Pro-Stimme »Nur über den Preis lässt sich der nötige Wandel durchsetzen«
Eine kurze Runde am Mannheimer Neckarufer gibt die Antwort: Ja, wir brauchen dringend eine Verpackungssteuer! Viel zu oft sind Wiesen und Gebüsch in der Stadt vermüllt mit Kaffeebechern, Burgerpackungen und Pizzakartons. To-go-Müll ist nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern brockt uns allen hohe Kosten ein: Kommunen müssen aus ihren klammen Kassen Personal und Ressourcen für das Einsammeln und die Entsorgung finanzieren. Umwelt und Klima leiden unter Verschmutzung und fehlender Nachhaltigkeit. Vor allem aus letzterem Grund ist klar: Einweg-Verpackungen dieser Art sind nicht mehr zeitgemäß, sie gehören in die Wirtschafts- und Konsumwelt von gestern.
Das wiederum ist nun wirklich keine neue Erkenntnis. Deshalb ist es schade, dass sich bisher aus der Wirtschaft heraus, und zwar ohne regulatorischen Zwang, noch keine nachhaltigere Lösung in der Fläche etabliert hat. Zwar gibt es Unternehmen, die die Herausforderung annehmen und sich auf die Entwicklung innovativer Konzepte konzentrieren. Andere scheinen ihre Energie aber eher darauf zu richten, Veränderung so lange wie möglich zu verhindern. Das sieht man am Beispiel der Mehrwegpflicht, die seit 2023 für Anbieter von To-Go-Speisen und -Getränken gilt. Nur wenige Betriebe haben das als Chance genutzt und Modelle entwickelt, die für Kundinnen und Kunden wirklich attraktiv sind. Die meisten erfüllen dagegen gerade so ihre Pflicht und weisen - mehr oder minder versteckt – auf ihr Mehrwegangebot hin. Nach dem Motto: Ich bewege mich gerade so viel wie unbedingt nötig. Diese starre Haltung wird durch eine Verpackungssteuer teuer – und das ist gut so. Am Ende kann offenbar nur der Preis den nötigen Anreiz geben, um den Wandel durchzusetzen. Städte können dies noch beschleunigen, in dem sie, wie Tübingen, Betriebe beim Aufbau eines möglichst attraktiven Mehrwegsystems unterstützen. Das Geld aus der Steuer wäre hier im Sinne der Nachhaltigkeit gut angelegt.
Kontra-Stimme »Die Steuer wird keine Verhaltensänderung bewirken«
Es ist schon ein Wahnsinn, was an Abfällen im Umfeld eines Fast-Food-Restaurants anfällt. Dass das Müllaufkommen reduziert werden muss, steht außer Frage. Eine Verpackungssteuer wird allerdings kaum Verhaltensänderungen bewirken, selbst, wenn die Betriebe die Kosten an die Kunden weitergeben. Wenn der Preis das Lenkungsinstrument wäre, würden an der Supermarktkasse nicht weiterhin zahlreich Tüten und Taschen verkauft werden. Dieses Beispiel zeigt, dass vielen Kunden der Aufpreis egal ist. Das gilt erst recht, wenn es kein flächendeckendes Mehrwegsystem gibt und etwa Zugreisende ihre Verpackung am Zielort nicht oder nur unter großen Umständen zurückgeben können.
Wenn der öffentliche Raum - und darum geht es ja vorrangig bei der Einführung der Steuer - sauberer werden soll, müssen die Verwaltungen zu anderen Instrumenten greifen. Wer seinen Müll neben der Parkbank liegen lässt, muss gezielt bestraft werden. Mannheim etwa hat dafür einen empfindlichen Strafenkatalog. Dessen konsequente Anwendung hätte eine höhere erzieherische Wirkung als ein paar Cent mehr für den Pappbecher. Wer bisher schon Verpackungen in der Landschaft entsorgt, dürfte die Steuer sogar als Freibrief für sein Handeln werten.
Wie es auch gehen könnte, zeigt Italien. Dort hat der Genuss einen anderen Stellenwert, man sieht kaum Menschen essend oder trinkend durch Innenstädte laufen. Die Italiener nehmen sich dafür Zeit, und sei es nur im Stehen an der Theke. Belohnt wird das mit einem günstigeren Preis, denn wer seinen Espresso oder Cappuccino an der Bar trinkt, bezahlt weniger. Das darf man sich bei uns gerne zum Vorbild nehmen – im Konsumverhalten und bei der Preisgestaltung. Vielleicht führt ein günstigerer Preis für Vor-Ort-Konsum zu einer größeren Lenkungswirkung. Ein Versuch wäre es wert.
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