Frankfurt. Die letzten Novembertage gehören am Finanzplatz Frankfurt traditionell den Konjunkturausblicken. Die Chefvolkswirte der großen Banken und Vermögensverwalter lassen Anleger und Beobachter ein wenig in die Karten schauen.
In diesem Jahr sind die die Volkswirte und Kapitalmarktexperten in Sorge. Der Seegang für die Weltwirtschaft werde rauer, warnen sie. Noch ist der negative Sog an den Börsen nicht angekommen. Vor allem für Aktien war 2024 ein gutes Jahr. Die international agierenden Unternehmen präsentierten teils satte Gewinne, auch für 2025 sind die Analysten grundsätzlich optimistisch.
Inflation dürfte die Verbraucher weniger beschäftigen
Doch wird das Umfeld schwieriger, die Risiken steigen, die Ausschläge werden größer, Amerika droht die europäischen Märkte abzuhängen. Vor allem Deutschland, wo die Infrastruktur erodiert und Unternehmen über exorbitante Energiepreise, Überregulierung und eine im internationalen Vergleich hohe Steuerbelastung klagen. Zusätzlich drohen Zölle vom wichtigen Handelspartner USA, die Nachfrage aus China stockt.
Neue Zölle in den USA könnten auch das Geschäft für die deutsche Automobilindustrie auf ihrem wichtigsten Auslandsmarkt erschweren. Die Schlüsselbranche der heimischen Industrie mit 770 000 Beschäftigten ist wegen einer schwachen Nachfrage, der Flaute bei E-Autos und neuer Konkurrenz in China bereits in die Krise gestürzt. Und 2025 dürfte kaum besser werden: Wegen der verschärften CO2-Flottenziele der EU drohen Herstellern hohe Strafzahlungen, sollte der E-Auto-Absatz nicht sprunghaft steigen.
Zwar werde der nachlassende geldpolitische Schmerz ab dem Frühjahr auch hierzulande für eine gewisse wirtschaftliche Aufwärtsbewegung sorgen, erwartet der Chefökonom der Commerzbank, Jörg Krämer. Doch drohen vor der deutschen Problem-Kulisse die positiven Effekte sinkender Zinsen weitgehend zu verpuffen.
Höchstens minimales Wachstum erwartet
Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen stehen die Zeichen auch 2025 auf Stagnation, warnen die Ökonomen. Für erwartbar halten sie allenfalls ein minimales Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts - schlechter als im europäischen Durchschnitt.
Weniger beschäftigen werde das Land dagegen die Inflation. Die Deutsche Bank erwartet sowohl für Deutschland als auch für den gesamten Euroraum eine Preissteigerung nahe dem von der EZB definierten Inflationsziel von zwei Prozent. Das engt allerdings auch die Spielräume der Europäischen Zentralbank (EZB) ein: „Solange die Inflationsraten nicht wieder in den Rückwärtsgang gehen, sind in den kommenden Monaten allenfalls vorsichtige Zinssenkungen machbar“, formuliert etwa Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank.
Seit Mitte 2024 sinken die Leitzinsen in Europa und in den USA. An den Märkten werden weitere deutliche Schritte erwartet. Allerdings dürfte die Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks auseinanderlaufen: Im Euroraum habe die EZB mehr Spielraum als die Fed in den USA, wo die Trump-Administration erklärtermaßen mit höheren Zöllen plant, erklärt Christoph Kutt von der DZ Bank. Werden diese Zölle mit Gegenzöllen beantwortet, steigen letztlich die Verbraucherpreise.
Für Europa seien die Zollerhöhungen zwar wachstumsschädlich, allerdings sei das Ausmaß überschaubar, urteilt etwa die DekaBank, zumal die US-Regierung voraussichtlich selektiv und zeitversetzt für einzelne Branchen vorgehen werde. Vielmehr dürften die USA nach Einschätzung der Konjunkturexperten in der ersten Jahreshälfte 2025 weiter stark wachsen und die Lokomotive der Weltwirtschaft bleiben.
Vor allem für Aktien bleibt das Umfeld offenbar attraktiv. „Die Weltwirtschaft wächst moderat, die Leitzinsen sinken graduell und die Unternehmensgewinne dürften weiter moderat steigen. Dieser Mix ist gut für Aktien“, sagt der beim Fondsanbieter Union Investment für das Portfoliomanagement zuständige Vorstand Frank Engels.
Auch Aktien europäischer Unternehmen bieten Chancen
Die Gewinnerwartungen der Großunternehmen sind trotz durchwachsener Konjunkturaussichten ordentlich, auch wenn hohe Bewertungen von US-Unternehmen den Kauf teuer machen. US-Analysten rechnen überdies mit einer Verbreiterung der Gewinnzuwächse auf mehr Sektoren und Unternehmen. Die Börse werde nicht mehr nur von den als „Glorreichen Sieben“ bezeichneten größten Tech-Aktien getragen. Deren Gewicht nahm zuletzt etwas ab, weil Anleger die Gewinnentwicklung etwas realistischer betrachten.
Chancen bieten sich nach Ansicht der Marktexperten allerdings auch europäischen Unternehmen - trotz oder womöglich sogar wegen der angekündigten Zollschranken. Immerhin erwirtschaften auch Dax-Konzerne bis zu einem Drittel ihrer Umsätze in den USA. Darüber hinaus könnten europäische Unternehmen die Nutznießer sein, wenn sich chinesische Produkte verteuern.
Die Prognosen sehen den deutschen Leitindex Dax bis zum Jahresende 2025 bei einem Stand von 20 500 bis 21 500 Punkten. Eine robuste Gewinnentwicklung und Impulse durch die Künstliche Intelligenz dürften am Aktienmarkt für Impulse sorgen. (mit dpa)
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