E-Commerce (mit Video)

Wie werden Socken zu einer hippen Marke? Snocks-Gründer Johannes Kliesch im Interview

Im Frühjahr 2022 haben die Gründer des erfolgreichen Mannheimer Socken-Start-ups Snocks erstmals Anteile an einen Investor verkauft. Johannes Kliesch erklärt, was sie zu dem Schritt motiviert hat, wie er seine Rolle im Unternehmen heute sieht - und warum er der "Jürgen Klopp des E-Commerce" sein will

Von 
Tatjana Junker
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Mitarbeiterbindung ist bei Snocks ein großes Thema: Hier die Büroküche des Start-ups in der Zentrale im Mannheimer Glücksteinquartier. © Snocks

Mannheim. Herr Kliesch, Snocks hat seit Frühjahr erstmals einen Investor an Bord und dafür einen zweistelligen Millionenbetrag eingesammelt. Was haben Sie mit dem Geld bisher angestellt?

Johannes Kliesch: Das ist relativ unspektakulär: Wir haben die größte Summe in Ware investiert. Ein Großteil des Geldes, das wir für unsere verkauften Anteile bekommen haben, ist aber gar nicht in die Firma geflossen. Wir haben es genommen, um unseren Liebsten ein schönes Leben zu ermöglichen. Das Timing war perfekt: Sowohl meine Eltern als auch die von meinem Mitgründer und Cousin Felix sind gerade in Rente gegangen. In den letzten sechs Jahren haben wir immer wahnsinnige Umsätze und Gewinne gemacht, und es war toll, auf dem Papier Millionär zu sein. Aber wir hatten nicht viel davon: Außer unserem Gehalt haben wir noch nie einen Cent aus der Firma genommen. Unseren Familien jetzt mal was zu gönnen, war ein total schönes Gefühl.

Die letzten sechs Jahre waren Sie Ihre eigenen Chefs. Wie schwer fällt es, dass jetzt jemand Drittes mitredet?

Kliesch: Gar nicht schwer, im Gegenteil. Etwa einmal im Monat gibt es ein Gespräch mit Cathay Capital, das war es auch schon. Operativ hat sich überhaupt nichts verändert. Wir haben immer noch die Mehrheit an Snocks und können alle Entscheidungen selbst treffen.

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Von Socken zur hippen Marke: Mannheimer Start-up Snocks stellt sich vor

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Sie haben mit mehreren Investoren gesprochen. Warum ist die Wahl auf Cathay Capital gefallen?

Kliesch: Bei der Suche nach einem Investor waren wir selbstbewusst. Innerhalb von sechs Jahren haben wir aus 4000 Euro Startkapital 33 Millionen Umsatz in 2021 gemacht. Das heißt: Wir haben E-Commerce verstanden. Es gibt nicht viele in Deutschland, die das besser machen. Daher haben wir keinen strategischen Partner gesucht, der uns erklärt, wie das geht, sondern uns für einen Private-Equity-Investor entschieden.

"Meine Aufgabe bei Snocks ist es, die Leute bei Laune zu halten", sagt Snocks-Mitgründer Johannes Kliesch. © Snocks

Als Cathay eingestiegen ist, hieß es, Snocks wolle damit die internationale Expansion vorantreiben. Wie weit sind Sie da?

Kliesch: Wir starten im ersten Quartal 2023 in den USA, die Ware dafür ist gerade auf dem Weg. Den Markteintritt in Frankreich, den wir ursprünglich diesen Sommer geplant hatten, haben wir um ein Jahr verschoben, weil wir in Deutschland gerade so stark wachsen: Da sehen wir noch viel mehr Potenzial, als wir das Anfang des Jahres erwartet hätten. Je nachdem, wie der Dezember läuft, macht Snocks 2022 rund 56 Millionen Euro Umsatz netto – das sind etwa 80 Prozent mehr als im Vorjahr.

Das heißt, beim Sockenkauf sparen die Menschen noch nicht.

Kliesch: Doch, insgesamt merken wir schon, dass das Geld nicht mehr so locker sitzt. Wir müssen viel mehr Leute mit Werbung in unseren Shop locken, damit am Ende des Tages der gleiche Umsatz rauskommt. Das Gute ist: Die Preise für Onlinewerbung gehen gerade stark nach unten, weil viele andere Firmen ihre Ausgaben zusammenstreichen. Unsere Strategie ist, das zu nutzen und jetzt richtig viel in Werbung zu investieren. So machen wir die Marke bekannter – und wenn die Kaufkraft dann in zwei, drei Jahren wieder voll zurückkommt, profitieren wir davon umso mehr.

Wir haben zum ersten Mal die 10-Millionen-Euro-Marke in einem Monat geknackt.

