Mannheim. Die Anspannung ist Christopher Dörner anzumerken. „Etwas nervös bin ich jetzt schon, es sind ja auch viele Menschen da“, gibt der Jungunternehmer zu. Eine Stunde später ist es dann soweit: Dörner betritt die Bühne, im Saal kehrt Ruhe ein und auf der Leinwand erscheint die Präsentation. Der 31-Jährige blickt zur dreiköpfigen Jury, die mit einem verhaltenen Kopfnicken signalisiert, dass es jetzt losgehen kann.
Christopher Dörner präsentiert eins von insgesamt zehn Start-ups aus den Bereichen digitale Chemie und digitale Gesundheit, die am „5-HT X-Linker Bootcamp“ teilnahmen: 6C Solutions, ChemIntelligence, iLoF, Iris.Ai, Kemialytics, Molecule.one, MyOr, Mytigate, peptone und Sooqua. Die Gründer aus Europa, USA und Israel waren für vier Tage in Mannheim, um mit potenziellen Geldgebern und Kooperationspartnern ins Gespräch zu kommen und der eigenen Geschäftsidee zum Durchbruch zu verhelfen. „Wir verstehen uns als Plattform, die Akteure zusammenführt, um digitale Lösungen weiter voranzubringen. Dabei vernetzen wir Großkonzerne, Mittelständler und weitere Investoren mit vielversprechenden Start-ups“, erklärt Stefan Kohl, der als Geschäftsführer der in Ludwigshafen ansässigen Digital Hub Gmbh die Veranstaltung bereits zum zweiten Mal organisierte. Frank Funke ergänzt als weiterer Geschäftsführer: „In diesem Jahr sind rund 150 Gäste am Finaltag da – doppelt so viele wie bei der Premiere 2019.“
Professionelles Präsentieren lernen
Die zehn Teilnehmer, die aus einem wesentlich größeren Bewerberfeld ausgesucht wurden, kamen am Montag in Mannheim an. In den folgenden Tagen stand ein sogenanntes Pitch-Training auf dem Programm – Übungen, bei denen die Frauen und Männer professionelles Präsentieren vor Investoren lernten. „Eine überzeugende Präsentation der eigenen Leistungen ist wichtig für die weitere Geschäftsentwicklung der Start-ups“, so Kohl. Als Experten lud der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Digital Hub Vertreter regionaler Branchengrößen wie des Ludwigshafener Chemiekonzerns BASF, des Walldorfer Software-Unternehmens SAP oder des Mannheimer Maschinenbauers Pepperl+Fuchs ein. Das Ziel der Vorbereitung: Am Finaltag einen guten Eindruck zu hinterlassen, um das Interesse der Geldgeber und Unternehmen zu wecken.
„Die Veranstaltung ist extrem relevant für die chemische Spezialindustrie. Alle größeren Firmen kommen her“, sagt Ralf Kügler. „Ich würde sogar sagen, dass ,X-Linker’ die relevanteste Veranstaltung für die Branche in Europa ist.“ Der Vertreter des Darmstädter Chemie- und Pharmaunternehmens Merck sieht die Präsentation im Mannheimer „Bootshaus“ als einen Ort an, an dem „brandheiße Themen“ in den Vordergrund gerückt werden. „Sieben oder acht Start-ups haben Ideen vorgestellt, die sehr relevant für mein Unternehmen sein könnten.“ Diese Ideen will Kügler vor den Fachleuten in seiner Firma ansprechen und anschließend wieder die Gründer kontaktieren. „Für die Start-ups und Merck könnten das zu einer Win-Win-Situation werden.“
Was eine gute Präsentation ausmacht und welche Fehler vermieden werden sollten, weiß Kim Höffken. Der Investment-Manager saß zusammen mit Klaus Drews, Innovationsfachmann beim SAP.iO-Fond, und Maria Asano, Managerin beim Unternehmen High-Tech Gründerfonds, in der Jury, die die Bühnen-Präsentation der zehn Start-ups bewertete. „Eine Vorstellung ist dann gut, wenn sie komplett ist und uns klarmacht, wie mit der Idee Geld verdient werden kann und wer die Kunden sind“, fasst Höffken zusammen. Auch für die Unternehmensvertreter sei der Besuch im „Bootshaus“ sinnvoll: „Hier findet ein erstes Kennenlernen statt, und am Ende könnte daraus eine echte Erfolgsgeschichte entstehen.“
