Mannheim. Wenn am 1. Juli die gesetzlichen Renten erhöht werden, nimmt die Kaufkraft der Senioren trotz der Inflation von derzeit 2,3 Prozent etwas zu. Denn die Renten steigen um 3,74 Prozent, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gerade bekanntgegeben. Was er nicht erwähnte: Netto bleibt bei den meisten Rentnern weniger übrig. Denn sie treffen wie die Arbeitnehmer steigende Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung, und das ausgerechnet im Juli besonders stark. In den nächsten Monaten gibt es einiges Auf und Ab, insbesondere bei der Pflegeversicherung. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie funktioniert die Pflegeversicherung der Rentner?
Im Prinzip wie bei Arbeitnehmern: Wer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, wird dies automatisch auch bei ihrer Pflegeversicherung. Die Rentenversicherung zieht den Beitrag von der Rente ab und leitet ihn an die Pflegekasse weiter. Es gibt aber einen großen Unterschied: Bei der Pflegeversicherung übernimmt die Rentenversicherung nicht wie bei der Krankenversicherung die Hälfte des Beitrags. Die Rentner müssen ihn voll selbst tragen. Bei der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung 1995 hieß es zur Begründung, Rentner kämen sofort in den Genuss der Leistungen. Sie hätten aber während des Berufslebens keine Beiträge gezahlt. Seither wurde dies nicht geändert.
Wirken sich auch bei Rentnern Kinder auf den Pflegebeitrag aus?
Ja. Der allgemeine Beitragssatz zur Pflegeversicherung wurde am 1. Januar 2025 um 0,2 Prozentpunkte auf 3,6 Prozent erhöht. Kinderlose zahlen einen Zuschlag von 0,6 Prozentpunkten, also jetzt insgesamt 4,2 Prozent. Das gilt auch für Rentnerinnen und Rentner, allerdings nur, wenn sie nach 1939 geboren wurden. Von kinderlosen Rentnern, die früher geboren wurden, wird der Zuschlag nicht erhoben. Im Rentenantrag wird abgefragt, ob es Kinder gibt, allerdings nicht wie viele.
Überweisung mal im Nachhinein, mal im Voraus
- Ältere Rentner spüren die Rentenerhöhung schon Ende Juni auf ihrem Konto , jüngere erst Ende Juli. Gleichzeitig wirken sich höhere Krankenkassen- und Pflegebeiträge bei Älteren auch früher aus.
- Der Grund: Renten , die nach dem 31. März 2004 begonnen haben, werden im Nachhinein gezahlt , sprich am letzten Bankarbeitstag des Monats. Nur wer schon früher in Rente gegangen ist, bekommt sie im Voraus überwiesen, also am letzten Bankarbeitstag des Vormonats.
- Diese Änderung war ein Trick der damaligen Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD), um Löcher in der Rentenkasse zu stopfen . Diese Zeitverzögerung spüren jüngere Rentner sowohl bei einer möglichen Erhöhung des Krankenkassenbeitrags im März als auch bei der Nachzahlung für den Pflegebeitrag im Juli. dik
Ab wann müssen Rentner den erhöhten Pflegebeitrag tragen?
Abgezogen bekommen sie ihn von der Rente ab 1. Juli 2025. Im Juli kommt als Nachzahlung die Erhöhung im ersten Halbjahr hinzu, also sechsmal 0,2 Prozent. Von der Rentenerhöhung bleibt daher im Juli netto weniger übrig als ab August. Informiert werden die Senioren hierüber schriftlich im Rahmen der Mitteilung über die Rentenerhöhung, die sie voraussichtlich im Juni oder Juli bekommen.
Seit Juli 2023 wird die Zahl der Kinder beim Pflegebeitrag stärker berücksichtigt, weil dies das Bundesverfassungsgericht verlangt hatte. Profitieren davon auch die Rentner?
Im Prinzip ja: Ab zwei Kindern wurde der Beitragssatz um 0,25 Prozentpunkte reduziert, ab drei Kindern um 0,5 Prozentpunkte, ab vier Kindern um 0,75 Prozentpunkte und ab fünf Kindern um 1 Prozentpunkt. Das gilt allerdings nur für Kinder bis zum 25. Lebensjahr, und zwar bei Arbeitnehmern wie bei Rentnern. Ist der Nachwuchs älter, spielt die Kinderzahl beim Pflegebeitrag keine Rolle. Da Frauen ihre Kinder im Schnitt mit Anfang 30 bekommen und Männer mit Mitte 30, profitieren viele im Rentenalter nicht mehr beim Pflegebeitrag, wenn sie mehrere Kinder haben. Begründet wird diese Regelung damit, dass der wirtschaftliche Aufwand für Kinder während der Erziehungsphase am größten sei.