Für den klassischen Handel ist die Vorweihnachtszeit die wichtigste des Jahres. Gilt das auch fürs Sockengeschäft?

Kliesch: Unser Hauptgeschäft ist von März bis August, wenn die Leute kurze Hosen tragen und sich bewusst machen, dass sie Socken brauchen: Sneaker-Socken, kurze Socken etc. Trotzdem war der November jetzt unser bester Monat aller Zeiten. Wir haben zum ersten Mal die 10-Millionen-Euro-Marke in einem Monat geknackt, vor allem durch das Black-Friday- und Cyber-Monday-Geschäft. Generell ist das Weihnachtsgeschäft im E-Commerce eher im November. Im Dezember ist der Offline-Handel stark, da gehen die Leute in die Stadt, trinken Glühwein und shoppen mit der Familie.

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Snocks-Produkte können sie dabei nicht kaufen, zumindest nicht im Laden. Ändert sich das bald?

Kliesch: Online ist unsere DNA, dabei bleiben wir erstmal. Anders als andere, große Player wie Falke haben wir verstanden, wie man erfolgreich Socken im Internet verkauft, darauf sind wir stolz. Inzwischen sind wir in Deutschland der größte Online-Anbieter dafür, ebenso wie für Boxershorts. Trotzdem ist der Offline-Handel superstark, um eine Marke emotional aufzuladen. Deshalb wollen wir nächstes Jahr mit unseren Produkten in einige Luxusboutiquen und Erlebniskaufhäuser. Dazu sprechen wir mit Engelhorn, Breuninger und dem KaDeWe. Es geht dabei aber nicht um den Abverkauf oder große Umsätze, sondern um die Marke.

Wie schafft man es überhaupt, ein schnödes Produkt wie Socken zur hippen Marke aufzubauen?

Kliesch: Das war eine unserer größten Herausforderungen: Um das Produkt Socken kann man keine gute Geschichte erzählen. Wir mussten uns was anderes überlegen. Damals fanden schon viele Menschen Start-ups total interessant, Millionen haben sich jede Woche „Die Höhle der Löwen“ angeschaut. Deshalb dachten wir: Lass’ uns doch die Geschichte erzählen, wie wir zwei Cousins unseren Traum vom eigenen Unternehmen verwirklichen. So haben wir sehr früh mit dem angefangen, was heute ein großer Trend ist: Personal branding. Inzwischen posten alle Dax-Vorstände auf Linkedin, wir haben das schon vor sechs Jahren gemacht – gezwungenermaßen. Man muss aber auch sagen: Wir hatten sehr viel Glück. Dass der Sneaker-Hype so groß geworden ist, konnte damals niemand absehen.

Gab es auch Momente, wo Sie ans Aufgeben gedacht haben?

Kliesch: Wir waren nie an dem Punkt, dass wir dachten: das Geschäftsmodell funktioniert nicht. Allerdings musste ich im Januar 2021 privat einige Schicksalsschläge hinnehmen und war persönlich am kämpfen. In dieser Zeit hatten wir eines Tages ein Angebot: Jemand wollte uns 11 Millionen Euro für die Firma zahlen. Da habe ich Felix angerufen und gesagt: Lass’ uns das machen. Mein Cousin hat das verstanden, er kannte meine private Situation, aber er meinte: Wir schlafen noch ein paar Nächte darüber. Das haben wir gemacht und entschieden, erstmal weiterzuschauen. Zum Glück: ein Jahr später war unsere Firmenbewertung um ein Vielfaches höher und wir konnten einen kleinen Teil der Anteile für einen zweistelligen Millionenbetrag verkaufen.

Im vergangenen Jahr ist Snocks stark gewachsen, auch personell. Wie ändert sich dadurch die Unternehmenskultur?

Kliesch: Mit dieser Frage habe ich mich zuletzt am meisten beschäftigt. Aktuell arbeiten im Snocks-Kosmos 120 Menschen, Anfang 2022 waren es nur halb so viele. Wenn jeden Monat im Schnitt fünf bis 10 neue Leute anfangen, macht das was mit einer Unternehmenskultur. Am Anfang war hier alles superfamiliär – und plötzlich kennst du manche Leute auf dem Flur nicht mehr. Da mussten wir extrem gegensteuern.

Experte für E-Commerce

Johannes Kliesch (28) stammt aus Ladenburg.
Gemeinsam mit seinem Cousin Felix Bauer gründete er 2016 – beide studierten damals an der DHBW in Mannheimdas Start-up Snocks. Das erste Produkt waren Sneaker-Socken, die Kliesch und Bauer über Amazon verkauften.
Inzwischen arbeiten bei Snocks 120 Vollzeitkräfte, 2022 wird ein Umsatz von rund 56 Millionen Euro angepeilt.
Neben dem Geschäft mit Socken und Unterwäsche gehört auch Snocksulting zur Gruppe, eine Beratungsagentur für E-Commerce. Zudem wurde 2021 das Café Snocks Coffee in Mannheim eröffnet.
Im Frühjahr 2022 verkauften Kliesch und Bauer einen Teil ihrer Snocks-Anteile an den Private-Equity-Investor Cathay Capital. tat
 

Wie denn?

