Berlin/New York City. Aus seinem Büro im New Yorker Empire State Building schaltet sich Booking-Vorstandschef Glenn Fogel in den Videocall mit dieser Redaktion. Im Interview verrät Vogel dann, was er von der bevorstehenden Sammelklage zahlreicher europäische Hotels hält – und was er den USA mit Blick auf die dort sinkenden Touristenzahlen empfiehlt.
Herr Fogel, Buchungen legten zuletzt zu, der Gewinn von Booking auch. Warum lassen sich die Menschen angesichts von Krisen und Katastrophen auf der Welt nicht vom Reisen abhalten?
Glenn Fogel: Kaum auszudenken, wie die Zahlen wären, wenn es all diese Probleme nicht geben würde. Aber richtig, es sind Zahlen, die keinen Zweifel lassen, dass Menschen Lust haben zu verreisen. Ich denke, dass eine Reise etwas ist, das in der menschlichen DNA liegt. Menschen wollen gewissermaßen wissen, was da ist hinter dem nächsten großen Hügel. Das war schon immer so und das wird auch immer so sein.
Sie sind US-Bürger. Sind die USA gerade ein Land, in dem Touristen willkommen sind?
Fogel: Die Zahl der Touristen, die derzeit in die USA reist, ist ziemlich eingebrochen. Für uns ist das kein Problem, denn wir sind global aufgestellt. Dann reisen die Europäer eben vielleicht nach Thailand, anstatt in die USA. Aber für die Amerikaner, die vom Tourismus leben, ist es hart. Man könnte insgesamt sicherlich einen freundlicheren Eindruck vermitteln.
Die Deutschen sind vor allem vom Agieren des US-Präsidenten abgeschreckt. Hat der US-Tourismus ein Trump-Problem?
Fogel: Es gibt sicherlich viele Gründe dafür, warum einige Touristen derzeit lieber nicht in die USA reisen. Vielleicht liegt das an den Nachrichten, die man so liest. Vielleicht liegt es auch am Einwanderungsprozess bei der Einreise und den Problemen, die es dabei manchmal gibt. Das könnte Menschen abhalten. Die US-Tourismusbranche wird darüber besorgt sein, vor allem vor dem Hintergrund der großen Sportereignisse, die anstehen – die Fußballmeisterschaft der Männer und die Olympischen Spiele. Fakt ist: Wenn die US-Regierung jetzt nicht bald etwas unternimmt, um das eigene Land als Reiseziel zu bewerben, fällt man zurück. Dann geben die Menschen ihr Geld eben woanders aus.
Wären Sie mit Blick auf diese Ereignisse dafür, Hürden für die Einreise in die USA zu senken?
Fogel: Man sollte sich darum bemühen, dass man weniger Ärger bei der Einreise hat. Gleichzeitig gibt es natürlich ein Sicherheitsbedürfnis seitens der USA, das ich respektiere. Tatsächlich kann man ja auch in anderen Ländern Schwierigkeiten bei der Einreise haben. Letzten Sommer war ich in Brüssel. Da habe ich vier Stunden in der Warteschlange verbracht, bis ich durch war. Das war schrecklich.
In Deutschland hat Booking.com einen Marktanteil von etwa 72 Prozent bei Hotelbuchungen …
Fogel: Das ist nicht korrekt. Das ist in etwa der Anteil, den Booking unter den Onlinereiseplattformen hat. Tatsächlich geht aus der Studie des europäischen Hotelverbands Hotrec, aus der diese Zahl stammt, hervor, dass die Mehrheit der Hotelbuchungen Direktbuchungen sind. Rechnet man die eigenen Internetseiten der Hotels mit ein, kommen wir als Booking vielleicht auf einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz beim Marktanteil. Das ist dann schon ein deutlicher Unterschied zu den von Ihnen genannten 72 Prozent, finden Sie nicht?
Absolut. Worauf achten die Deutschen bei Hotelbuchungen besonders?
Fogel: Die Deutschen unterscheiden sich da nicht groß von anderen Nationalitäten. Sie wollen etwas bekommen für ihr Geld. Der Preis ist also ein wichtiges Kriterium. Gleichzeitig wollen sie darauf vertrauen können, dass die Angebote, die sie bei uns finden, auch so sind, wie wir sie beschreiben. Und, falls etwas passiert, wollen die Deutschen die Sicherheit, dass wir uns kümmern. All das bieten wir an, damit die Menschen immer wieder zu uns kommen.
Relativ jung ist das Booking-Geschäft mit Erlebnissen und Attraktionen. Warum ist Ihnen dieses Segment wichtig?
Fogel: Wenn die Menschen in den Urlaub fahren, bleiben sie ja nicht auf ihren Hotelzimmern, sondern wollen etwas erleben. Wer zum Beispiel nach Amsterdam reist, hat vielleicht das Bedürfnis, an einem Tag das bekannte Rijksmuseum zu besuchen und an einem anderen Tag eine Kanalfahrt zu machen. Bei uns gibt es das aus einer Hand. Perspektivisch kann ich mir vorstellen, dass wir dem Reisenden helfen, so etwas noch besser zu planen, etwa mit Blick auf das Wetter. Das heißt: Museumstag, wenn es regnet und der Bootsausflug bei besserem Wetter. Dafür wollen wir unsere KI-Fähigkeiten und all unser gesammeltes Datenwissen nutzen, um unseren Service noch besser zu machen.
Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz schon jetzt bei Hotelbuchungen?
Fogel: Unser KI-Reiseplaner wird immer stärker genutzt. Früher musste man Kreuzchen machen, bei den Dingen, die einem wichtig waren, um die Suche zu filtern: Fitnessraum, Drei-Sterne-Hotel und so weiter. Heute führt man gewissermaßen eine Unterhaltung mit unserem KI-Tool – und wir machen dann genau die Vorschläge, die sich der Kunde für seinen Urlaub vorstellt.
Reisen und Urlaube sind in den letzten Jahren deutlich teurer geworden. Wird der Urlaub zum Luxusgut?
Fogel: Das regelt der Markt. Sind die Preise zu teuer, suchen sich die Menschen eine Alternative. Es gibt ja so viele Varianten mit Blick auf das Verreisen. Als ich anfing zu reisen, übernachtete ich für wenige Dollar pro Nacht. Ich schlief in Hostels, ich kaufte mir Brot und Käse. Denn ich wollte als junger Mensch die Welt kennenlernen. Luxus war mir nicht wichtig und ich sehe auch nicht, dass Reisen ein Luxusgut wird.
Europas Hotellerie geht gegen Booking.com vor Gericht und fordert Schadenersatz für die jahrelang erzwungenen Preisbindungen. Wie blicken Sie auf diese Sammelklage?
Fogel: Noch gibt es keine Klage. Man redet darüber, das zu tun. Und gerade sucht man noch nach Hotels, die sich daran beteiligen. Ich sehe keinen Grund dafür, gegen Booking vorzugehen. Aus welchem Anlass denn? Es gab und gibt doch keinen Zwang, ein Hotelzimmer über unsere Plattform anzubieten.
Aber über Booking erreichen die Hotels viele mögliche Gäste.
Fogel: Wir geben viel Geld aus, damit die Reisenden zu unseren Partnern kommen. Und das Einzige, was wir in der Vergangenheit verlangt hatten, war, dass Menschen, die über unsere Plattform gebucht haben, dann auch denselben Preis bekamen, den das Hotel auf der eigenen Internetseite anbot. Das sind die Paritätsklauseln, die wir früher im Europäischen Wirtschaftsraum hatten. Wäre das nicht so gewesen, hätten wir all unsere Arbeit umsonst gemacht – und die Menschen eventuell eben nicht über uns gebucht. Und wenn ein Hotel nicht mit unseren Bedingungen einverstanden ist, muss es ja nicht bei Booking gelistet sein.
Und die Provision, die Booking nimmt, ist angebracht?
Fogel: Die Provision ist marktüblich. Würden wir viel mehr nehmen, als Wettbewerber und weniger bieten, blieben die Hotels eben weg. Ich finde, unser Produkt ist sehr wertvoll und hat somit eben auch seinen Preis. Sehen Sie, wir besorgen einem Hotel in München zum Beispiel Übernachtungsgäste aus Japan. Wir schalten dafür Anzeigen auf Japanisch, machen den Kundenservice auf Japanisch und akzeptieren japanische Zahlungsmittel. Wir machen all das für die Hotels. Und wenn wir dann von 100 Euro Übernachtungspreis 15 Euro abbekommen, ist das eine faire Angelegenheit für das, was wir leisten.
Früherer Investmentbanker
- Glenn Fogel (63) steht seit 2019 als Vorstandschef an der Spitze der US-amerikanischen Booking Holdings Inc., die Eigentümerin des Buchungsportals Booking.com ist.
- Fogel arbeitete zunächst als Investmentbanker , unter anderem für die US-Großbank Morgan Stanley .
- 2000 wechselte er zur Priceline-Group, einem Vorgängerunternehmen des heutigen Booking-Konzerns. ba
Mögen Sie selbst Hotels?
Fogel: Ich übernachte überall. Hotels, Villen, in Zelten, ich habe noch nie in einem Iglu übernachtet, auch noch nicht in einem Baumhaus. Aber eigentlich schlafe ich überall.
Verraten Sie an der Rezeption dann, dass Sie der Booking-Chef sind?
Fogel: Niemals. Unsere privaten Buchungen übernimmt auch stets meine Frau, die einen anderen Nachnahmen als ich trägt. Ich will da wirklich das echte Übernachtungserlebnis. Am Abreisetag unterhalte ich mich aber ganz gerne mal mit dem Hotel-Geschäftsführer. Aber eher, um der Person zu danken und um zu erfahren, wie die Hotels die Beziehung mit Booking bewerten und wie wir besser werden können.
Berichten zufolge haben Sie im vergangenen Jahr rund 126 Millionen US-Dollar verdient. Was motiviert Sie, weiterzuarbeiten?
Fogel: Das ist nicht ganz korrekt. Darin enthalten sind auch Aktienpakete aus den Vorjahren. Das ist gar nicht leicht zu verstehen, wie über meine Einkünfte berichtet wird. Ich verdiene viel Geld und dafür bin ich dankbar. Das ist nicht zu leugnen. Und ich bin sehr glücklich, dass ich das tun darf, was ich tue. Jeder soll die Welt sehen können. Wer andere Kulturen besser versteht, wird selbst ein besserer Mensch. Dabei will ich helfen und damit bin ich noch lange nicht fertig.
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