Mannheim. Quantentechnologie? Klingt wirklich nicht gerade sexy. Und Hand aufs Herz: Wer weiß schon genau, was das überhaupt ist? „Die Quantentechnologie nutzt die Bausteine der Natur. Sie ist Physik, Informatik und eine neue Form von Technologie in einem“, heißt es auf der Homepage der Swinburne University of Technology in Melbourne (Australien). Und was bringt das konkret? Neben einer deutlich gesteigerten Rechenleistung durch Quantencomputer versprechen die neuen Technologien nach Einschätzung des ZEW Mannheim hochsichere Kommunikation, wichtige Fortschritte in der autonomen Navigation und Durchbrüche in der medizinischen Diagnostik. „Quantentechnologien gelten daher als Schlüsseltechnologien der Zukunft“, sagt Irene Bertschek, die in Mannheim den Bereich Digitale Ökonomie leitet.
„Deutschland hat eine hervorragende Ausgangsposition“
Dass sich Bertschek mit der Quantentechnologie auskennt, ist kein Zufall. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation - kurz EFI. In der Kommission sitzen sechs Expertinnen und Experten, die die Regierung in allen Fragen beraten. Das aktuelle Jahresgutachten hat die EFI in dieser Woche an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) übergeben. Ein zentrales Thema in dem Gutachten ist das Potenzial neuer Quantentechnologien. „Das Jahr 2025 wurde von den Vereinten Nationen zum Jahr der Quantenwissenschaft und Quantentechnologien erklärt. Das ist ein wichtiges Zeichen und hat gute Gründe“, so Bertschek.
Um zukunftsweisende Quantenprojekte erfolgreich voranzutreiben, braucht es allerdings politischen Rückhalt und Planungssicherheit. „Viele Anwendungen der Quantentechnologien, wie universell einsetzbare Quantencomputer, sind aktuell noch weit von der Marktreife entfernt“, sagt die Forscherin. Dies eröffnet Deutschland nach ihrer Ansicht die Chance, die weiteren Entwicklungen mitzugestalten und Quantentechnologien maßgeblich voranzutreiben. „Denn dank exzellenter Grundlagenforschung und einer starken Tradition in der Quantenphysik hat Deutschland hierfür eine hervorragende Ausgangsposition“, sagt Bertschek.
Wenige Betriebe beschäftigen sich mit Quantentechnologie
Aber auch sie weiß natürlich, dass exzellente Forschung allein eben nicht ausreicht, um langfristig eine Spitzenposition im globalen Wettbewerb zu sichern. Der Jenaer Ökonom Uwe Cantner - er ist EFI-Vorsitzender - warnt: „Deutschland hat zu oft schon bahnbrechende Ideen entwickelt, die später anderswo zur Marktreife gebracht wurden.“ Wer erinnert sich denn noch daran, dass das MP3-Format, das die Art und Weise, wie wir Musik hören, revolutioniert hat, 1995 am Fraunhofer-Institut in Erlangen erfunden wurde? Das Institut strich zwar hohe Lizenzerträge ein - aber das große Geld verdienten Apple & Co.
Dass sich viele der neuen Quantentechnologien noch in einer frühen Entwicklungsphase befinden, bestätigen auch die Ergebnisse einer repräsentativen ZEW-Umfrage von etwa 1.200 Unternehmen im Auftrag der EFI. Nur etwa vier beziehungsweise drei Prozent der Betriebe in der Informationswirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe beschäftigen sich intensiv oder arbeiten mit Quantentechnologien. Ähnlich gering ist der Anteil der Unternehmen, die in den nächsten fünf Jahren in diesen Bereich investieren wollen.
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