Mannheim. Die meisten Büros der Inter Versicherungsgruppe in der Mannheimer Oststadt sind verwaist. Rund 80 Prozent der Beschäftigten arbeiten mobil. Nach der jüngsten Betriebsvereinbarung müssen sie lediglich einen Tag pro Woche vor Ort sein. Ein Gebäude ist nahezu komplett vermietet, weil die Flächen nicht mehr gebraucht werden. Sollte Corona in verstärkter Form zurückkehren, würde sich am Standort nichts ändern, sagt Vorstandssprecher Michael Solf (kleines Bild). Virtuelles Arbeiten sei mittlerweile Alltag. Unter anderem wurden neue Laptops und Technik für Videokonferenzen angeschafft.
Zur Inter-Gruppe gehören die Sparten Krankenversicherung, Lebensversicherung und Allgemeine Versicherung. Am Mannheimer Stammsitz arbeiten mehr als 1000 Menschen. Die Inter ist bundesweit tätig, das internationale Geschäft beschränkt sich auf Polen. Aktivitäten in Russland und der Ukraine gibt es nicht.
Steigende Erträge
Das vergangene Jahr ist konzernweit beim Geschäftsergebnis über Plan gelaufen, auch bei anderen Kennzahlen gab es Zuwächse (siehe Tabelle). Besonders die Sparte Krankenversicherung hat dazu beigetragen. Denn die Erträge aus den Kapitalanlagen sind deutlich gestiegen.
Das Management führt das auf den höheren Anteil „alternativer Anlagen“ zurück. Darunter fallen Beteiligungen an nicht-börsennotierten Unternehmen (Private Equity), nicht-notierte Unternehmensdarlehen (Private Debt) sowie etwa Immobilien-Fonds. Alternative Anlagen machen inzwischen insgesamt rund 25 Prozent aus. Die Mehrheit (75 Prozent) besteht aus klassischen Zinsträgern wie Anleihen mit langen Fälligkeiten von bis zu 20 Jahren.
In der Krankenversicherung lag das Ergebnis der Kapitalanlagen bei rund 286 Millionen Euro, 78 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Die alternativen Anlagen hätten eine „sehr gute Performance“ gezeigt, sagt Sven Koryciorz, verantwortlich für die Finanzen. Das Geld aus den Kapitalanlagen fließt in Rückstellungen, die für mögliche Beitragsrückerstattungen verwendet werden.
Lange Zeit hat die Europäische Zentralbank (EZB) eine Nullzinspolitik verfolgt. Angesichts der erheblichen Teuerung ist sie nun gezwungen gegenzulenken. Am 21. Juli will die EZB den Leitzins auf 0,25 Prozent anheben. „Es war an der Zeit, dass es wieder positive Zinsen gibt“, findet Inter-Vorstandssprecher Solf. „Das macht uns das Leben bei Neuanlagen ein Stück weit einfacher“ – und sei ein wichtiger Schritt in Richtung Normalisierung.
Was die hohe Inflation von derzeit rund acht Prozent angeht, so rechnet der Manager damit, dass diese sich mittelfristig bei etwa vier Prozent einpendeln wird.
„Kommen nicht über den Preis“
Die Inter Versicherungsgruppe zählt in der Branche nicht zu den günstigsten Anbietern. Daraus macht sie auch keinen Hehl. „Wir kommen nicht über den Preis, sondern legen Wert auf Kundinnen und Kunden, die Service schätzen“, erklärt Solf. Zu den Zielgruppen gehören besonders Ärzte – und Handwerker. Für beide Berufsgruppen sieht die Inter eine „goldene Zukunft“ und verspricht sich eine solvente Klientel. Der Service zeichnet sich laut Solf dadurch aus, dass man einen guten Zugang zu den Gruppen habe und das jeweilige „Ökosystem“ verstehe.
Wegen interner Krankheitsfälle und Corona an sich ist die Arbeit für den Vertrieb der Inter teilweise schwierig gewesen. Denn das Versicherungsgeschäft lebt normalerweise vom unmittelbaren Kundenkontakt. Digitale Konzepte wie Videokonferenzen seien aber schnell angenommen worden.
Die Pandemie ist noch nicht vorbei, was im Herbst und Winter kommt, weiß keiner. Hinzu kommen massive geopolitische Unsicherheiten. „Auch wenn unsere Kapitalanlagen nicht direkt vom Krieg in der Ukraine betroffen sind, ist das Risiko einer globalen Rezession ohne Frage gestiegen“, sagt Solf. Aus der Ruhe bringen lassen will sich der Vorstandssprecher trotzdem nicht.
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