Wohnraum

EU sagt Airbnb den Kampf an

Kurzzeitvermietungen boomen, doch das verschärft die Wohnungskrise in Europa. Kommissionschefin Ursula von der Leyen verspricht Abhilfe. Aber wie?

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Tobias Kisling
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Touristen gehen mit ihrem Gepäck durch die Stadt. Die Stadt Barcelona will bis Ende 2028 Ferienwohnungen abschaffen. © picture alliance/dpa/EUROPA PRESS

Brüssel/Berlin. Die Präsidentin wurde grundsätzlich – und sagte schließlich etwas, auf das viele Bürger und Volksvertreter in Touristen-Hochburgen wie Berlin, Paris, Barcelona oder Amsterdam seit Langem gewartet haben dürften. „Ein Haus, das ist mehr als einfach nur vier Wände und ein Dach. Es bedeutet Sicherheit, Wärme, ein Ort für Familie und Freunde. Es bedeutet Geborgenheit.“ Viel zu viele Menschen in Europa aber könnten sich das Wohnen nicht mehr leisten – sei es als Mieter oder als Eigentümer.

Die Wohnungskrise sei eine soziale Krise, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) Anfang September im EU-Parlament. Ihre Behörde werde deshalb einen Plan für erschwinglichen Wohnraum vorlegen. Es gehe darum, den Wohnungsbau in ganz Europa anzukurbeln. „Und wir werden auch eine Rechtsetzungsinitiative für kurzfristige Vermietungen vorschlagen, um die übrigen Probleme anzugehen.“

Im Urlaub statt ins Hotel lieber in eine Ferienwohnung

Ein Gesetzesinitiative zur Eindämmung von Kurzzeitvermietungen: Das ist nichts anderes als eine Kampfansage an weltweit operierende Internetplattformen wie Airbnb, Booking oder Expedia und die dort vertretenen Vermieter.

Die Plattformen haben das Reisen revolutioniert. Aber ihr Erfolg ist zu einem riesigen Problem für viele Metropolen und Ferienregionen geworden. Etliche Touristen oder Geschäftsleute buchen heute lieber private Unterkünfte als Hotelzimmer. So sind sie näher dran am normalen Leben, zudem ist das oft auch günstiger. Die Vermieter, die oft selbst nur Mieter sind, können sich Geld dazuverdienen, indem sie einzelne Räume oder die ganze Wohnung befristet Fremden überlassen. Die Buchungsplattformen kassieren eine Provision.

Das Geschäft boomt: Laut EU-Statistikbehörde Eurostat wurden im vergangenen Jahr über die drei genannten Plattformen europaweit 854 Millionen Übernachtungen gebucht – ein Plus von fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch in diesem Jahr geht der Trend steil nach oben.

Die Kehrseite: Ganze Stadtviertel verändern ihren Charakter, weil es dort immer mehr Ferienwohnungen gibt und das Angebot an Waren und Dienstleistungen zunehmend auf Touristen ausgerichtet wird. Oft geht der Ansturm mit Lärm und Müll einher. Vor allem aber werden dem regulären Mietmarkt im großen Stil Wohnungen entzogen, weil es lukrativer ist, sie temporär an Touristen statt auf Dauer an Einheimische zu vermieten.

Bei Touristen beliebt: In Paris sollen mehr als 90.000 Ferienunterkünfte gelistet sein. © picture alliance/dpa/AFP

Der Erfolg von Airbnb & Co., da sind sich viele Fachleute einig, verschärft in Touristen-Hotspots den ohnehin herrschenden Wohnungsmangel. In Paris sollen mehr als 90.000 Ferienunterkünfte gelistet sein, in Rom mehr als 35.000. Längst nicht alle Angebote sind legal. Sehr häufig umgehen die Vermieter Auflagen der örtlichen Behörden zur Registrierung und Genehmigung. Damit laufen auch lokale Vermietungsobergrenzen – etwa 90 oder 120 Tage pro Jahr – ins Leere.

