Energie

Warum den Billigstromanbietern Voxenergie und Primastrom Ärger droht

Die Stromdiscounter Voxenergie und Primastrom haben jüngst die Preise erhöht - Verbraucherschützer zweifeln allerdings an der Rechtmäßigkeit. Deshalb hegen sie einen Plan.

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Tobias Kisling
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Auch in angespannten Zeiten müssen sich Kundinnen und Kunden darauf verlassen können, dass sie rechtzeitig über Vertragsveränderungen informiert werden. © dpa

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine schnellen die Energiepreise weltweit in die Höhe. Alle Verbraucherinnen und Verbraucher spüren die Folgen: Seit Jahresbeginn haben in Deutschland die Energieversorger bereits rund 800 Strompreiserhöhungen um durchschnittlich 20 Prozent angekündigt - was laut dem Vergleichsportal Verivox für Mehrkosten von rund 300 Euro je Haushalt bedeutet.

Allerdings ist fraglich, ob alle Erhöhungen tatsächlich berechtigt waren. Zweifel daran hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). So haben die Stromdiscounter Voxenergie und Primastrom bereits im vergangenen Jahr ihre Kunden mit kräftigen Strom- und Gaserhöhungen konfrontiert und auch in diesem Jahr die Preise noch mal deutlich erhöht, obwohl teilweise Preisgarantien über 24 Monate vereinbart waren.

„Aus Sicht des vzbv sind die Preiserhöhungen von Primastrom und Voxenergie unzulässig. Der vzbv prüft daher die Erhebung einer Musterfeststellungsklage“, sagt Patrick Langer, Referent im Team Musterfeststellungsklagen des vzbv. „Mit der Klage soll festgestellt werden, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher lediglich die vertraglich vereinbarten Preise zahlen müssen.“ Zur Vorbereitung der Klage sucht der oberste Verbraucherschutzverband nun betroffene Kunden, die ihren Fall auf musterfeststellungsklagen.de einreichen. Anfragen dieser Redaktion ließen sowohl Voxenergie als auch Primastrom bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Gegen Voxenergie und Primastrom laufen bereits Aufsichtsverfahren der Bundesnetzagentur. Diese wurden eingeleitet, nachdem die beiden Anbieter Ende 2021 Zehntausenden Kunden per Schreiben mitgeteilt hatten, dass ihre Tarife innerhalb von drei Tagen zum 1. Januar 2022 deutlich steigen werden. Geprüft wird, inwieweit die gesetzlich vorgesehenen Ankündigungsfristen eingehalten wurden.

Zahlreiche Beschwerden

Denn auch in angespannten Zeiten müssen sich die Verbraucher darauf verlassen können, dass sie rechtzeitig über Vertragsveränderungen informiert werden - also mindestens zwei Wochen im Voraus. Nur so haben Kunden die Chance, von ihrem Sonderkündigungsrecht bei Erhöhungen Gebrauch zu machen, und können sich einen neuen Stromanbieter suchen. Bei einem Fehlverhalten könnte die Behörde das rechtswidrige Verhalten untersagen.

Auch bei den Verbraucherzentralen sind die Beschwerden über Primastrom und Voxenergie seit Jahresbeginn sprunghaft gestiegen, berichtet Langer. So wurde einem Verbraucher beispielsweise der monatliche Stromgrundpreis von neun Euro auf zuletzt 24 Euro erhöht. Der Arbeitspreis sollte von 28,03 Cent auf 90,83 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde (kWh) steigen - und dies, obwohl sein Vertrag eine Preisgarantie über 24 Monate enthielt. „Bei einem Zweipersonenhaushalt entspricht das etwa einer Verdreifachung der Kosten und damit einer Erhöhung von mehr als 1700 Euro für ein Jahr“, rechnet Langer vor. Der Verbraucherzentrale Bundesverband forderte entsprechend beide Unternehmen auf, Strom und Gas zu den vertraglich vereinbarten Preisen zu liefern und die Preisgarantien einzuhalten.

Zur Bewertung der Rechtssituation rufen die Verbraucherschützer Betroffene dazu auf, sich mit ihren Fällen beim vzbv zu melden. Nach Prüfung könnte eine Musterfeststellungsklage gegen die Unternehmen noch im Laufe dieses Jahres eingereicht werden, so Langer.

Für die Verbraucher haben sich die Strompreise innerhalb eines Jahres bereits um 33 Prozent verteuert, berichtet das Vergleichsportal Verivox. Zahlte eine Familie mit einem Stromverbrauch von 4000 Kilowattstunden im Juni 2021 noch 1197 Euro für Strom, waren es im Juni 2022 bereits 1587 Euro - das sind Mehrkosten von 390 Euro.

„Flächendeckende Erhöhungen“

Durch den Wegfall der EEG-Umlage zum 1. Juli sinken die Strompreise nun zwar rechnerisch um 4,4 Cent pro kWh (brutto). Bei einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden entspricht dies einer Entlastung von 177 Euro. Versorger sind verpflichtet, diese Senkung weiterzugeben. Davon profitieren vor allem Kunden in längeren Laufzeitverträgen.

„Aufgrund der hohen Beschaffungskosten wird die Absenkung der EEG-Umlage Verbraucherinnen und Verbraucher aber nur kurzfristig entlasten“, sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. Viele Stromanbieter würden die hohen Beschaffungskosten nach Ablauf der Vertragslaufzeit an ihre Kunden weitergeben. Entsprechend düster sieht die Prognose aus: „Spätestens zum Jahreswechsel rechnen wir dann mit flächendeckenden Preiserhöhungen für Millionen Haushalte“, erklärt Storck.

Infokasten zu Musterfeststellungsklage

Ziel einer Musterfeststellungsklage ist es, die zentralen Rechtsfragen eines Streitfalls für alle Betroffenen zu klären.

Damit können Forderungen leichter und kostengünstiger durchgesetzt werden, für die eine Einzelklage zu aufwendig und kostspielig wäre.

Der Verband klagt stellvertretend für alle Verbraucher, die sich der Klage anschließen. Die Beteiligung ist für Verbraucher kostenlos. Sie müssen sich dazu lediglich in das entsprechende Klageregister eintragen.

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