Flugchaos

Fraport-Chef Schulte: „Am Frankfurter Flughafen wird es in diesem Jahr weiter rumpeln“

Stefan Schulte, Chef des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport, erklärt, warum Besserung für die Passagiere erst kommendes Jahr in Sicht ist.

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Rolf Obertreis
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Bei der Gepäckausgabe am Frankfurter Flughafen wird es laut Betreiber Fraport weiterhin zu Wartezeiten von bis zu zwei Stunden kommen. © Boris Roessler/dpa

Frankfurt. Passagiere am größten deutschen Flughafen müssen sich auch in den nächsten Wochen und Monaten auf Probleme einstellen. „Es wird in diesem Jahr weiter rumpeln“, sagte Stefan Schulte (kleines Bild), Vorstandschef des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport am Dienstagabend vor Journalisten. Dabei komme der Höhepunkt der Reisewelle Ende Juli mit dem Ferienbeginn in mehreren Bundesländern erst noch.

Zwar habe man mittlerweile fast 1000 neue Beschäftigte für die Bodendienste eingestellt. „Aber es fehlen schätzungsweise noch einige hundert, die Probleme werden nicht kleiner.“ Das gelte vor allem für die Gepäckabfertigung. „Es ist derzeit nicht das, was wir uns vorstellen. Ich kann mich nur entschuldigen.“ Wenigstens sei die Situation nicht ganz so schlimm wie an anderen großen Flughäfen in Europa, wo zum Teil ganz Terminals geschlossen werden mussten. „Wir haben das totale Chaos vermieden.“

Stefan Schulte. © picture alliance/dpa

Vor allem bei der Ausgabe von Koffern ankommender Passagiere werde es weiter zu Wartezeiten von bis zwei Stunden kommen können. „Das bleibt noch zwei bis drei Monate auf diesem Niveau.“ Zudem müsse Gepäck, das die Passagiere wegen der langen Wartezeit nicht mitnehmen würden, erst wieder aufwendig zugeordnet werden, um es ihnen nachliefern zu können. Das alles könne nicht den Beschäftigten angelastet werden. „Unsere Mannschaft ist hochmotiviert und selbst unzufrieden mit der Situation.“

Schulte räumt ein, dass man vielleicht zu spät gesehen habe, wie schnell es mit dem Luftverkehr wieder nach oben gehen würde. „Wir haben falsch gelegen, aber viele andere auch.“ Mittlerweile sei man wieder an manchen Tagen bei 80 bis 85 Prozent des Passagieraufkommens vom Sommer 2019. Im Vergleich zum Januar sei die Zahl der Fluggäste um 150 Prozent gestiegen. „Wir erwarten Tage mit Höchstwerten von bis zu 200 000 Passagieren und dabei extrem ausgeprägte Verkehrsspitzen an den Wochenenden und dies mit viel Reisegepäck von eher unerfahrenen Fluggästen, die wenig fliegen.“ 80 Prozent seien derzeit Privatreisende und Feriengäste, nur 20 Prozent Geschäftsleute und Vielflieger. Vor der Pandemie hatten letztere noch einen Anteil von mehr als einem Drittel.

Service-Personal in den Terminals wird aufgestockt

Schulte zufolge versucht Fraport zusammen mit Lufthansa alles, damit alle Abflüge möglichst pünktlich abgehen. Dazu werde das Service-Personal in den Terminals aufgestockt. Beim Gepäck lege man den Schwerpunkt auf das der abfliegenden und in Frankfurt umsteigenden Passagiere. Allerdings wird das, so der Flughafenchef, nur gelingen, wenn die Zahl der Starts und Landungen von mehr als 100 auf 94 pro Stunde reduziert wird. „Wir nehmen zusammen mit Lufthansa Flüge raus, um das System zu stabilisieren.“ Ob dies über die bereits von Lufthansa genannte Zahl von 3000 Flügen bis Ende Juli hinaus geht, ließ Schulte offen.

Der Manager betonte, wie schwer es sei, neue, weniger qualifizierte Beschäftigte etwa für das Be- und Entladen der Flugzeuge zu finden, obwohl man mittlerweile eine Antrittsprämie von 2000 Euro zahle und die Gehälter um 14 Prozent erhöht habe. Aber viele hätten in der Pandemie das Unternehmen verlassen, obwohl Fraport das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent aufgestockt und keine Abfindungen gezahlt habe. Viele seien offenbar in den Online-Handel gewechselt, weil es dort auch in der Pandemie Schichtzulagen gab, die am Flughafen wegen des praktisch ruhenden Betriebes gefehlt hätten.

Insgesamt hatte Fraport in der Pandemie rund 4000 Stellen abgebaut. Mit den mehrfach genannten Flughafen-Beschäftigten aus der Türkei rechnet Schulte erst in etwa zwei Monaten, unter anderem wegen der notwendigen Sicherheitsüberprüfungen, auch wenn Bund und Länder eine Beschleunigung der Verfahren zugesagt hätten. Generell aber sei der Arbeitsmarkt viel schwieriger als erwartet.

Insgesamt gebe bei allen Bodendienste am Flughafen Personalengpässe - beim Check-in, bei den Sicherheitskontrollen, bei der Ein- und Ausreise, bei der Flugzeugabfertigung und beim Gepäcktransport. Zudem fehlten auch den Fluggesellschaften Beschäftigte. „Alle sind am Limit“, so Schulte, der zusammen mit 150 Verwaltungsangestellten zeitweise auf dem Vorfeld mithilft.

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dpa/lhe
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Zugleich sei der Krankenstand gerade bei den Beschäftigten am Boden aufgrund der hohen Arbeitsbelastung und der wieder gestiegenen Corona-Zahlen höher als sonst. Schulte nennt eine Quote von 15 Prozent. „Das ist viel, aber es waren auch sonst nie weniger als zehn Prozent.“

Dem Fraport-Chef zufolge ist es sehr schwierig, einen personalintensiven Betrieb wie einen Flughafen nach einem praktisch kompletten Stillstand in der Pandemie wieder hochzufahren. Die Probleme dabei bekämen die Passagiere leider zu spüren, während sie vom Herunterfahren des Flugbetriebs nichts mitbekommen konnten. Schon im Sommer vergangenen Jahres seien die Flughäfen und die Airlines überrannt worden, bereits da habe es Probleme gegeben. In Frankfurt seien es deshalb bis Jahresende 550 Stellen geschaffen und besetzt worden. Gleichwohl habe man die Entwicklung unterschätzt, zu spät reagiert und nicht die Geschwindigkeit erreicht, die notwendig gewesen wäre. „2022 bleibt schwierig. 2023 wird besser“, verspricht Schulte.

Korrespondent Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich für den Mannheimer Morgen und für andere wichtige Regionalzeitungen wie den Tagesspiegel/Berlin, die Badische Zeitung/Freiburg, die Südwest Presse/Ulm und den Münchener Merkur als Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt. Banken, Europäische Zentralbank, Bundesbank, Börse und in Frankfurt ansässige Unternehmen wie Lufthansa und auch Verbände wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA zählen zu meinen Schwerpunkten. Daneben auch die Luftfahrt. Zudem befasse ich mich über die KfW Bankengruppe und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit Fragen der Entwicklungszusammenarbeit.

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