Lindenfels. Über gleich zwei kommunalpolitische Dramen, die in Lindenfels während der vergangenen Jahre für hitzige Debatten sorgten, hat sich im Jahr 2022 der Vorhang gesenkt: Über den Streit um die Errichtung einer Bauschutt-Recyclinganlage in Kolmbach und über die Frage nach der Abschaffung der Straßenbeiträge für Hauseigentümer. Wie es der Zufall will, nahmen beide Konflikte im Jahr 2018 ihren Anfang, um 2019 dann so richtig an Fahrt zu gewinnen und 2022 ihr Ende zu finden.
Umstrittenes Bauprojekt
Im Juni 2018 stimmten die Lindenfelser Stadtverordneten – nichtöffentlich – für den Verkauf eines Grundstücks im noch unberührten Kolmbacher Gewerbegebiet. Über den Tisch sollte die Fläche erst gehen, wenn das Regierungspräsidium den Bau der Anlage genehmigte. Erwerben wollte es ein ortsansässiger Abbruchunternehmer, um dort einen Betriebshof zu bauen – und um an 20 Tagen im Jahr dort auch eine Bauschutt-Brecheranlage arbeiten zu lassen. 2019 wurde dieses Vorhaben öffentlich – und löste in Kolmbach und dem benachbarten Gadernheim heftigen Gegenwind aus. Zwei Bürgerinitiativen wurden gegründet, Stadtverordnete solidarisierten sich mit ihnen.
In einem öffentlichen Beschluss wurde der Verkauf dennoch bestätigt. Lange sah es auch so aus, als käme es dazu. Zwischenzeitlich besuchte der Petitionsausschuss des Hessischen Landtags den Ort des Geschehens, auch ein seltener Schmetterling – der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling – wurde für die Gegner des Vorhabens zum Hoffnungsträger.
Dann kam 2022 – und die Wende. Die Bauaufsicht des Kreises Bergstraße und das Regierungspräsidium in Darmstadt teilten dem Unternehmer mit, sein Vorhaben sei wegen der Lärmbelastung in diesem Gebiet nicht genehmigungsfähig, unter solchen Umständen dürfe die Bauschutt-Recyclinganlage nur in einem Industriegebiet arbeiten. Auf Vorschlag des Unternehmers und seines Planers berieten die Lindenfelser Stadtverordneten Ende April, ob der Bebauungsplan so geändert werden sollte, dass die Anlage doch genehmigt werden kann, mit strengen Nutzungseinschränkungen. Für den Vorschlag gab es aber keine Mehrheit – und damit war das Projekt beerdigt.
Ein Grund für die Ablehnungen aus Heppenheim war auch, dass eine Ausgleichsfläche, die im alten Bebauungsplan aufgeführt ist, um den Eingriff in die Natur zu kompensieren, nicht im Besitz der Stadt ist. Auch dieses Problem hätte der neue Bebauungsplan lösen sollen. Sollte es künftig wieder einmal um ein Bauprojekt in diesem Gebiet gehen, könnte es erneut Thema werden.
Der Unternehmer, der nach eigenen Angaben 80 000 Euro in die Planung steckte, nachdem ihm dies die Stadt schmackhaft gemacht habe, kündigte nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung rechtliche Schritte an.
Die Frage nach der Gerechtigkeit
Der Ursprung der Debatte um die Straßenbeiträge lag im Wiesbadener Landtag. Ab 2018 stellte es das Land Hessen den Städten und Gemeinden frei, sie zu erheben, bis dahin waren sie verpflichtend gewesen. Nachdem mehrere Kommunen die ungeliebte Abgabe abgeschafft hatten, wurden auch in Lindenfels die Rufe nach Entlastung für die Grundstückseigner laut.
Bürgermeister Michael Helbig warnte jedoch davor, mit Blick auf die hohen Kosten und die knappe Kasse der Stadt. Im Sommer 2019 gründete sich eine Bürgerinitiative. Zu den Mitgliedern zählten unter anderem Anwohner der Buchwaldstraße in Winkel, die zu jener Zeit saniert wurde. Doch auch anderswo fanden sich Unterstützer.
In der Debatte ging es auch um die Frage, was gerechter sei – die Erhebung der Straßenbeiträge von den Grundstücksbesitzern, oder eine Erhöhung von Steuern, die auch Einwohner ohne Grundbesitz an zu sanierenden Straßen treffen würde. Nachdem ein Antrag der Listenverbindung LWG/CDU auf umgehende Abschaffung Ende 2020 keine Mehrheit fand, versuchte es nach der Kommunalwahl 2021 die CDU alleine. Auch dafür gab es keine Mehrheit. Angenommen wurde aber ein Antrag von SPD, Grünen und FDP. Die drei Parteien wollten zwar ebenfalls das Ende der Straßenbeiträge, jedoch erst nach einer Vorbereitungszeit – spätestens im Jahr 2024.
Den entscheidenden Schritt ging die Stadtverordnetenversammlung dann im September 2022. Ab dem Haushaltsjahr 2023 sollen die Kosten für die Anlieger schrittweise gesenkt werden, um dann 2025 ganz zu entfallen. Der Beschluss war fast einstimmig. Die Finanzierung bleibt eine Herausforderung, insbesondere die FDP lehnt eine Erhöhung der Grundsteuer B zu diesem Zwecke ab. Unterdessen dürften die Anlieger der Buchwaldstraße schon um einen reduzierten Beitrag gebeten werden, die Kosten für diese Baustelle sollen 2023 abgerechnet werden. Die laufende Maßnahme an der Wilhelm-Baur-Straße dürfte sogar ganz ohne Straßenbeiträge auskommen, weil sie wohl frühestens 2025 abgerechnet wird.
Ein Thema, das die Lindenfelser Kommunalpolitik noch eine Weile beschäftigen dürfte, bleibt das Lindenfelser Freibad. Damit es weiter bestehen kann, muss es dringend saniert werden, was die Stadtkasse stark belasten würde. Eine Machbarkeitsstudie für bis zu 40 000 Euro soll klären, wie sich eine Sanierung stemmen lässt. Die Schwimmbadsaison lockte im Hitzesommer derweil zahlreiche Gäste an, der Umsatz war hoch wie selten in den vergangenen Jahren.
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