Neuhausen ob Eck. Die Feuertaufe, ob sein Pop für die Massen auch auf Rockfestivals funktioniert, hat Apache 207 schon im Vorjahr bei „Rock Am Ring“ bestanden. Als sich am Sonntagabend um 21.19 Uhr der rote Vorhang lüftet, entert der in Mannheim geborene Ludwigshafener erstmals auch die große Bühne beim Southside in der Nähe des baden-württembergischen Tuttlingen. Alles ist in Weiß getaucht. Apaches Kluft selbst natürlich, der Mikrofonständer, selbst seine Kopfhörer.
So ganz unschuldig sollen die kommenden 90 Minuten aber natürlich nicht werden. Der in unzähligen ausverkauften Arena-Shows geeichte vielleicht größte deutsche Popstar unserer Zeit gesteht dennoch gleich zu Beginn mit Blick auf die Zehntausenden Fans vor der Bühne: „Die Aufregung wird nie weggehen.“
Danach gibt es das, was bei einer Apache-Show zu erwarten ist: Hits, Hits und nochmal Hits. Stilistische Berührungsängste zeigen die Southside-Besucher zu keiner Sekunde – das Programmspektrum des Festivals hat sich im Gegensatz zum weiterhin gitarrenlastigen „Rock Am Ring“ schon in den vergangenen Jahren weit Richtung Pop, Hip Hop und Electro geöffnet. „Wie ich es liebe, wenn Du meinen Namen schreist, Southside“, sagt Apache zu den Ehrerbietungen aus dem Publikum, die er regelmäßig mit Verneigungen erwidert.
Und wie sich das für einen richtig großen Festivalauftritt gehört, kommt auch die dazugehörige Show nicht zu kurz. Vor „Wenn das so bleibt“ besteigt der Ludwigshafener ein Boot, das er „Elisabeth“ nennt, und surft damit über die längst aufgepeitschte Menge. Die Kontaktaufnahme mit der Basis endet mit der Celine-Dion-Schnulze „My Heart Will Go On“, zu der sich Apache eine Zigarette gönnt. Später dürfen zu „Was weißt du schon“ auch noch drei glückliche Fans hoch auf die Bühne kommen.
Vorgeschmack auf das neue Album, das im August erscheint
Einen kleinen Vorgeschmack auf das neue Album „21 Gramm“, das am 29. August erscheinen wird, gibt es zudem frei Haus. Die Singles „Morgen“ und „GWHF“ werden dabei teilweise derart lautstark mitgesungen, als seien sie schon alte Klassiker.
Wer Apache-Shows kennt, der weiß, dass der Mann, der mit bürgerlichem Namen Volkan Yaman heißt, gegen Ende immer noch einen draufsetzen kann. „Abschied“ markiert noch nicht das Ende, in der selbstverständlich eingeforderten Zugabe gibt es noch den Über-Hit „Roller“ obendrauf. Vorher hatte Apache das Publikum noch ein bisschen geärgert, er habe durch die Festival-Beschränkungen heute gar keine Zeit für den Song, mit dem er den großen Durchbruch geschafft hat. Stimmt natürlich nicht. Auf der Bühne fährt ein Roller, das Publikum rastet aus, und auch Apache selbst wirkt in diesem Moment sehr zufrieden.
Southside-Splitter
Das Southside-Festival findet auch in den kommenden fünf Jahren im Gewerbepark „Take Off“ in Neuhausen ob Eck bei Tuttlingen statt. Auf einer Pressekonferenz am Sonntag verkündeten Veranstalter FKP Scorpio und die Gemeinde die Vertragsverlängerung.
Einsatzkräfte und Veranstalter zogen eine positive Bilanz. Die Menschen seien sehr besonnen mit der Hitze umgegangen, sagte ein Sprecher des Sanitätsdienstes. Die Zuschauer seien mit Kopfbedeckung unterwegs gewesen und hätten viel getrunken. Vor zehn Jahren habe die Einsatzlage bei Hitze noch anders ausgesehen. Außerdem sei es friedlich geblieben.
Das Southside-Festival 2026 findet vom 19. bis 21. Juni statt. Seit 2000 ist Neuhausen ob Eck die Heimat der Zwillingsveranstaltung zum Hurricane Festival im niedersächsischen Scheeßel.
Nach dem Kurpfalz-Heroen beenden die englischen Electro-Rock-Pioniere The Prodigy ein Southside-Festival, das bei bestem Sommerwetter alle Erwartungen erfüllen konnte - obwohl von den 65.000 Tickets 9000 nicht verkauft worden waren. Neben den gefeierten Auftritten von Green Day, Biffy Clyro oder Annenmaykantereit brachten die drei Tage auf dem Höhenzug der Hegaualb aber auch eine große Erkenntnis mit sich: Das Politische drängt in diesen bewegten Zeiten mit Macht zurück in die Popkultur.
Green Day attackieren US-Präsident Donald Trump
Green Day rechneten in „American Idiot“ mit ihrem Präsidenten Donald Trump ab („I‘m Not Part Of Donald Trump‘s Agenda“), die englische Songschreiberin Kate Nash stellte sich mit markanten Ansagen und Songs gegen die zunehmenden Angriffe auf die Trans-Community („Wir müssen dagegen aufstehen“). Vor allem die prekäre humanitäre Situation in Gaza und im Nahen Osten treibt aber viele politisch geprägte Bands um.
„Die akzeptable Größe von Zivilisten, die in einem Krieg getötet werden dürfen, ist null“, kritisierte etwa Rise-Against-Sänger Tim McIlrath, bevor er mit seiner Band den Song „Hero Of War“ spielte. Amy Taylor, Sängerin der australischen Punkband Amyl And The Sniffers, sah das auf der Bühne ähnlich. „In Gaza sterben jeden Tag Menschen und die Welt unternimmt nichts dagegen“, rief sie aus.
The Murder Capital sprechen von einem „Genozid“ in Gaza
Schon länger für ihre scharfe Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza bekannt ist die irische Alternative-Rock-Hoffnung The Murder Capital. Jüngst mussten Konzerte in Berlin und Köln sogar abgesagt werden, weil sich die Band weigerte, ohne eine Palästina-Flagge auf der Bühne zu spielen. Auf dem Southside nehmen die Iren erneut dezidiert Stellung. „Israel begeht einen Genozid. Die Menschen in Palästina brauchen unsere Unterstützung. Nutze deine Stimme“, wird während der Murder-Capital-Show auf der Videoleinwand eingeblendet.
Die Festival-Veranstalter stellt diese Re-Politisierung der Szene vor neue Herausforderungen. Denn wo die Grenze ist, bei der zulässige freie Meinungsäußerung (auch mit inhaltlicher Zuspitzung) in Richtung von Aufstachelung oder gar Hetze überschritten wird, muss stets neu austariert werden. Das irische Hip-Hop-Duo Kneecap wurde zum Beispiel vom Southside-Festival wieder ausgeladen, nachdem es bei einem Live-Auftritt auf der Bühne zu dem Ausruf „Es lebe Hamas, es lebe Hisbollah“ gekommen sein soll.
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