Das Wichtigste in Kürze
- Claudia von Schuttenbach ist die erste Frau, die Geschäftsführerin am ZEW Mannheim ist.
- Sie arbeitet gemeinsam mit Präsident Achim Wambach in der Doppelspitze.
- Das ZEW setzt auf Digitalisierung und will den Akzent stärker in Richtung Wissenschaftskommunikation setzen.
Frau von Schuttenbach, legen Sie großen Wert auf das „von“ in Ihrem Namen?
Claudia von Schuttenbach: Nein, aber es gehört halt zu meinem Namen dazu.
Verarmter Land- oder eher reicher Geldadel?
Von Schuttenbach: Es ist auf jeden Fall verarmter Adel. Wenn ich mich richtig erinnere, dann liegen die Wurzeln im Hessischen und das ist interessant, weil ich früher ja lange in Darmstadt gelebt habe.
Ihr Vorgänger Thomas Kohl kommentiert auch im Ruhestand auf LinkedIn fleißig Studien des ZEW und erlaubt sich da auch an der einen oder anderen Stelle Kritik …
Von Schuttenbach: … aber auch Lob.
Ruft er Sie manchmal an und gibt Ihnen Ratschläge?
Von Schuttenbach: Wir haben manchmal Kontakt, aber nicht, um Ratschläge auszutauschen. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und sehen uns hin und wieder mal bei Veranstaltungen. Außerdem haben wir ja vier Monate noch zusammengearbeitet, ich finde, wir haben das gut hingekriegt.
Das ZEW wird ja traditionell von der Doppelspitze geführt. Für die Arbeit des Geschäftsführers – erlauben Sie mir bitte die Bemerkung -, interessiert sich die Öffentlichkeit allerdings eher weniger. Im Rampenlicht steht Präsident Achim Wambach. Wie sehen Sie das?
Von Schuttenbach: Die zwei Positionen sind, wie es der Begriff Doppelspitze ja schon ausdrückt, absolut gleichwertig. Was aber nicht zwingend heißt, dass wir in der öffentlichen Wahrnehmung immer gleich stark sein müssen. Wir sind ein Wirtschaftsforschungsinstitut, da gehört es zur Arbeitsteilung, dass der Präsident als Ökonom der Öffentlichkeit erklärt, was wir machen, denn zu den zwei Säulen des ZEW gehören ja die Forschung und die Politikberatung. Als Geschäftsführerin setze ich dagegen die kaufmännischen und administrativen Schwerpunkte, die die Menschen draußen naturgemäß weniger interessieren.
Und wie läuft die Zusammenarbeit mit Herrn Wambach?
Von Schuttenbach: Sehr gut. Wir managen die Dinge miteinander und auf Augenhöhe. Das müssen wir auch, denn wir sind beide verantwortlich für alles und haften deshalb auch gemeinsam. Außerdem stimmen wir uns eng miteinander ab, zum Beispiel über die Strategie des ZEW. Klar ist aber auch, dass jeder in seinem Bereich natürlich einen Kompetenzvorsprung hat.
Sie waren ja bis Juni 2023 Kanzlerin an der Hochschule Mannheim. Warum haben Sie sich danach als Geschäftsführerin am ZEW beworben?
Von Schuttenbach: Als klar war, dass ich eine neue Herausforderung suche, kamen einige Angebote aus dem Wissenschaftsmanagement.
Aber nicht vom ZEW?
Von Schuttenbach: Nein, die Stelle war damals noch nicht ausgeschrieben. Diese Kontakte sind dann auf anderem Weg entstanden.
Hochschule oder Forschungsinstitut – wo liegen die größten Unterschiede in Ihrer Rolle?
Von Schuttenbach: Eine Universität ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit ist man an die Rahmenbedingungen vor allem des Landes gebunden. Natürlich hat man auch als Kanzlerin Gestaltungsspielräume, aber wenn man die Position antritt, hält man diese für umfangreicher, als es sich in der Praxis herausstellt. Als Geschäftsführerin eines Leibniz-Instituts wie dem ZEW sind die jedenfalls größer.
Warum?
Von Schuttenbach: Das ZEW gehört zwar dem Land, ist aber eine GmbH und deshalb rechtlich unabhängig. Für uns gelten die Regeln der freien Wirtschaft. Natürlich gibt es auch bestimmte Dokumentationspflichten und Verfahrensweisen, wie sie im öffentlichen Dienst üblich sind, aber damit kenne ich mich ja aus. Innerhalb dieses Rahmens können wir in unserem Haus alles so gestalten, dass wir unseren Forschenden gute Bedingungen bieten können. Und das finde ich einfach fantastisch. Wenn jemand eine gute Idee hat, kann man die gleich auf dem kleinen Dienstweg besprechen und muss keine großen Schleifen drehen.
Sie wollen aber jetzt nicht behaupten, dass es am ZEW keine Bürokratie gibt?
Von Schuttenbach: Also im Vergleich zum öffentlichen Dienst haben wir wenig Bürokratie. Die hausinternen Prozesse können wir ja selber gestalten, da setzen wir sehr auf die Digitalisierung und bauen dadurch die Bürokratie ab.
Sie sind jetzt ein Jahr am ZEW, welche Herausforderungen sind Ihnen da begegnet?