Die Regierung in Spanien ordnete im Frühjahr an, fast 66.000 illegale Airbnb-Wohnungen vom Markt zu nehmen, Barcelona will sogar ab 2028 die Vermietung von Ferienwohnungen ganz verbieten. In der deutschen Hauptstadt Berlin soll es 40.000 illegale Ferienwohnungen geben. „Dabei stiegen sowohl die Anzahl der Angebote für ganze Wohnungen als auch für einzelne Zimmer deutlich an“, sagte die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, Melanie Weber-Moritz, dieser Redaktion mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre. Es brauche „dringend“ eine stärkere Regulierung. Der Eigentümerverband Haus & Grund fordert eine Neubauoffensive – und eine „Lex Airbnb“. Verbandspräsident Kai Warnecke sagte: „Die EU kann das Problem an der Wurzel packen, wenn sie die kurzzeitige Untervermietung untersagt.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Wird die EU Airbnb, Booking, Expedia und Co. schärfer regulieren? © Philipp von Ditfurth/dpa

Nun will sich also Brüssel des Themas annehmen. Der Druck auf von der Leyen und ihre Kommission ist gewaltig. Neben Verbänden fordern Städte und Regierungen seit geraumer Zeit schärfere Regeln. Im EU-Parlament gibt es in dieser Legislaturperiode einen eigenen Ausschuss, der sich mit der Wohnungskrise befasst. Die deutsche Europa-Abgeordnete Gabriele Bischoff (SPD) sagte dieser Redaktion: „Mit einer stärkeren Regulierung von Kurzzeitvermietungen allein werden wir den Mangel an Wohnraum nicht beseitigen können. Aber wir können ihn relativ schnell mindern.“

Airbnb selbst teilte auf Anfrage mit: „Wir möchten auch nicht, dass Airbnb der Grund dafür wird, dass Wohnen in den Gemeinden, in denen Gastgeber leben, weniger bezahlbar wird.“ Deshalb setze man sich für eine faire Regulierung ein. In Berlin etwa müssten alle Inserate eine Registrierungsnummer anzeigen, ohne die man nicht vermieten könne.

Was genau von der Leyen und ihre Leute vorschlagen werden, ist noch unklar. Der zuständige Kommissar Dan Jørgensen sagte kürzlich, er werde „in den kommenden Monaten“ den angekündigten Plan für bezahlbares Wohnen präsentieren. In Bezug auf die stärkere Regulierung von Kurzzeitvermietungen war der Däne schmallippig: Dies sei eine „komplexe Angelegenheit“ –und er wolle sie „entschlossen, aber gerecht“ angehen.

In der Tat ist die Sache komplex, die Gesetzgebungskompetenz der EU beschränkt. Wenn es um Wohnungsbau und Mietrecht geht, sind die Mitgliedstaaten zuständig. Wenn es aber um das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes geht, ist die EU zuständig. Wohnungsmärkte sind per Definition lokal oder regional. Die Vermittlungsplattformen arbeiten aber grenzüberschreitend.

Das könnte dem europäischen Gesetzgeber Raum eröffnen, um einen Rahmen für Kurzzeitvermietungen zu schaffen. Die Städte könnten auf diese Weise mehr Handlungsspielraum und Rechtssicherheit bekommen, wenn sie etwa die Vermietung von Wohnraum als Ferienunterkünfte zeitlich oder räumlich beschränken oder gar ganz untersagen wollen. Bislang werden Konflikte hier häufig vor Gericht ausgetragen.

Für Vermieter ist es einfach, falsche Angaben zu machen

Bei der Gelegenheit ließen sich auch Konstruktionsfehler einer EU-Vorschrift beheben, die ab dem kommenden Frühjahr überall greifen soll. Hierbei geht es um den Datenaustausch zwischen Vermittlungsplattformen und Behörden. Dies soll Städten und Regionen ermöglichen, sich ein genaues Bild über das lokale Ausmaß von Kurzzeitvermietungen zu machen. Die Städte beklagen aber, dass es für Vermieter zu einfach sei, falsche Angaben zu machen und sich so jeder örtlichen Regulierung zu entziehen.

Wenn von der Leyens EU-Kommission ihren Vorschlag vorgelegt haben wird, sind das Europaparlament und die Mitgliedstaaten am Zug. Im Parlament will der Sonderausschuss zur Wohnungskrise an diesem Donnerstag tagen und diskutieren, wie der Druck auf die Miet- und Immobilienmärkte gemindert werden kann. Auf dem Tisch liegt ein Berichtsentwurf, den der federführende Abgeordnete Borja Giménez Larraz verfasst hat. Er gehört der konservativen EVP-Fraktion an – also derselben Parteienfamilie wie die deutsche Kommissionspräsidentin.

Der Text des Spaniers lässt ahnen, dass die führende Kraft in der EU-Volksvertretung wenig hält von einer schärferen Regulierung von Kurzzeitvermietungen: Die Kommission möge doch bitte „daten- und evidenzbasiert“ darlegen, welche Auswirkungen diese überhaupt haben. Und wenn es zu einer Regulierung komme, dann müssten die Belange von Hausbesitzern ebenso berücksichtigt werden wie das Ziel eines nachhaltigen Tourismus und die Verfügbarkeit von Wohnraum in historischen Stadtzentren.

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