Ich bin Rentner und habe noch Kinder unter 25. Wieso wird das bei meinem Pflegebeitrag nicht berücksichtigt?
Häufig weiß die Rentenversicherung nicht, ob und wie viele Kinder unter 25 es gibt, die sie beim Pflegebeitrag berücksichtigen muss. Denn beim Rentenantrag werden die Zahl der Kinder und ihr Alter nicht abgefragt. Registriert sind sie nur, wenn für sie Kindererziehungszeiten gutgeschrieben wurden. Das ist nur bei einem Elternteil der Fall. Der niedrigere Beitrag gilt dagegen sowohl für die Mutter als auch für den Vater. Jetzt gibt es eine Korrektur, und das rückwirkend: Die Rentenversicherer haben ein digitales Verfahren entwickelt, um die nötigen Daten über die Kinder beim Bundeszentralamt für Steuern abzurufen. Entwicklung und Tests haben zwei Jahre gedauert, weil die Programmierung und Umsetzung „angesichts der Schnittstellen zu weiteren Beteiligten sehr komplex war“, erläuterte ein Sprecher der Rentenversicherung dieser Redaktion. Im April und Mai überprüfen die Rentenversicherer automatisch bei allen Rentnern, ob noch Kinder beim Pflegebeitrag berücksichtigt werden müssen; ein Antrag ist nicht nötig. Ist dies der Fall, verschicken sie einen Bescheid und leisten eine Nachzahlung, die im Einzelfall mehrere hundert Euro betragen kann.
Was ist mit Rentnern, die eine private Pflegeversicherung haben?
Wer privat krankenversichert ist, braucht auch eine private Pflegeversicherung. Für den Beitrag spielen die Höhe der Rente und andere Einnahmen ebenso wenig eine Rolle wie die Zahl der Kinder. Er hängt hauptsächlich vom Alter und Gesundheitszustand beim Vertragsabschluss ab. Die Rentenversicherung beteiligt sich auch bei privat Versicherten nicht am Pflegebeitrag.
Auch meine gesetzliche Krankenversicherung hat den Beitragssatz erhöht, und zwar schon zum Jahresanfang 2025. Warum wurde mir als Rentner im Januar nur der alte Beitrag abgezogen?
Fast zwei Drittel der 94 Krankenkassen haben ihren Zusatzbeitrag am 1. Januar 2025 angehoben, und zwar unterschiedlich stark. Auf Rentner wirkt sich dies erst mit zwei Monaten Verzögerung aus, also jetzt bei der März-Rente. Für Januar und Februar müssen sie nichts nachzahlen. Die Rentenversicherer ziehen den höheren Beitrag von der Rente ab. In der Regel verschicken sie deswegen keinen Bescheid; dies wird nur auf der Banküberweisung ausgewiesen. Die Rentenversicherung übernimmt bei gesetzlich Krankenversicherten immer die Hälfte des Beitrags und damit auch von der Erhöhung. Bei privat Krankenversicherten steigt der Maximalbetrag, den sie als Zuschuss von der Rentenversicherung bekommen.
Was bedeutet das alles konkret?
Das lässt sich beispielhaft für den „Standardrentner“ ausrechnen, der 45 Jahre immer durchschnittlich verdient und Rentenbeiträge gezahlt hat. Er bekommt derzeit im Monat 1769,40 Euro Rente brutto, also vor Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung. Ab 1. Juli sind es 1835,55 Euro, also 66,15 Euro mehr. Allerdings steigt der Pflegebeitrag, wenn er Kinder über 25 Jahren hat, auf 66,08 Euro. Das sind 5,92 Euro mehr als ein Jahr zuvor. Im Juli wird zudem der erhöhte Pflegebeitrag fürs erste Halbjahr nachgefordert. Das sind insgesamt 21,24 Euro. Hat der Standardrentner zwei Kinder unter 25, die beim Pflegebeitrag bisher nicht berücksichtigt wurden, bekommt er für Juli 2023 bis April 2025 eine Nachzahlung von insgesamt rund 119 Euro. Ab Mai bezahlt er nur noch 3,35 Prozent Pflegebeitrag.
Im Gegensatz zur Pflegeversicherung haben die einzelnen Krankenkassen unterschiedliche Beitragssätze. Die TK beispielsweise hat ihren am Jahresanfang von 15,8 auf 17,05 Prozent erhöht. Im Juli 2024 bekam der Standardrentner 139,78 Beitrag abgezogen (gleich viel schoss die Rentenversicherung zu), im Juli 2025 sind es nach der Rentenerhöhung 156,48 Euro.
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