wie „Dancing with Myself“, „Rebel Yell“, „Flesh for Fantasy“ und „White Wedding“.
In den 1980er und frühen 1990ern war der Musiker heroinabhängig und geriet durch Schlägereien und Exzesse in die Negativschlagzeilen . Der Drogenkonsum hätte ihn 1993 fast das Leben gekostet. Er machte einen Entzug und lebt seitdem drogenfrei.
2005 feierte er mit dem Album „Devil’s Playground“ ein erfolgreiches Comeback .
Tourdaten und mehr: www.billyidol.net. kako
Gibt es auch irgendetwas in Ihrem Leben beziehungsweise Ihrer Karriere, das Sie bereuen oder heute anders machen würden?
Idol: Ich hätte gerne einen T-1000 in „Terminator 2“ gespielt – auch, wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich dieselbe kalte Ausstrahlung wie Robert Patrick hinbekommen hätte. Das größte Problem war der verdammte Motorradunfall, wegen dem ich lange gehumpelt bin. Regisseur James Cameron meinte: „Da ist eine Stelle im Film, in der du rennen musst. Das kann ich nicht technisch kaschieren.“ Darauf ich: „Das wird nicht funktionieren.“ Deshalb haben sie auf Robert Patrick zurückgegriffen, und ich denke, er war der Richtige dafür. Trotzdem wünschte ich, ich hätte den Part gespielt. Aber wie heißt es so schön: Man kann nicht alles im Leben haben – und ich hatte alles andere. (lacht)
Im Herbst werden Sie 70. Was ist das für ein Gefühl?
Idol: Es ist schon verrückt, so alt zu werden. Zumal ich nicht das Gefühl habe, ein verfluchter Dinosaurier zu sein. Im Geist fühle ich mich jung und voller Energie. Nur: Wenn ich manchmal in den Spiegel schaue, muss ich lachen. Dann kann ich selbst nicht fassen, wer da vor mir steht. (lacht) Deswegen halte ich es so: Ich bin froh, dass das Alter noch keine Kompromisse einfordert. Was auch daran liegt, dass ich eine Menge tue, um fit zu bleiben.
Sind Ihre Haare noch echt oder das Ergebnis teurer Transplantation?
Idol: Bislang ist alles echt. (lacht) Der Haaransatz geht nur langsam zurück. Und solange das die nächsten Jahre so bleibt, ist alles OK.
Was erwartet uns bei Ihren Konzerten im Juni? Wie viele neue Stücke spielen Sie; stehen noch alle Klassiker auf dem Programm?
Idol: (kichert) Wenn wir etwa fünf neue Songs ins Programm einbauen, ist da genug Platz für die Hits. Ihr bekommt also eine richtig gute Mischung.
Ganz ehrlich: Sind Sie „White Wedding“, „Flesh For Fantasy“ oder „Dancing With Myself“ denn nie leid?
Idol: Das überrascht mich selbst am meisten. Denn natürlich habe ich damit gerechnet, dass das irgendwann passiert. Doch bislang wird „Rebel Yell“ nie alt. „Eyes Without A Face“ auch nicht. Und „Flesh For Fantasy“ erst recht nicht. Im Gegenteil: Es macht riesigen Spaß, sie zu spielen. Von daher hat sich da noch kein Gefühl von Langeweile eingestellt. Und ich denke, das wird es auch nie. Denn: Diese Songs sind klasse – und es ist gut, in dieser Richtung weiterzumachen. Das tun wir – weil wir wissen, dass wir es gar nicht besser machen können.
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