Frankfurt. Seit August vergangenen Jahres müssen Banken und Sparkassen Anlegerinnen und Anleger nach ihren Präferenzen in Sachen Nachhaltigkeit fragen. Einfach ist das nicht. Viele Beraterinnen und Berater in den Geldhäusern klagen über weitere bürokratische Auflagen, wenn sie etwa Fonds verkaufen wollen. Basis ist die EU-Taxonomie, die klassifizieren soll, was nachhaltig ist und dem Klimaschutz dient und was nicht.
Die Debatte hat sich verschärft, seitdem die EU – in Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine – auch Atomkraft und Gas als nachhaltig eingestuft hat. Allerdings kreist die Diskussion auch darum, ob Investments in bereits „grüne“ Unternehmen ausreichen oder es nicht (mehr) Sinn macht, gerade auch Firmen zu unterstützen, die erst auf dem Weg sind grüner zu werden. Das helfe dem Klima möglicherweise mehr.
„Nur dunkelgrün reicht nicht“ betont Frederik Lange vom Bundesverband Deutscher Banken (BdB). Seiner Ansicht nach muss viel stärker als bislang nicht nur auf bereits nachhaltig und grün wirtschaftende Unternehmen geschaut werden, sondern vor allem auch auf die, die aktuell kaum grün sind und erst im Übergang zur mehr Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit stecken. Oder damit noch gar nicht angefangen haben. Hier sind die positiven Effekte, sagen auch andere Expertinnen und Experten, größer als bei schon „grünen“ Firmen.
„Das ist genau der Punkt, an dem ‚Transition Finance’ – zu übersetzen als Übergangsfinanzierung – ansetzt“, sagt Lange. Es gehe etwa um Unternehmen, die heute (zu) viel CO2 emittieren. Sie sollten beim „nachhaltigen“ Umbau ihres Geschäftsmodells unterstützt werden, durch Bankkredite oder auch durch Käufe ihrer Aktien durch Fonds und auch Privatanleger.
Dabei denkt der BdB-Experte unter anderem an kritische Sektoren wie Stahl, Zement oder Aluminium. Hier gilt der Wandel angesichts des hohen Energiebedarfs der Unternehmen und dem damit verbundenen hohen CO2-Belastung durch Nutzung von Öl, Kohle oder Gas als schwierig und teuer. Allerdings wären die positiven Effekte auf das Klima durch Energieeinsparungen und vor allem den Schwenk hin zu erneuerbaren Energien besonders groß, sollten entsprechende Strategien möglich sein und eingeschlagen werden.
Lange betont allerdings auch, dass es nicht einfach ist, Kriterien für eine mögliche, auf Klimaneutralität ausgerichtete Übergangsfinanzierung festzulegen. Die Verunsicherung bei Banken und Finanzmarktakteuren sei noch groß, wie eine Umfrage der OECD im vergangenen Jahr gezeigt habe. „Es besteht schnell die Gefahr, dass sich Institute Greenwashing-Vorwürfen ausgesetzt sehen.“
Tatsächlich kritisieren Organisation wie etwa Urgewald das in ihren Augen immer noch viel starke Engagement auch deutscher Banken in Unternehmen, die auf die fossilen Energien Kohle, Öl und Gas setzen. Notwendig sei deshalb, sagt Lange, ein klarer Rahmen und eindeutige Kriterien, welche Übergangsfinanzierungen akzeptiert werden können. Bei der EU hat man das Problem erkannt und will die Taxonomie erweitern. Die bisher präsentierten Vorschläge sind nach Ansicht des Bankenverbandes aber zu komplex und kaum anwendbar. Durch sie drohen, so Lange, auch Unternehmen, die ihre Klimaschutzbemühungen deutlich vorantreiben würden, zurückzufallen.
Der BdB schlägt eine Liste von Aktivitäten vor, die zum Ausschluss von Unternehmen und Aktivitäten führen, die nicht in Richtung Nachhaltigkeit und Reduzierung der Klimabelastungen zu wandeln sind. Alle anderen Bereiche und Unternehmen sollten unterstützt werden. „Eine ‚Green Economy’ werden wir nur durch das ‚Greening of the Economy erreichen“, sagt Lange. Dass Problem sieht man auch bei der Umwelt- und Naturschutz-Organisation WWF. „Wie fließt mehr Kapital in Wirtschaftsbereiche, die besonders dringend transformiert werden müssen?“, heißt es in einer aktuellen Studie. Gleichzeitig übt der WWF scharfe Kritik. „Die EU-Taxonomie sollte ursprünglich Greenwashing verhindern“, sagt WWF-Experte Jochen Krimphoff. „Sie ist aber stattdessen für einzelne Wirtschaftsbereiche zu einer Greenwashing-Maschine geworden.“
Er verweist auf die Einstufung von Atomkraft und Erdgas durch die EU-Kommission als nachhaltig im vergangenen Jahr. Das habe den Ruf der Taxonomie stark beschädigt. Jetzt sei es wichtig, sie nachzubessern und zu erweitern, betont Krimphoff. Sein Vorschlag: Ein Ampelsystem, mit dem alle wirtschaftlichen Aktivitäten und ihre Effekte auf Klima und Natur eingeordnet werden können. Eine so erweiterte Taxonomie könne zeigen, was nicht transformierbar sei und was dringend transformiert werden müsse. „Sie erlaubt zielgerichtete Mittelvergabe durch Akteure auf dem Finanzmarkt oder der öffentlichen Hand, um die Dynamik der Transformation zu verstärken“. Es wäre also auch eine Orientierung für Anleger.
Schätzungen zufolge, so der WWF, deckt die Taxonomie aktuell nur 20 bis 40 Prozent der Wirtschaftsaktivitäten ab. Und nur etwa fünf Prozent seien Taxonomie-konform, also nachhaltig. Das soll ein Ampelsystem ändern: Rot steht demnach für Aktivitäten, die unmittelbar transformiert oder die ganz eingestellt werden müssten.
Letzteres gilt nach Ansicht des WWF für die Kohleförderung. Gelb bedeutet, dass die Geschäfte keinen substanziellen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz leisten, aber auch keinen dramatischen Schaden verursachen. Allerdings sind bei diesen Unternehmen Änderungen notwendig. Grün steht letztlich für Aktivitäten die bereits der Taxonomie folgen und damit als nachhaltig gelten können
Generell müssen betroffene Unternehmen klare und glaubwürdige Pläne für den Wandel zu mehr Grün vorlegen, heißt es beim WWF und beim BdB. Vor allem um Greenwashing zu vermeiden. Nur so könne der dringend notwendige Wandel zu Nachhaltigkeit und mehr Klimaschutz gelingen. Dabei schaut im übrigen die unabhängige Beobachtungsstelle gegen Greenwashing (www.greenwashed.net) sehr genau hin. Es ist ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen und Experten.
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