Bergstraße. Wenn beim größten Arbeitgeber einer Region Kurzarbeit angesagt ist, dann sollten die Alarmglocken läuten. So geschehen bei Dentsply Sirona seit Oktober vergangenen Jahres bis in den Herbst des laufenden Jahres. Wenn der Gewinn des zweitgrößten Unternehmens der Region, TE Connectivity, Höchststände erreicht, dann ist das ein Grund zur Freude.
Leider ist die Stimmung in der gesamten Wirtschaft der Region eher so wie bei Dentsply Sirona. Es gibt viel mehr Schatten als Licht. Denn nach einem Hoffnungsschimmer im Frühjahr erlitt die südhessische Konjunktur zuletzt einen Rückschlag. Das ist das Ergebnis einer Erhebung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar, für die sie rund 900 Unternehmen aus der Region befragt hat. Ihre Geschäftslage beurteilen nur noch ein Viertel der befragten Unternehmen als gut, knapp die Hälfte als befriedigend, mehr als ein Viertel als schlecht. Vier von zehn Unternehmen sehen sich gezwungen, Personal abzubauen. Und investiert wird vielfach auch weniger.
Umso mehr lohnt es sich, auf die Firmen zu schauen, denen es gut geht. Bei TE Connectivity wurden im Geschäftsjahr Rekordwerte bei Gewinn und Marge erzielt. Im nächsten Quartal sollen Umsatz und Gewinn weiter steigen. Außerdem will der Konzern künftig Aktien in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar zurückkaufen. Das Unternehmen stellt elektronische Steckverbindungen her und profitiert unter anderem von der weltweit wachsenden Produktion von Elektroautos. Technologisch vorne und global agierend, das ist das Erfolgsrezept von TE Connectivity.
Immerhin ist auch bei Dentsply Sirona ein wenig Besserung in Sicht. Aufgrund eines verbesserten Auftragseingangs und der damit verbundenen wieder höheren Auslastung hat der Konzern die Kurzarbeit am Standort Bensheim beendet. Wie das Unternehmen mitteilte, arbeiten seit Anfang September alle Beschäftigten wieder mit ihren normalen vertraglichen Arbeitszeiten. Die Kurzarbeit in Teilen der Produktion galt seit dem vergangenen Jahr. Sie wäre ursprünglich Ende September diesen Jahres ausgelaufen.
„Wir sind froh, dass wir zur Normalarbeitszeit zurückkehren können. Gleichzeitig müssen wir im Blick behalten, dass wir es aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds nach wie vor mit einer hohen Unsicherheit im Markt zu tun haben und dass viele unserer Kundinnen und Kunden bei Investitionen weiterhin zurückhaltend sind“, sagte Ted Julius, Geschäftsführer von Dentsply Sirona in Bensheim.
Und dann kam es noch dicker. Der Konzern hat Anfang November seine Jahresprognosen für Gewinn und Umsatz einkassiert. Statt eines halbwegs stabilen Jahresumsatzes wird nun ein Minus von bis zu 3,5 Prozent vorausgesagt. Außerdem teilte das Unternehmen bei der Veröffentlichung der Geschäftszahlen zum dritten Quartal mit, dass es Abschreibungen von rund einer halben Milliarde Dollar vorgenommen habe. An der Börse brach der Aktienkurs daraufhin im Handelsverlauf um 20 Prozent ein. Seit Jahresbeginn verlor das Papier schon fast die Hälfte seines Wertes. Und an der Börse wird bekanntlich die Zukunft gehandelt. Erholt hat sich das Papier bisher noch nicht gravierend.
Demnächst kann man vermutlich auch bei Langnese in Heppenheim an einem Aktienkurs ablesen, wie es um das Unternehmen steht. Der Unilever-Konzern will seine Eiscremesparte loswerden, nach jüngsten Berichten über einen Börsengang. Zwar war auch hier zuletzt von teuren Rohstoffen und hohen Energiepreisen sowie einem schwächeren Absatz im Jahresverlauf die Rede. Doch beim geplanten Stellenabbau dürfte Heppenheim außen vor sein. Vorerst bleibt aber erstmal die Unsicherheit über die Zukunft des drittgrößten privaten Arbeitgebers an der Bergstraße.
Verunsicherung dürfte auch bei der Nummer vier der größten Arbeitgeber an der Bergstraße hier und da geben, der BASF am Standort Lampertheim. Anlagen in Ludwigshafen, und dazu gehört der Standort auf der anderen Rheinseite, werden auf ihre Wettbewerbsfähigkeit geprüft. Am Stammsitz in Ludwigshafen sollen Arbeitsplätze wegfallen, inwieweit Lampertheim betroffen sein wird, ist nicht bekannt.
Die Erwartungen der Unternehmer in Südhessen an die nächsten Monate sind skeptisch bis negativ. Nur 13 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer Verbesserung der Situation, 56 Prozent glauben, dass es so bleibt, wie es ist. Knapp jedes dritte Unternehmen geht davon aus, dass es noch schlechter wird. Damit verliert der Erwartungssaldo sechs Prozentpunkte. Mit minus 18 Prozentpunkten liegt er im tiefroten Bereich. „So viel Pessimismus hatten wir seit den Coronajahren nicht mehr“, heißt es im jüngsten IHK-Konjunkturbericht.
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