Von Schuttenbach: In erster Linie, wie bei allen Akteuren im wissenschaftlichen Umfeld, ist da sicher die herausfordernde Kostensituation zu nennen. Als ich anfing, musste ich mich erst einmal mit der Personalkostensteigerung nach dem Tarifabschluss der Länder beschäftigen, an den wir ja gebunden sind. Im Gegensatz zum öffentlichen Dienst bekommen die Institute keinen Ausgleich, sondern müssen die gestiegenen Kosten selber tragen. Dafür galt es, Lösungen zu finden.
Claudia von Schuttenbach
- Claudia von Schuttenbach (47) ist seit 1. März 2024 kaufmännische Geschäftsführerin des ZEW Mannheim . Zuvor war sie Kanzlerin der Hochschule Mannheim .
- Sie studierte an der Universität Mannheim und der Universität Lódz in Polen Diplom-Anglistik mit wirtschaftswissenschaftlicher Qualifikation und schloss ein Aufbaustudium in Verwaltungswissenschaften in Speyer an.
- Von Schuttenbach bildet zusammen mit Präsident Achim Wambach die Doppelspitze am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
Haben Sie deshalb die Zahl der Mitarbeiter abgebaut?
Von Schuttenbach: Nein, nicht proaktiv. Wir haben niemanden gebeten, zu gehen.
Aber?
Von Schuttenbach: Wir haben bestimmte Stellen nicht gleich nachbesetzt oder überlegt, ob wir die Arbeitsabläufe straffen können. Da gibt es immer bestimmte Gestaltungsspielräume und vor allem strategische Überlegungen, die hier reinspielen. Wir haben jetzt zum Beispiel die Leitung der Kommunikationsabteilung nachbesetzt. Wir wollen den Akzent stärker in Richtung Wissenschaftskommunikation setzen. Auch in der Leitung der Personalabteilung wird es eine Veränderung geben. Da auch ein paar Beschäftigte in den Ruhestand gehen werden, erleben wir gerade einen ziemlichen Umbruch. Und das nicht nur personell. Außerdem spielt für uns – wie schon erwähnt – die Digitalisierung natürlich auch eine große Rolle.
Aber der Datenschutz setzt da gewisse Grenzen.
Von Schuttenbach: Glauben Sie mir, wir nehmen den Datenschutz sehr ernst, er ist unglaublich wichtig. Aber wir arbeiten ja immer mit anonymisierten Daten. Und da stellt sich dann schon manchmal die Frage, ob die Forschung an der einen oder anderen Stelle behindert wird. Wir thematisieren diesen Aspekt mittlerweile mit sehr viel Nachdruck.
Stichwort KI. Das ZEW hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, die mich sehr überrascht hat. Demnach nutzen viele Beschäftigte schon die KI in ihrem beruflichen Alltag, selbst wenn die Unternehmen diese noch gar nicht offiziell eingeführt haben.
Von Schuttenbach: Obwohl ja alle sagen, wie wichtig die KI ist, stelle ich fest, dass das Thema die Wissenschaftslandschaft zumindest auf der administrativen Ebene noch nicht so richtig erreicht hat. Das nehme ich in den Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen so wahr. Klar ist, dass die KI nicht nur in der Forschung von großer Bedeutung ist. Wir wollen sie natürlich auch in den Serviceeinheiten einsetzen. Deshalb arbeiten wir gerade an einer KI-Leitlinie, obwohl wir wissen, dass bei diesem enormen Tempo der Künstlichen Intelligenz womöglich in einem halben Jahr wieder alles anders aussieht. Wir sind am ZEW glaube ich schon ziemlich weit. Das liegt auch daran, dass wir kurze Wege haben. Wenn ich wissen will, wie eine Kollegin die KI einsetzt, muss ich nur ein, zwei Stockwerke gehen. Das ist anders als bei einer großen Universität, in der es 100 Professorinnen und Professoren gibt, und an der man die Lage dann nicht so leicht überblicken kann.
Eine Frage zu Ihrer Karriereplanung: Ihr Vertrag läuft fünf Jahre. Planen Sie länger am ZEW zu bleiben?
Von Schuttenbach: Muss ich darauf wirklich antworten?
Nein, aber …
Von Schuttenbach: … das ZEW ist wirklich ein toller Ort. Ich bin unglaublich gerne hier. Das Haus hat wahnsinnig viel geschafft und das letzte Kapitel dieser Erfolgsstory ist noch nicht geschrieben. Mir gefällt die Mischung aus Leistungsorientierung, echter Transparenz, guten kollegialen Verhältnissen und einem sehr kooperativen Führungsstil.
Am ZEW wurden in den vergangenen Jahren einige Leitungspositionen mit Forscherinnen besetzt. Zufall oder Kalkül?
Von Schuttenbach: Wir schauen bei den Stellenbesetzungen vor allem nach dem wissenschaftlichen Hintergrund und versuchen, die Besten für uns zu gewinnen. In der Volkswirtschaftslehre, aus der wir hauptsächlich rekrutieren, liegt der Frauenanteil bei 35 Prozent, im wissenschaftlichen Bereich des ZEW erreichen wir 37 Prozent. Tendenz steigend. Über alle Abteilungen hinweg sind es 48 bis 49 Prozent.
Und mit Ihnen hat das ZEW auch zum ersten Mal eine Geschäftsführerin .
Von Schuttenbach: Das stimmt. Ich glaube schon, dass es die Kultur einer Institution verändern kann, wenn Leitungspositionen mit Männern und Frauen besetzt sind.
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