Mannheim. Mit weiteren Investitionen in Milliardenhöhe bekennt sich der Schweizer Gesundheitskonzern Roche zum Standort Deutschland. Zwar wird das Vorhaben noch geprüft, und die Geschäftsführung hat am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresergebnisses von Roche Deutschland keine konkreten Projekte benannt. Doch Roche Diagnostics-Geschäftsführerin Claudia Fleischer sprach von einer Größenordnung von einer Milliarde Euro, die in den nächsten drei Jahren zusätzlich in die deutschen Standorte fließen sollen. Neben Mannheim, dem größten, sind das Penzberg, Grenzach-Wyhlen und Ludwigsburg. „Roche in Deutschland glaubt an Deutschland, und wir investieren hier in die Zukunft unserer Standorte“, sagte Fleischer. Man könne die Investitionen als Vertrauensvorschuss verstehen, den man der Bundesregierung und dem Land entgegenbringe. „Wir fühlen uns hier wohl.“
Dieses Zutrauen ist nicht selbstverständlich. Vor allem nicht, wenn man sich an die Worte von Roche Pharma-Vorstand Hagen Pfundner vor fast einem Jahr erinnert. Damals hatte er, vor allem wegen des Finanzstabilisierungsgesetzes für die gesetzlichen Krankenkassen, zum Teil heftige Kritik an der Politik der Bundesregierung und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geübt. Wegen des Gesetzes kämen Investitionen des Konzerns in Deutschland auf den Prüfstand, sagte Pfundner damals. Im Mai legte Roche sogar Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz ein. Dieser folgten später weitere Unternehmen der Branche. Am Dienstag schlug Pfundner mildere Töne an. Nicht zuletzt, weil die Regierung eine „Nationale Pharmastrategie“ zur Stärkung der industriellen Gesundheitswirtschaft beschlossen hat.
Drittgrößter Standort im Konzern
Zuletzt hat Roche in Mannheim kräftig investiert. Seit 2019 flossen 1,38 Milliarden Euro auf das Werksgelände – in Kapazitätserweiterungen, in die nachhaltige Modernisierung der Standortinfrastruktur oder neue Technologien wie das 2023 fertiggestellte Launch-Center Massenspektrometrie. Ende dieses Jahres soll das neue Direktbelieferungszentrum fertig werden, mit dem das globale Logistikzentrum erweitert wird. Auch das neue Werksicherheitsgebäude mit Feuerwehrzentrale soll 2024 vollendet werden.
„Der Standort in Mannheim zeichnet sich durch seine hohe Automatisierungskompetenz, durch die Fachkräfte, die wir hier haben, und durch die Prozessinnovation aus“, erklärte die Geschäftsführerin. In der Art und Weise, wie hier Prozesse geführt werden, etwa effizienter oder energiesparender, habe sich Mannheim in den vergangenen Jahren international sehr gut positioniert. „Das hat auch dazu geführt, dass Mannheim der drittgrößte Roche-Standort im Konzern ist.“
Positives gibt es auch von der Mitarbeiterzahl in der Quadratestadt zu berichten. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 arbeiteten auf dem Roche-Campus in Mannheim-Waldhof 8677 Menschen, 30 mehr als vor einem Jahr. Unter ihnen waren 265 Auszubildende und Duale Studenten (Vorjahr 268). Roche ist damit der größte Arbeitgeber in der Stadt, Menschen aus 80 Nationen sind dort beschäftigt, in Deutschland sogar aus 104 Nationen.
„Das macht uns reich, bunt, tolerant, respektvoll, aber auch demütig“, betonte Fleischer in Bezug auf die Vielfalt. „Wir wären Roche nicht mit dem Erfolg, mit dem Werdegang, den wir über die zurückliegenden Jahrzehnte haben, wenn wir nicht so eine offene Unternehmenskultur hätten.“
Im vergangenen Jahr hat Roche in Deutschland trotz eines rückläufigen Corona-Geschäfts den Gesamtumsatz gegenüber dem Vorjahr um 2,4 Prozent auf knapp 8,3 Milliarden Euro gesteigert. Dazu beigetragen hat der Pharmabereich, der um vier Prozent zulegte. Laut Pfundner stammen rund 60 Prozent des Pharma-Umsatzes aus neuen Produkten, die seit 2017 eingeführt wurden und zur Behandlung in den Bereichen Neurologie, Onkologie oder Hämatologie eingesetzt werden. Angesichts der wirtschaftlichen Lage und der Rahmenbedingungen sprach er von einem „guten Ergebnis“.
Rückläufig entwickelten sich die in Mannheim bedeutenden Sparten Diagnostics und Diabetes Care. In der Diagnostics-Sparte brach der Umsatz um 31 Prozent auf 806 Millionen Euro ein, weil PCR-, Schnell- und Antikörpertests zur Feststellung von Covid-19 weniger nachgefragt waren. Dieser Rückgang sei erwartet worden, weil die Pandemie zur Endemie geworden sei, so Roche. Geschäftsführerin Daniela Kahlert berichtete jedoch von einem „stetigen Wachstum im Kerngeschäft“.
Hier stellte Kahlert für dieses und nächstes Jahr viele Innovationen in Aussicht. Den Kunden – Laboren – will Roche wegen des Fachkräftemangels digitale Lösungen anbieten. Dazu gehört eine Algorithmen-Bibliothek, die man sich wie einen App-Store vorstellen kann, die mithilfe von Algorithmen bestimmte Ergebnisse für die klinische Entscheidungsfindung berechnen kann.
Ebenfalls zweistellig, um 27 Prozent, sank der Umsatz im Bereich Diabetes Care (124 Millionen Euro). „Der Rückgang überrascht uns nicht“, sagte Kahlert. Seit Jahren gehe das Geschäft mit Blutzuckerteststreifen zurück. Stattdessen seien neue Technologien wie die kontinuierliche Glukosemessung gefragt. Außerdem habe Roche 2023 die Schlauchpumpen (zur Insulinzuführung) vom Markt genommen.
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