Großbritannien

Gewohntes Gusseisen, neue Technik: Royal Mail führt „Briefkästen der Zukunft“ ein

Nach 175 Jahren bekommen die ikonischen britischen Briefkästen ein Update – mit Solarzellen, Paketklappe und App.

Von 
Susanne Ebner
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Die leuchtend roten, zylinderförmiger „Pillar Boxes“ bekommen ein zeitgemäßes Innenleben. © -/Royal Mail via PA Media/dpa

London. Mit ihrem roten Lack und der markanten Säulenform prägen sie das Bild britischer Städte ebenso unverwechselbar wie die legendären Telefonzellen. Seit 175 Jahren blieben die ikonischen Briefkästen auf der Insel nahezu unverändert. Bis jetzt. Nun erhalten einige von ihnen erstmals ein umfassendes Update: Royal Mail führt zunächst 3.500 „Briefkästen der Zukunft“ ein. Im Frühjahr 2025 in Hertfordshire und Cambridgeshire erprobt, werden die Postsäulen schrittweise landesweit nachgerüstet. Erste Exemplare stehen im schottischen Edinburgh sowie im englischen Manchester, Sheffield, Nottingham und Sunderland.

Die Postkästen sehen zwar fast genauso aus wie vorher, sind jedoch mit einem Barcode-Scanner, kleinen Solarzellen für die Stromversorgung und einer digital aktivierbaren Schublade ausgestattet. Wollen Briten Pakete verschicken, können sie sich den Weg zur nächsten Postfiliale sparen. Damit reagiert das Unternehmen, auf die wachsende Konkurrenz: Royal Mail, einst Sinnbild staatlicher Verlässlichkeit, verlor im Jahr 2006 seine Monopolrechte im Briefmarkt auf der Insel. Seither steht die Firma unter massivem Druck. Private Kurierdienste und Paketstationen drängen auf den Markt.

„Werfen Sie es hinein, und wir kümmern uns um den Rest“

Mit dem neuen Service möchte Royal Mail sich der Zeitenwende anpassen und Kunden nicht nur halten, sondern auch hinzugewinnen. 115.000 Briefkästen befinden sich der Firma zufolge innerhalb von einer halben Meile, also 0,8 Kilometern, von 98 Prozent aller Haushalte. „Das macht sie zum mit Abstand bequemsten Netzwerk von Paketabgabestellen im Vereinigten Königreich“, sagt Jack Clarkson von Royal Mail. Und: „Unsere Botschaft ist klar: Wenn Sie ein Royal-Mail-Etikett auf Ihrem Paket haben und es (in den Briefkasten passt), werfen Sie es hinein, und wir kümmern uns um den Rest.“

Doch eine Umfrage der Boulevardzeitung Sun zeigte im April: Fast die Hälfte der befragten Britinnen und Briten (49,1 Prozent) lehnt die solarbetriebenen Briefkästen eher ab. Denn die Menschen auf der Insel stehen neuer Technik sonst zwar sehr offen gegenüber – doch wenn es um den gusseisernen Designklassiker geht, dominiert offenbar das Traditionsbewusstsein.

Für Sendungen bis zur Größe eines Schuhkartons

Für die künftigen Nutzer erklärten britische Medien die Bedienung der umgebauten Briefkästen vielleicht auch vor diesem Hintergrund Schritt für Schritt: Briefe kommen wie gewohnt durch den klassischen Schlitz. Wer dagegen ein Paket einwerfen will, scannt zuvor einen Barcode mithilfe der Royal-Mail-App. Dann entriegelt sich die solarbetriebene Paketklappe, groß genug für Sendungen bis zur Größe eines Schuhkartons. Den nötigen Strom liefern kleine Sonnenkollektoren auf dem Dach der roten Postsäule.

Bevor es im Vereinigten Königreich Postkästen gab, wurden Briefe in Gasthäusern oder Geschäften abgegeben oder von einem Postboten eingesammelt, der mit seiner Glocke durch die Straßen zog. 1850 brachte Anthony Trollope, Beamter bei der Post in London, die Idee von Briefkästen am Straßenrand ins Spiel – vermutlich angeregt durch Reisen nach Frankreich und Belgien, wo er solche Boxen gesehen hatte. 1852 wurden auf Jersey, der größten der im Ärmelkanal gelegenen Kanalinseln, die ersten gusseisernen Kästen aufgestellt.

Viele tragen noch die Initialen von Königin Elizabeth II.

Der Erfolg sprach sich herum: Bereits 1853 kam im kleinen Dorf Holwell in der südwestenglischen Grafschaft Dorset der älteste noch genutzte Briefkasten hinzu – er trägt bis heute das Monogramm von Königin Victoria, die von 1837 bis 1901 regierte. Aus diesen Anfängen wuchs in einer Zeit rasanter Industrialisierung und des Eisenbahnbooms ein landesweites Netz zunehmend zylinderförmiger „Pillar Boxes“. Viele tragen je nach Alter noch immer die Initialen von Königin Elizabeth II. oder ihrer Vorgänger.

Seit Juli 2024 schmückt das Zeichen von König Charles III. neue Briefkästen. Im 19. Jahrhundert hatte die Post kurzzeitig grüne Modelle eingeführt, sie waren jedoch schlecht sichtbar und wurden deshalb wieder abgeschafft. In den 1930er-Jahren folgten blaue Varianten für Luftpost, auch sie verschwanden wieder. Am Ende setzte sich das leuchtende, ikonische Rot durch – und macht die berühmten Postzylinder bis heute unübersehbar.

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