Er ist gefühlt seit etwa drei Jahrzehnten nicht mehr gealtert. In seinem Privatleben soll Vincent Damon Furnier ein richtig netter Kerl sein, der in früheren Jahren auch gerne mal älteren Damen über die Straße geholfen hat. So ist es zumindest überliefert. In seinem zweiten Leben als Rockstar Alice Cooper präsentiert er sich seit einer gefühlten Ewigkeit als irrer Bösewicht ganz nahe am Wahnsinn, so auch auf seiner aktuellen „Too Close for Comfort“-Tour in der gut besuchten Stuttgarter Porsche Arena. Flankiert von einer bärenstarken Band und mit ordentlicher Lautstärke kredenzt er eine Art Rock-B-Movie mit dem Titel „Alice im Horrorland“. Mit alten Krachern und neue Songs geistert er durchs Repertoire und bringt die Menge gehörig in Wallung.
Doch bevor Alice Cooper das Publikum in seine finstere Welt entführt, hält die deutsche „Queen of Metal“, Doro, erst einmal für 45 Minuten Hof. Sie präsentiert „Old-School-Metal“, wie sie betont. Der ist einfach gestrickt und ohne große Überraschungen. Und es ist auch keine große Überraschung, dass ausgerechnet die Ballade „Für immer“ und natürlich ganz besonders der Warlock-Klassiker „All we are“ am meisten abräumen. Wer hätt’s gedacht? Ein netter Aufgalopp, nicht mehr und nicht weniger.
Eine gehörige Schippe drauf, auch in puncto Lautstärke, legen dann Alice Cooper und seine Band. Die zwei Gitarristen und die Gitarristin geben von Anfang an mächtig Gas. „Welcome to the Show“, „No more Mr. Nice Guy“ und „I’m Eigtheen“ zeigen die Combo gleich auf Betriebstemperatur, was sich sofort aufs Publikum überträgt. Die anderen Klassiker der Bandgeschichte sind gut übers rund 90-minütige Set verteilt. Die Eckpfeiler der Show sind seit Jahren gleich, bieten trashigen Mummenschanz und gehen eigentlich nur als Persiflagen durch. Puppe, Zwangsjacke und Guillotine sind die allseits bekannten Requisiten fürs Gruselkabinett. Und Frankensteins Monster darf natürlich auch mal über die Bühne stolzieren. Grusel-Slapstick eben.
Schwamm drüber. Das ist nun mal das Markenzeichen des Herrn Alice Cooper. Doch der Schnickschnack hat letztendlich nur durch die grandiose Live-Mucke überlebt, die zeitlos wie das Aussehen des Maestros selbst, die Jahre hervorragend überdauert hat. Songs wie „Poison“ und „School’s out“ werden auch dann noch auf Partys für Stimmung sorgen, wenn die Horror-Requisiten längst in der Mottenkiste verschwunden sind.
„School’s out“ mit ein weinig „Another brick in the Wall“ ist deshalb würdiger Schlusspunkt eines überaus unterhaltsamen Konzerts.
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