Rhein-Neckar. Um das Thema Nachhaltigkeit kommen Unternehmen nicht mehr herum. Wenn es nicht bereits Kundinnen und Kunden sind, die den Druck auf die Firmen damit erhöhen, indem sie etwa den ökologischen Fußabdruck oder die Herkunft eines Produkts abfragen, dann ist es spätestens die Europäische Union. Denn die nimmt einen Großteil der Unternehmen bald per Gesetz in die Pflicht.
Laut der Richtlinie müssen ab dem Jahr 2024 Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Millionen Euro die Verbraucher über die Nachhaltigkeit ihrer Aktivitäten informieren. Unabhängige Stellen sollen die Angaben prüfen und zertifizieren.
In der Region zeigt jetzt mit dem Mannheimer Modehaus Engelhorn ein Einzelhandelsunternehmen Transparenz. Nach eigenen Angaben ist das Familienunternehmen eines der ersten aus dem Mode- und Sportbereich in Deutschland, das einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. „Die Textilindustrie hat einen nicht unerheblichen Anteil an den globalen Treibhausgas-Emissionen. Die Arbeitsbedingungen an den Produktionsstandorten stehen immer wieder in der Kritik. Wir als Händler wollen Haltung zeigen, Verantwortung übernehmen und Veränderungen anstoßen“, sagt Simon Engelhorn, mit seinen Cousins Fabian Engelhorn und Andreas Hilgenstock Geschäftsführer und verantwortlich für Nachhaltigkeit. Wie aus dem 52 Seiten umfassenden Bericht hervorgeht, ist Engelhorn in den Bereichen, die das Unternehmen eigenverantwortlich beeinflussen kann, bereits klimaneutralisiert. Die CO2-Emissionen der vergangenen Jahre seien durch Zertifikate für ein Windkraftprojekt auf den Philippinen kompensiert.
Problem: indirekte Emissionen
Zur besseren Vergleichbarkeit werden die Treibhausgas-Emissionen in drei Kategorien, Scopes, eingeteilt. Scope 1 enthält alle Emissionen, die ein Unternehmen direkt verantwortet, also etwa aus dem Betrieb von Heizung, Beleuchtung, Klimaanlage oder dem Fuhrpark. Bei Scope 2 handelt es sich um indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie. Scope 3 schließlich sind alle indirekten Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen und außerhalb der Kontrolle des Unternehmens (Einzelhändler) liegen.
Was der Bericht von Engelhorn stellvertretend für die Branche aufdeckt: Der überwiegende Teil der CO2-Emissionen fällt auf Scope 3 und damit die Hersteller zurück und weniger auf die Händler, die die Produkte „nur“ verkaufen. Bei Engelhorn lag diese Quote in den vergangenen drei Jahren bei etwa 80 Prozent und wurde „maßgeblich durch unsere Textilwaren bestimmt“.
Im Verhältnis dazu ist es relativ einfach, in den Scopes 1 und 2 die Emissionen drastisch zu senken. Engelhorn hat das vor allem über die schrittweise Umrüstung auf LED-Beleuchtung erreicht. Im laufenden Geschäftsjahr soll in den Scopes 1 und 2 gegenüber 2019 ein Rückgang um 30 Prozent erreicht werden. „Unser Ziel ist es, unsere Emissionen immer weiter und stetig zu reduzieren“, kündigt Simon Engelhorn an.
Die Bedeutung der Thematik unterstreicht Stephanie Kopp, Wissenschaftliche Referentin für Nachhaltige Wirtschaft und Finanzen beim Rat für Nachhaltige Entwicklung: „Immer mehr Unternehmen nutzen Nachhaltigkeitsberichterstattung, um darüber zu informieren, wie sie Verantwortung für soziale und ökologische Themen in ihrer Lieferkette übernehmen. Das Bewusstsein über die essenzielle Rolle von Unternehmen für die sozial-ökologische Transformation steigt also.“ Auch vertrauenswürdige Siegel wie der Grüne Knopf könnten Verbrauchern eine Orientierung geben. Unternehmen fehle es individuell häufig an Marktmacht, um bei Zulieferbetrieben höhere Nachhaltigkeitsstandards durchsetzen zu können.
Firmen legen vieles offen
Wer sich auf den Internetseiten der Textil- und Sporteinzelhändler umsieht, stößt schnell auf Informationen, ohne sich große Mühe bei der Suche machen zu müssen. Das Stuttgarter Handelsunternehmen Breuninger veröffentlicht zwar keinen Nachhaltigkeitsbericht, weil es „keiner Pflicht zur Berichterstattung zu nichtfinanziellen Themen unterliegt“. Es führt aber sämtliche Aktivitäten in den Unternehmensbereichen auf, wie Gastronomie, Versand im Onlineshop oder beim Einkauf der Marken. Das deckt sich in etwa mit dem Konkurrenten aus Mannheim: Versandbedingte Emissionen werden mit Spenden an Klimaschutzprojekte ausgeglichen, und in der Gastronomie werden viele regionale Lebensmittel verwendet.
Eigene Kategorie im Onlineshop
Und beide Unternehmen erleichtern Käufern im Onlineshop die Orientierung. Die Auswahl wie Farbe, Material, Größe oder Marke wurde um die Kategorie Nachhaltigkeit erweitert. Wird der Filter angeklickt, werden nur als nachhaltig gekennzeichnete Artikel angezeigt, die fest definierten Kriterien entsprechen.
Bei Peek & Cloppenburg ist diese Funktion im Onlineshop etwas umständlicher zu finden und anders gekennzeichnet. Doch die Kriterien, die diese Artikel auszeichnen, sind weitgehend deckungsgleich. Man biete „eine breite Auswahl nachhaltiger Mode, deren Einhaltung von gewissen Standards mittels ausgewählter Zertifikate geprüft wurde“.
Der französische Sportartikelhändler Decathlon informiert im Internet sehr umfangreich über seine Nachhaltigkeitsaktivitäten. Da 80 Prozent des Sortiments selbst entwickelt werden, „liegt alles in unserer Hand – was den großen Vorteil hat, dass wir auch die Produktionsbedingungen selbst bestimmen und natürlich auch kontrollieren können“, heißt es.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-was-das-mannheimer-modehaus-engelhorn-und-andere-haendler-tun-um-gruener-zu-werden-_arid,2006219.html