Bergstraße. Montagmorgen. Ich stehe auf, frühstücke und stecke mein Handy in den Handykäfig, den ich vor einigen Jahren mal gekauft habe. Ich schließe ihn ab und gebe den Schlüssel einem Freund, der während meiner handyfreien Zeit auf diesen aufpassen soll. Den Käfig verstaue ich in einem Regal, so dass ich ihn nicht sehe. Keine Ausnahmen. Keine Schlupflöcher. Eine Woche offline. Keine Nachrichten, keine Anrufe und kein Social Media. Nur ich – und die Realität.
Tag 1 – Entzugserscheinungen
Der erste Tag ist hart. Beim Frühstück greife ich mehrere Male nach meinem nicht vorhandenen Handy. Ich sitze ungewohnt still da, starre aus dem Fenster, als würde ich auf etwas warten. Es ist nicht nur die Langeweile, es ist das Fehlen eines Reaktionsreflexes. Sobald es still wird, will mein Kopf Ablenkung. Am Nachmittag gehe ich eine Runde spazieren – ein Weg, den ich gut kenne: durch die Heppenheimer Altstadt und dann weiter durch die Weinberge. Ich höre zum ersten Mal seit langem keine Musik, kein Podcast, nichts. Abends lese ich ein Buch von Paulo Coehlo, aber ich schweife oft ab – ich bin unruhig.
Tag 2 – Der Sport und das erste Problem
Ich will los nach Bensheim. Denn ich bin mit zwei Freunden zum Tennis spielen verabredet. Anstatt wie gewohnt, die Musik über Spotify anzumachen, höre ich heute Radio – ein komisches Gefühl, da ich nicht aussuchen kann, welche Musik ich hören will. Danach gehen wir essen im Clubhaus, als plötzlich das erste Problem auf mich wartet. Normal bezahle ich immer mit Apple Pay. Allerdings habe ich mein Handy nicht dabei. Meinen Geldbeutel, den ich inzwischen nicht immer bei mir trage, da ich ihn eigentlich nicht brauche, habe ich zu Hause gelassen. Also bezahlt einer der Freunde für mich und ich gebe ihm das Geld in bar zu Hause zurück.
Später am Abend sitze ich mit einer Freundin am Marktplatz in Heppenheim. Diesmal habe ich an meine Karte gedacht. Während wir auf das Essen warten, reden wir noch viel mehr als sonst, da keine Ablenkung von einem Handy besteht und die Freundin sich auch dazu entschieden hat, ihr Handy zu Hause zu lassen.
Tag 3 – Gespräche, wie sie früher waren
Heute treffe ich mich mit einem Freund in Bensheim. Wir hatten uns am Wochenende ohne Handy verabredet – einfach Zeit und Ort festgelegt. Es klappt tatsächlich. Wir laufen durch den Stadtpark wieder ganz ohne vom Handy abgelenkt zu sein. Die Gespräche wirken intensiver. Niemand schaut zwischendurch aufs Display. Es gibt keine ständigen Unterbrechungen, kein „Warte kurz, ich muss mal eben antworten“. Wir reden über Zukunftspläne, alte Klassenfahrten. Am Abend gehe ich noch kurz durch die Innenstadt. Ohne Handylicht ist es ungewohnt dunkel, fast wie in einer anderen Zeit. Ich komme mir seltsam frei vor – fast unberührt von allem, was draußen in der digitalen Welt gerade passiert.
Tag 4 – Party statt Social Media
Morgens hole ich eine Freundin ab, um mit ihr für meine Gartenparty am Abend einzukaufen. Auf dem Weg zu den Geschäften, die etwas weiter weg liegen, benutzen wir das Navi in meinem Auto – normalerweise wäre es einfach Apple CarPlay gewesen.
Abends kommen dann zehn Freunde und Freundinnen bei mir an. Wir machen eine „Boardnight“ – ein Trend, der von der Social Media Plattform TikTok kommt. Hierbei kreierten alle meine Freunde ein Board zu einem bestimmten Thema mit Essen, während ich mich um die Cocktails kümmerte.
Bis spät in die Nacht waren wir beisammen und hatten viel Spaß und ich merkte auch hier wieder, wie anders Gespräche sein können, wenn man nicht noch nebenbei an seinem auf Social Media unterwegs ist.
Tag 5 – Der Rhythmus ändert sich
Ich wache ohne Wecker auf – langsam und ausgeschlafen. Mein Tagesrhythmus hat sich verschoben. Ich bin weniger gehetzt, brauche weniger Ablenkung. Ich merke, wie mein Kopf klarer wird. Statt ständig auf Neues zu reagieren, bleibe ich mehr bei mir selbst. Den ganzen Tag über verbrachte ich damit, ein gesamtes Buch für die Schule noch einmal zu lesen und es zu markieren. Ohne die Ablenkung mit dem Handy komme ich deutlich schneller voran.
Tag 6 – Der neue Blick auf Zeit
Ich gehe zum Abschluss noch einmal mit dem Freund, der auf den Schlüssel aufgepasst hat ins Fürstenlager. Wir laufen langsam durch den Park und setzen uns auf eine Bank. Er fragt mich, wie oft ich in letzten Tagen mein Handy vermisst habe. Ich antworte: Selten. Eher aus Gewohnheit, nicht aus echtem Bedürfnis. Wie oft habe ich es wirklich gebraucht? Kaum. Wie oft hätte ich etwas wirklich Wichtiges verpasst, wenn ich nicht mit anderen gesprochen hätte? Fast nie.
Als ich abends mit dem Schlüssel nach Hause komme, hole ich das Handy aus dem Handykäfig. Auf dem Sperrbildschirm sieht man: 279 Nachrichten und 39 verpasste Anrufe und etliche Benachrichtigungen. Ich bin fast schon schockiert.
Als ich überlege anzufangen, mir all diese Sachen anzuschauen, denke ich nach und treffe einen Entschluss: Ich werde mein Smartphone wieder benutzen. Aber bewusster. Vielleicht bleibt der Sonntag ab jetzt handyfrei. Vielleicht kommt das Notizbuch öfter mit. Vielleicht lasse ich mich öfter auf Umwege ein, ohne Handy.
Denn genau dort, wo man nicht geplant hat zu sein, erlebt man manchmal das meiste. Frederik Koch
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