Mundart für soziale Energie

Peter Hettenbach ist Bauingenieur und Immobilienexperte aus Plankstadt. Er nutzt Dialekt, um soziale Energie zu erzeugen. Gemeinschaft und Heimat sind für ihn essenziell, um gesellschaftliche Probleme anzugehen.

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Peter Hettenbach aus Plankstadt hält seine Vorträge deutschlandweit im Kurpfälzer Dialekt – mit positivem Effekt. © Kern

Es ist Druck im Kessel. Fast egal, wohin man schaut. Unzufriedenheit, Wut und Schuldzuweisungen nach oben, nach unten, nach links, rechts und quer. Gemeinschaft war noch nie nur harmonisch, aber was sich derzeit zeigt, weist für Peter Hettenbach doch auf ein tieferliegendes Problem hin.

Er, der Bauingenieur und Immobilienexperte aus Plankstadt, der bekannt dafür ist, dass er seine zahlreichen Vorträge bundesweit auf Kurpfälzisch hält, sieht eine Art Hyper-Individualisierung in der Verantwortung. Sie verunmögliche zunehmend die Verortung des Menschen. Es geht dem Mann um Heimat. Um einen Ort, an dem der Mensch Gemeinschaft erfährt. Der griechische Mathematiker und Ingenieur Archimedes von Syrakus (287 v. Chr. – 212 v. Chr.) erklärte einst: „Gib mir einen Punkt, wo ich sicher stehen kann, und ich hebe die Erde aus den Angeln“. Die philosophische Implikation liegt für Hettenbach auf der Hand. „Wir brauchen Heimat, um mit den Dingen dieser Welt sinnstiftend umgehen zu können.“

Heimat als Struktur verstehen, in der man sich wohlfühlt

Dabei weiß Hettenbach, dass das ein Balanceakt ist. Denn die Individualisierung ist natürlich wichtig. Die Aufklärung und damit die westliche Moderne, frei nach dem Königsberger Philosophen Immanuel Kant, fußen auf dem Individuum, das den Mut habe, sich seines Verstandes zu bedienen. Aber zugleich sei der Mensch auch ein soziales Tier, dem die Vereinzelung nicht guttue. Und genau das sei einer der Gründe für die derzeitige Misere. Die Hyper- oder komplett ortlose Individualisierung der vergangenen Jahrzehnte führt in seinen Augen in die Irre. Die Menschen spürten das insgeheim. Es entstehe eine Leere, die sich auch mit Konsum nicht füllen lässt und leicht im populistischen Angstdiskurs ausgeschlachtet werden kann.

Ein Instrument, das er dagegen ins Feld führt, ist der Dialekt. Egal, wo er ist und auch egal, bei wem, er redet Dialekt. Auch beim jüngst von der Zeitschrift „Capital“ ausgerichteten Vermögensaufbaugipfel, mit allem was aus Politik und Wirtschaft Rang und Namen hat, blieb er diesem Ansatz treu. Klar gab es da hin und wieder ein paar fragende Blicke, „manchmal auch eine hochgezogene Augenbraue.“ Aber er hielt Kurs. Und es zeigte sich, dass in der Folge etwas entstand, das der Soziologe Hartmut Rosa soziale Energie nennt. Für Hettenbach „ein sehr wichtiger Denker“.

Soziale Energie entstehe immer aus Gemeinschaft heraus, der Auseinandersetzung mit anderen, und sei es nur, weil man darüber ins Gespräch komme, „warum ich Dialekt rede“. Und es ist die soziale Energie, die den Menschen am Ende dazu befähigt, Probleme anzugehen. Aus ihr entstünde Zuversicht, der Glaube daran, Herausforderungen bestehen zu können und Zukunft zu gestalten. „Und kaum etwas brauchen wir derzeit gerade mehr.“

Aber dafür braucht es Verortung. Damit meint Hettenbach nicht per se den Geburtsort, Familie oder Ähnliches: Heimat verstanden als Struktur, in der man sich in der Welt wohlfühlt. Das kann Familie oder ein Ort sein. Aber eben auch Sprache, der Beruf, Freunde, ein Hobby oder ein Verein. Hettenbach denkt das wirklich im weitestmöglichen Sinne. Einzig unverzichtbares Element ist die Gemeinschaft. „Natürlich analog.“

Wer nicht ums eigene Ich kreist, kann das eigentliche Leben starten

Nun könnte man einwerfen, dass mit Gemeinschaften stets eine Art Abgeschlossenheit einhergeht. Identifikation entsteht ja über Abgrenzung. Aber, so sagte es der Soziologe und Systemtheoretiker Niklas Luhmann, beim Handeln sei es notwendig, dass eine Offenheit nach außen bestehe, für die jedoch eine innere Geschlossenheit Voraussetzung sei. Anders formuliert, wer wisse, wer, wo und wie er sei, könne dem anderen ohne Befürchtungen begegnen.

Wer nicht andauernd um das eige Ich kreise, nicht das Gefühl habe, es ständig verteidigen zu müssen, könne mit dem eigentlichen Leben beginnen. Für Hettenbach ein Leben, das dem komplizierten Sein und dem anderen stets zugewandt ist. Und, wenn es gut läuft, wachse die Immunität gegenüber einfachen Antworten. Sie seien am Ende das zersetzende Gift für jeden Diskurs, der wiederum das Lebenselixier für die Demokratie sei.

Heimat hafte ja immer etwas Altmodisches an. Nichts könnte falscher, ja fataler sein. Denn ohne eine gewisse Verortung des Menschen gelingt keine anständige Gesellschaft. Eine Ansicht, die Peter Hettenbach immer wieder mit dem Kurpfälzer Dialekt unterstreicht.

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