Kliesch: Wir haben alle zwei Wochen montags morgens ein Meeting, an dem alle teilnehmen müssen. Als erstes wird das Goldstück der Woche aufgezeigt: Jeder, der Lust hat, erzählt sein persönliches Highlight. Das kann alles sein: eine coole Serie, die man gesehen hat, ein neues Restaurant oder der Umzug in eine neue Wohnung. Einmal im Jahr machen wir außerdem unseren „Summer Trip“, da laden wir die ganze Firma ein, mit uns irgendwo hinzufliegen. Kürzlich waren wir mit 60 Leuten zwei Tage auf Mallorca: keine Arbeit, nur zum Spaß haben und um sich kennenlernen. Auch in unsere neue Küche haben wir viel Geld investiert, rund 70 000 Euro. Jetzt bleiben die Leute abends länger und kochen noch zusammen.

Und das alles, um „der Jürgen Klopp des E-Commerce“ zu werden? Das haben Sie mal als Ziel formuliert.

Kliesch: Im Spitzenfußball können sich die absoluten A-Player aussuchen, für welchen Verein sie spielen. Und ein wichtiges Kriterium für ihre Entscheidung ist der Trainer. Mit wem möchte ich mich weiterentwickeln? Wer inspiriert mich? In der Arbeitswelt ist das ähnlich. Deshalb machen wir so viel Personal Branding, deshalb bin ich so viel bei Linkedin und anderswo unterwegs: Meine Aufgabe bei Snocks ist es, die Leute bei Laune zu halten und dafür zu sorgen, dass sich – wie zuletzt im November – 300 geile Leute auf eine Vollzeitstelle bei uns bewerben.

In Mannheim gehören wir zu den coolsten und wertvollsten Start-ups.

Wären Sie für Toptalente nicht attraktiver, wenn Sie in Berlin statt Mannheim sitzen würden?

Kliesch: Unser Motto ist: Sei lieber der größte im eigenen Affenstall als einer von vielen in der großen weiten Welt. Soll heißen: In Mannheim gehören wir zu den coolsten und wertvollsten Start-ups. Stocard wurde letztes Jahr für 100 Millionen Euro verkauft – unsere Firmenbewertung lag dieses Jahr nur knapp darunter. Uns kennen hier unheimlich viele Leute, und für jemanden, der in Mannheim an der Uni ist und bei einem Start-up anfangen will, gehört Snocks zu den ersten Adressen. In Berlin oder München sitzen so viele andere Firmengrößen, da wären wir ein Niemand.

Sie stehen also zum Standort?

Kliesch: Definitiv. Mannheim ist unsere Heimatstadt, darauf sind wir stolz. Man muss aber auch sagen: Von den 120 Vollzeitleuten, die wir aktuell beschäftigen, sind 30 bis 40 hier in der Region. Der Rest arbeitet remote. Wir haben zum Beispiel in Hamburg ein Office mit 20 MitarbeiterInnen.

Sie selbst sind nicht nur Socken-Unternehmer, sondern haben kürzlich auch eine Streaming-Live-Show für Start-ups mitgegründet: die Founders League. Machen Sie der „Höhle der Löwen“ Konkurrenz?

Kliesch: Ich finde „Höhle der Löwen“ Hammer. Es ist unfassbar toll, was das Format für die deutsche Start-up-Kultur geleistet hat. Das will ich gar nicht ersetzen. Wir wollen eher was zusätzlich machen. Es gibt ja auch nicht nur eine Quizshow im Fernsehen. Mein persönliches Why für die Founders League ist: Ich habe mir mit Snocks so ein geiles Leben ermöglicht, und dafür bin ich unglaublich dankbar. Jetzt geht es mir darum, anderen UnternehmerInnen Inspiration zu schenken und den Mut, zu gründen. Ich will den Leuten sagen: Ihr müsst nicht studieren oder in einem Corporate arbeiten, das euch anödet. Macht das, was Euch glücklich macht.

Was ist Ihr wichtigster Tipp für den Pitch vor Investoren?

Kliesch: Es braucht drei Dinge: Die Lösung für ein Problem, ein Business Modell und – ganz wichtig – Empathie. Wir haben im letzten Jahr bei Snocks mit über 20 Investoren auf der ganzen Welt gesprochen.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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