Vergangenen Samstag fand der Tag der Verkehrssicherheit statt: An diesem Tag wird darauf aufmerksam gemacht, dass nach wie vor rund 3000 Menschen jährlich ihr Leben im deutschen Straßenverkehr verlieren. Doch das Risiko unterscheidet sich erheblich – je nach benutztem Verkehrsmittel. Nur bei circa jedem 70. der Verunglückten war 2019 ein Bus und bei jedem 7. ein Fahrrad beteiligt. Es zeigt sich also, dass die Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs das persönliche Risiko im Straßenverkehr senkt. Doch inwieweit ist es überhaupt realistisch, im Kreis Bergstraße komplett auf das Auto zu verzichten? Das hat die BAnane den Verkehrsplaner Peter Castellanos (Bild: Zelinger) gefragt, der sich nicht nur beruflich mit dem Thema befasst, sondern auch in der Freizeit im Netzwerk „bergstraße.mobil“ engagiert.
Sie selbst verzichten komplett auf das Auto. Wie kam es dazu?
Peter Castellanos: Schon meine Mutter ist niemals Auto gefahren und zeigte somit, dass es möglich ist, ohne Auto zu leben. Später habe ich mich mit Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz beschäftigt. Dabei habe ich bemerkt, dass die Bereitschaft, den ÖPNV zu nutzen, unmittelbar mit dem Angebot zusammenhängt und bin daher im Fahrgastverband ProBahn aktiv geworden. Dabei wurde mein Interesse am ÖPNV verfestigt, so dass ich mich dann für das Studium „Verkehrsmanagement“ entschieden habe.
Das Risiko eines gefährlichen Unfalls schwindet mit der Nutzung des ÖPNVs. Aber wie steht es grundsätzlich mit seiner Sicherheit?
Catellanos: Die subjektive Sicherheit, die das Auto als ein kriminalitätsfreier Ort ausstrahlt, ist trügerisch. Tatsächlich ist die Kriminalität im ÖPNV nicht höher als an anderen Orten. Außerdem ist gerade im Bus immer auch Personal anwesend. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass sich die Nutzung des ÖPNVs und des Fahrrads positiv auf die Gesundheit auswirken. Viele Studien zeigen, dass allein durch ihre Nutzung zum Beispiel das Risiko, an Herz-Kreislauf-Störungen zu erkranken, erheblich sinkt.
Ist man als Jugendlicher im Kreis Bergstraße auch ohne Auto mobil?
Castellanos: Es kommt ganz darauf an, wo man sich befindet. In sehr ländlichen Gebieten wie Beedenkirchen oder Staffel in der Gemeinde Lautertal ist es derzeit noch schwierig, überhaupt ohne Auto wegzukommen. Dies soll aber durch die Umsetzung des Nahverkehrsplans ab Dezember der Vergangenheit angehören. Außerdem sieht der Nahverkehrsplan auch vor, viele Netzlücken zu schließen und die Taktung auf vorhandenen Verbindungen zu erhöhen.
Dieses Angebot ist dem Kunden wichtiger als der Preis, denn nur durch gute Verbindungen können Voraussetzungen geschaffen werden, damit mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen. Hier in Bensheim muss beispielsweise das Buskonzept überdacht werden, der nördliche Berliner Ring wird nur mit dem Ruftaxi angefahren, was jedoch die Bereitschaft der Nutzung hemmt und die Flexibilität einschränkt. Dennoch müssen Tarife stärker an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst werden. Es ist zum Beispiel lebensfremd, dass dual Studierende, die in Darmstadt die Hochschule besuchen, mit dem Semesterticket ihre Arbeitsstelle in Mannheim nicht erreichen können, nur weil kurz vorher der Geltungsbereich des Übergangstarifs endet. Das ist nur ein Beispiel, das zeigt, dass sich noch vieles ändern muss.
Und was ist mit dem Fahrrad?
Castellanos: Das Fahrrad hat in den vergangenen zehn Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Bei Planungen werden Radfahrende nun viel bewusster miteinbezogen und die Kommunen investieren mehr Geld als zuvor in den Ausbau der Radinfrastruktur, zum Beispiel in Radwege oder sogar Fahrradparkhäuser.
Welchen Ratschlag möchten Sie jungen Menschen bei der Wahl ihres Verkehrsmittels mit auf den Weg geben?
Castellanos: Allen, die die Wahl haben zwischen „Mama-Taxi“ und dem ÖPNV, empfehle ich, sich Gedanken über ihre Mobilität und die Folgen ihres Verkehrsverhaltens zu machen. Denn Autos kosten nicht nur viel Platz im öffentlichen Raum, sondern stoßen bei jeder Fahrt Schadstoffe aus – auch Elektroautos. Versucht, wo möglich, öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad oder die eigenen Füße zu nutzen. Und dort, wo es nicht möglich ist, unbedingt die Mängel vortragen, damit diese wahrgenommen und hoffentlich von den zuständigen Stellen abgestellt werden können. Wer sich zusammen mit anderen für eine nachhaltige Mobilität einsetzen will, kann sich überlegen, sich in einer Bürgerinitiative, zum Beispiel bergstraße.mobil, zu engagieren. Alle sind willkommen, und nur der stete Tropfen höhlt den Stein.
Nähere Infos zum Thema gibt es auch online unter www.bergstrassemobil.de. Sophia Rhein
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