Weltwassertag

Wasser aus Plastikflaschen - ein Segen nur für Konzerne

Das Milliardengeschäft mit abgefülltem Wasser bremst weltweit das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen und verursacht ein gigantisches Müllproblem. Die UN schlagen Alarm

Von 
Rolf Obertreis
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Symbolbild. © istock

Frankfurt. Wasser in Plastikflaschen ist weltweit ein Milliardengeschäft. In jeder Minute werden weltweit mehr als eine Million Flaschen verkauft. 34 Dollar gibt rein rechnerisch jeder Mensch pro Jahr für Wasser in Plastikflaschen aus. Was sich auf 270 Milliarden Dollar jährlich und eine Menge von rund 350 Milliarden Liter summiert, wie eine neue Studie der UN zeigt, die anlässlich des Weltwassertages an diesem Mittwoch veröffentlicht worden ist.

Sie benennt auch die zahlreichen damit verbundenen Probleme. Dass Wasser in Plastikflaschen um ein Vielfaches teurer ist als sauberes Trinkwasser aus der Leitung. Dass das Flaschenwasser von Konzernen oft aus öffentlichen Quellen und aus Grundwasser gewonnen wird und damit auch den Druck auf die wichtige Ressource vergrößert. Dass Wasser in Plastikflaschen keineswegs immer unbelastet und sauber ist. Und dass die Plastikflaschen global nur selten recycelt werden und ein gigantisches Müllproblem verursachen. Insgesamt verschleiere die Wasserflaschen-Branche, dass der Zugang zu sicherem Trinkwasser für alle Menschen weiter nicht gewährleistet ist und damit ein wichtiges nachhaltiges Entwicklungsziel - die sogenannten Sustainable Development Goals - nicht erreicht werde.

„Das ist einer der am stärksten wachsenden Märkte weltweit, schneller wachsend als jeder andere Nahrungsmittel-Markt“, heißt es in der Studie „Global Bottled Water Industry: A Review of Impacts and Trends“ des UN-Instituts für Wasser, Umwelt und Gesundheit, die auf Daten aus 109 Ländern basiert. „Es wird erwartet, dass der Markt bis die Schwelle von 500 Milliarden Dollar bis 2030 überschreitet“, heißt es dort. 2021 waren die USA mit etwa 64 Milliarden Dollar der größte Markt für „bottled water“, gefolgt von China mit 45 Milliarden und Indonesien mit 22 Milliarden Dollar.

Deutschland ist größter Markt in Europa

Auch Deutschland gehört zu den großen Nutzern und ist größter Markt in Europa. Mit gut sechs Milliarden Dollar rangiert man gemeinsam mit Singapur hinter Australien (rund zehn Milliarden Dollar) weltweit auf Platz sieben. Pro Kopf der Bevölkerung liegen Singapur, Australien und mit jährlich 1129 Dollar und jeweils gut 500 Litern an der Spitze. In Deutschland sind es rund 220 Liter.

Im Schnitt 2,50 Dollar legen die Menschen in den reichen Ländern für eine Plastikflasche Wasser auf den Tisch, zwischen 80 Cent und einem Dollar sind es in den ärmeren und armen Ländern. Die am stärksten wachsenden Märkte für Flaschenwasser sind der Studie zufolge Ägypten, Algerien, Brasilien und Indonesien. Aber selbst in Frankreich und Italien setzen mehr als 60 Prozent der Verbraucher auf Wasser aus Plastikflaschen.

Fünf große Konzerne stehen für 25 Prozent des Marktes und jährliche Einnahmen aus dem Verkauf des Wassers in Plastik von 65 Milliarden Dollar, so die Studie: Pepsi und Coca-Cola mit je rund sieben Prozent, Nestlé mit 4,9, Danone mit 3,1 und das US-Unternehmen Primo Corporation mit 2,9 Prozent. Dabei nutzten die Konzerne zu geringen Kosten Wasser aus öffentlichen Quellen und verkaufen es dann.