Vom großen Erfolg träumte auch Christopher Dörner. Zusammen mit Valerie Fehst und Tri-Duc Nghiem gründete er 2019 in Darmstadt Sooqua. „Wir haben eine Möglichkeit entwickelt, mit der der Status von Rohrnetzwerken von Wasserunternehmen in Echtzeit angezeigt und eine Vorhersage von Rohrbrüchen gemacht werden kann“, so der Wirtschaftsingenieur. Durch die auf Algorithmen basierende Auswertung von Sensordaten der Wassernetze können Rohrisse lokalisiert und deren Entwicklung zeitlich genau prognostiziert werden. „Reparaturen sollen dadurch frühzeitig planbar sein und Brüche verhindert werden“, erklärt Dörner und fügt hinzu: „Damit wollen wir unseren Teil zu einem nachhaltigeren Umgang mit der knappen Ressource Wasser beitragen.“
Anita Scholl Brede kam aus der norwegischen Hauptstadt Oslo nach Mannheim und hatte eine Idee im Gepäck, die sie bereits vor einigen Jahren entwickelt hatte: Mit ihrer Firma Iris.Ai hatte sie eine Software konzipiert, durch die riesige Datenmengen aus der medizinischen Forschung Wissenschaftlern übersichtlicher zur Verfügung stehen. Bei der Jury kam die Vorstellung der Norwegerin gut an. Die Präsentation hätte alle Fragen beantwortet, lautet das Urteil der Jury, das ihre Innovation auf den zweiten Platz wählt: Gemeinsam mit ihrem Team darf sie die Technologiekonferenz „Web Summit“ in Portugal besuchen.
„Erster Platz hat enorme Strahlkraft“
Fragen nach Abnehmern seiner Produktidee und möglichen Konkurrenten musste sich Dörner von der Jury gefallen lassen. Als bei der Preisverleihung sein Name als letzter fiel, konnte es der 31-Jährige zunächst kaum glauben. Seine Präsentation hatte überzeugt und wurde auf den ersten Platz gewählt. Mit seinen zwei Kollegen darf er zur „Viva Technology“ nach Paris, ebenfalls eine Technologiekonferenz mit etwa 100 000 Besuchern jährlich. „Das kam überraschend, damit hab ich nicht gerechnet“, freut sich Dörner, der „maximal mit dem dritten Platz spekuliert“ hat. Allein die Teilnahme an der Veranstaltung sei für sein Unternehmen ein großer Vorteil gewesen: „Hier konnte ich Netzwerke knüpfen und mögliche Kunden treffen. Das allein ist viel Wert, aber der erste Platz hat natürlich eine enorme Strahlkraft.“ Momentan wird Sooqua noch vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert, nun könnte eine Anschlussfinanzierung folgen. „Auch mehrere zahlende Kunden wären super. Allerdings suchen wir auch Fachkräfte. Wir brauchen nämlich dringend Verstärkung im IT-Bereich und einen Elektrotechniker für die Hardware“, erklärte Dörner.
Schärfung des Start-up-Profils
- Das „5-HT X-Linker Bootcamp“, initiiert von Digital Hub Mannheim/Ludwigshafen, findet zum zweiten Mal statt und richtet sich an Start-ups mit digitalen Lösungen für die Chemie- und Gesundheitsbranche. Der Hub ist Teil der vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten „de:hub“-Initiative zur Förderung digitaler Innovation in Deutschland.
- In vier Tagen werden die Start-ups von Mentoren trainiert. Sie lernen unter anderem, sich zu präsentieren und ihr Geschäftsmodell zu schärfen. Am Finaltag „pitchen“ die Jungunternehmer dann ihre Geschäftsidee in kürzester Zeit vor Investoren.
- Unterstützt wird das Programm durch die Unternehmen BASF, SAP und Pepperl+Fuchs. mica
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-daraus-koennte-eine-echte-erfolgsgeschichte-werden-_arid,1598802.html