Berlin. Der Streit um knappe Haushaltskassen könnte so viel entspannter sein. 100 Milliarden Euro waschen Kriminelle wissenschaftlichen Schätzungen zufolge jedes Jahr in Deutschland. Eine Menge Geld, die dem Staat verloren geht. „Vermutlich ist es noch viel mehr“, sagt Birgit Rodolphe, Direktorin der Bankenaufsicht Bafin.
Geldwäsche treibt die Inflation, unterwandert den Wirtschaftsstandort Deutschland. Doch nicht nur sind die Milliarden für die Staatskassen verloren. Mit dem gewaschenen Geld finanzieren sich Drogendealer, Waffenschmuggler, Menschenhändler. Die illegalen Einnahmen sind die Lebensader der organisierten Kriminalität. Nicht umsonst predigen erfahrene Kriminalermittler den Leitsatz: „Follow the money“ – folge der Spur des Geldes, um Mafia, Clans und Drogenkartelle zu zerschlagen. Nur leider verliert sich die Spur allzu oft im Nebel der Finanzwirtschaft.
Seit Jahren gilt Deutschland als „Geldwäsche-Paradies“. Immobilien können Kriminelle per Bargeld-Koffer bezahlen. Juwelen, Luxusautos, Spielhallen – all das sind Investments, die Mafiosi seit jeher in Deutschland tätigen. Doch wo ist die politische Debatte? Wo der Aufschrei, der durchs Land geht?
Als Christian Lindner noch Finanzminister war, machte er einen großen Aufschlag. Im Sommer 2022 kündigt er eine neue Behörde im Kampf gegen schmutziges Geld an: die Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität, kurz BBF. FDP-Politiker Lindner sagte damals, es gehe um den „Mut zum großen Wurf“. Man wolle „Tempo machen“ und „international sichtbare Fortschritte“ im Kampf gegen Geldwäsche erzielen.
Daraus wird nichts. Ein entsprechendes Gesetz wurde zwar im Juni 2024 in den Fachausschüssen des Bundestages beraten. Doch bis heute steht eine Debatte im Parlament aus. Dass das noch passiert auf der Schlussgeraden bis zur Wahl, ist so gut wie ausgeschlossen. Das bestätigen Finanz- und Rechtspolitiker mehrerer Fraktionen unserer Redaktion. Offenbar fiel es in den letzten chaotischen Ampel-Monaten von der Agenda der Regierung. Die Politiker der FDP geben den Grünen die Schuld, diese weisen die Kritik von sich und kritisieren wiederum die Liberalen, die eine Einigung verhindert hätten. Es war wie schon zuvor in der Ampel: Alle zerrten an einem Gesetz – von dem am Ende niemand mehr so richtig überzeugt war. Auch die Union signalisiert Bauchschmerzen mit einer neuen Bundesbehörde, Finanzexperte Matthias Hauer (CDU) warnte vor einem „Bürokratie-Monster“.
Nicht das erste Mal scheitert der Kampf gegen Geldwäsche
Laut Finanzministerium standen Büros und IT-Ausstattung für einen „Aufbaustab“ von 40 Beschäftigten in Köln und Dresden bereit, waren zuletzt rund 47 Vollzeitkräfte in die Errichtung eingebunden. Auf Nachfrage beerdigt das Finanzministerium nun auch offiziell Lindners Großprojekt mit geplanten Hunderten Mitarbeitenden. Man arbeite „zügig mit einer stark reduzierten Anzahl von Beschäftigten“ und wickele den Aufbau der Bundesbehörde ab. Der vorgesehene Aufbaustab werde aufgelöst.
Es ist nicht das erste Mal, dass Deutschland im Kampf gegen Geldwäsche scheitert. Seit einigen Jahren suchen Ermittler der Financial Intelligence Unit (FIU), einer Spezialeinheit des Zollkriminalamts, nach auffälligen Transaktionen im deutschen Finanzwesen. Entdecken die Beamten Hinweise auf Geldwäsche, melden sie die Fälle der Polizei. Die FIU ist vor allem eine große Filter-Behörde – unter Millionen Kontobewegungen müssen sie die Verdächtigen erkennen.
Doch erst gab es Probleme mit der Software bei der FIU, mit der Folge, dass sich Verdachtsmeldungen stapelten. Hinzu kamen Misstrauen und Ärger bei den Landeskriminalämtern der Polizei, die früher allein verantwortlich waren für den Kampf gegen schmutzige Millionen – und offensichtlich selbst überfordert. Als sich das neue System langsam eingespielt hatte, musste die FIU neue Rückschläge hinnehmen: Ende 2023 berichtet die ARD über eine Software der Künstlichen Intelligenz, die der FIU bei der Suche nach verdächtigen Transaktionen helfen sollte. Doch das Projekt wurde eingestampft, noch bevor es Täter jagen konnte – „der Spardruck“, schrieb die ARD. Die FIU will sich auf Nachfrage nicht zu dem Fall äußern.
Eine neue Bundesbehörde mit zusätzlichen Befugnissen, eigenen Mitarbeitern und neuer Software – all das steht für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nicht im Fokus. Die Zoll-Fachleute dort halten es für „klüger und effektiver, die Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe (GFG) von Zoll und BKA deutlich zu stärken“, so steht es in einem bisher internen Fachpapier des GdP, das unserer Redaktion vorliegt. Zöllner und Kripo-Ermittler gehen dort schon seit Jahren Straftaten gemeinsam nach. Sie arbeiten eng mit Staatsanwälten zusammen, die auf Finanzkriminalität spezialisiert sind.
Zentral für die Gewerkschaft der Polizei ist auch die bessere Ausbildung von Finanzermittlern. Kaum ein Bereich ist heute so schwer zu ermitteln wie Straftaten in der Finanzwelt. Oft müssen die Polizistinnen und Polizisten nicht nur – wie sonst oft – das Strafrecht kennen, sondern auch Wirtschaftsrecht und Steuervorschriften. Finanztransaktionen von Kriminellen sind oft verschleiert, über falsche Konten, mit Briefkastenfirmen oder Tarnunternehmen kaschiert. Die Hochschule des Bundes sollte ein „Aufbausemester auf das Studium“ anbieten. Kriminelle sind Profis im Finanzgeschäft – Ermittler müssen es auch sein.
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