„In den USA etwa holt sich Nestlé Waters täglich drei Million Liter in Florida Springs; in Frankreich Danone bis zu zehn Millionen Liter in Evian-les-Bains in den französischen Alpen; und in China die Hangzhou Wahaha Group bis zu zwölf Millionen Liter aus den Changbai Mountain Springs. Nestlé hat sein Nordamaerka-Geschäft allerdings nach eigenen Angaben Anfang 2021 verkauft. In Indien, Pakistan, Mexiko und Nepal sollen Coca-Cola und Nestlé 2021 bis zu 100 Milliarden Liter aus Quellen entnommen haben. Teilweise würde für das Flaschenwasser auch das Grundwasser angezapft - mit negativen Folgen für die Umwelt.

Dabei ist das Wasser in Flaschen in etlichen Fällen gar nicht sauber. In Fällen aus 40 Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern wurden Verunreinigungen durch Metalle, Chemikalien, Pestizide, Bakterien, Antibiotika und Mikroplastik nachgewiesen, heißt es in der UN-Studie.

Während das Flaschenwasser in reichen Ländern bei Preisen, die zwischen 150 und 1000 Mal höher liegen als die öffentlichen Wassergebühren, ein Luxusgut ist, müssen Menschen in den armen und ärmsten Ländern auf das Flaschenwasser setzen, weil eine verlässliche öffentliche Wasserversorgung fehlt. Weltweit habe zwei Milliarden Menschen immer noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

"Extreme soziale Ungerechtigkeit"

„Der Anstieg des Verbrauchs von Flaschenwasser dokumentiert den begrenzten Fortschritt und die vielen Fehlschläge bei der öffentlichen Trinkwasserversorgung“, sagt UN-Direktor Kaveh Madani. „Das verweist auf einen Fall extremer sozialer Ungerechtigkeit.“ In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara gilt das nicht einmal für ein Drittel der Bevölkerung.

Jährlich müssten der Studie zufolge 114 Milliarden Dollar investiert werden, um bis 2030 das vereinbarte Entwicklungsziel einer weltweit verlässlichen Trinkwasser-Versorgung zu erreichen. Also die Hälfte dessen, was derzeit jährlich für Wasser in Plastikflaschen ausgegeben wird, so die Studie.

Zugleich sorgt das Wasser in Plastikflaschen weltweit für ein gigantisches Müllproblem. 35 Prozent aller Plastikflaschen weltweit werden für Wasser genutzt, vornehmlich aus PET. 2021 wurden, so die Studie, rund 600 Millionen Plastikflaschen produziert - rund 25 Millionen Tonnen PET-Müll. „Das entspricht dem Gewicht von 625 000 40-Tonnen-Lkw, rechnerisch genug für die Strecke von New York bis Bangkok.“ Nur 14 Prozent der Flaschen würden weltweit recycelt. In der EU seien es 41, in Nordamerika 35 Prozent. Deutschland steht dabei zusammen mit Dänemark, der Schweiz und Norwegen mit einer Recycling-Quote von gut 80 Prozent immerhin an der Spitze.

Immerhin, so der UN-Report, steige weltweit das Bewusstsein für die negativen Folgen des Plastikmülls. Aber ein Durchbruch bei Alternativen für die PET-Flaschen gebe es noch nicht. „Die PET-Umweltverschmutzung wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen.“

Korrespondent Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich für den Mannheimer Morgen und für andere wichtige Regionalzeitungen wie den Tagesspiegel/Berlin, die Badische Zeitung/Freiburg, die Südwest Presse/Ulm und den Münchener Merkur als Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt. Banken, Europäische Zentralbank, Bundesbank, Börse und in Frankfurt ansässige Unternehmen wie Lufthansa und auch Verbände wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA zählen zu meinen Schwerpunkten. Daneben auch die Luftfahrt. Zudem befasse ich mich über die KfW Bankengruppe und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit Fragen der Entwicklungszusammenarbeit.

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