Rhein-Neckar. Wann setzt auf dem Bau die erwartete Trendwende ein? Positive Signale, dass sich etwas ändern und vor allem verbessern könnte, sendet die Politik: Planungen sollen digitalisiert, damit entbürokratisiert und beschleunigt werden. Gerne ist in diesem Zusammenhang vom „Bau-Turbo“ die Rede. Experten aus der Immobilienbranche sind skeptisch, dass die angekündigten Maßnahmen tatsächlich wirken.
Einer davon ist Oliver Rohr, Immobilienökonom und Bereichsleiter für Büro und Gewerbe beim Immobilienberatungsunternehmen Bulwiengesa. In Deutschland dauere es meist länger, bis so etwas fruchte. „Wenn wir es tatsächlich hinbekommen würden, kurzfristig den Bau-Turbo zu zünden, würden wir das bei den Fertigstellungen im Wohnungssegment frühestens 2028 oder 2029 sehen.“ Hoffnung macht dem Experten, dass möglicherweise ein neues Paket mit Fördermitteln kommt, Verfahren beschleunigt werden sollen, und dass erkannt worden sei, in Deutschland einfacher zu bauen. Dies nützte aber nichts, wenn eine Gemeinde keine Wohnbauflächen ausweise.
„Der Abwärtstrend im Immobiliensektor ist vorbei“, sagt Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba. „Es beginnt ein neuer Zyklus im deutschen Immobilienmarkt.“ Wenn sich auch die Stimmung allgemein verbessert, in den einzelnen Anlageklassen Wohnen, Büros und Einzelhandel ist sie verschieden. Bulwiengesa beruft sich auf das Deutsche Hypo Immobilienklima, das in einer monatlichen Umfrage unter 1000 Akteuren aus der Immobilienbranche ermittelt wird. „Das Wohnungssegment wird von allen Akteuren immer noch am besten gesehen“, lautet Rohrs Fazit.
Wohnimmobilien: „Gute Rahmenbedingungen“ in Mannheim
„In Mannheim ist die Pipeline gut gefüllt“, stellt der Experte auf dem Immobiliengipfel des Forum-Instituts in Heidelberg fest. Derzeit seien etwa 100.000 Quadratmeter im Bau, die kurz- bis mittelfristig fertig werden. Bis 2029 liege das Entwicklungsvolumen bei 335.000 Quadratmeter Wohnfläche, verteilt auf 42 Projekte von 28 Aktueren. „Die Rahmenbedingungen sind gut.“ Mietpreise seien stark gestiegen, Kaufpreise zögen auch wieder an. Laut der letzten Prognose von Bulwiengesa aus diesem Frühjahr werden die Mieten in Mannheim deutlich stärker steigen als die Kaufpreise. Bis zum Jahr 2029 ist mit einem Anstieg der Mieten um 19 Prozent zu rechnen, die Kaufpreise legen um 8,7 Prozent zu.
Was die Erschwinglichkeit von Kaufpreisen und Mieten angeht, ist Mannheim von Verhältnissen wie in München oder Frankfurt noch ein Stück entfernt, sagt der Immobilienökonom. Laut der Berechnung benötigte man in der Quadratestadt 2024 für einen Wohnungskauf das 10,2-fache des jährlichen Haushaltseinkommens. Vor zehn Jahren waren es mit dem 7,2-fachen noch drei Einkommen weniger. Zum Vergleich: Für eine gute Wohnung in der Münchener Stadtlage müssen rund 20 Einkommen kalkuliert werden, in Frankfurt sind es 17. Bei den Mieten liegt in Mannheim der Anteil der Nettomiete am Haushaltseinkommen bei 28,2 Prozent, gut sechs Prozentpunkte mehr als noch vor zehn Jahren. „Das ist alles soweit in Ordnung“, sagt Rohr. Allgemein gilt die 30-Prozent-Mietregel als Orientierung. Demnach sollte die monatliche Miete nicht höher als 30 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens sein.
Ähnliche Schwankungen gibt es auf dem Heidelberger Wohnungsmarkt. Nach einer Delle in diesem Jahr werde der Markt in den nächsten beiden Jahren etwas anziehen. Das Entwicklungsvolumen bis 2029 liegt bei 192.000 Quadratmetern in 19 Projekten von 18 Akteuren, zurzeit sind 85.000 Quadratmeter Wohnfläche im Bau. Zwar entspreche das nicht den Zahlen, die in früheren Jahren einmal erreicht wurden. In anderen Städten vergleichbarer Größe seien aber nur 15.000 bis 20.000 Quadratmeter im Bau. „Heidelberg hat einen wahnsinnig attraktiven Wohnungsmarkt für Kapitalanleger und Projektentwickler“, urteilt Rohr, und daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern.
Mieten in Heidelberg werden bis 2029 voraussichtlich um 17 Prozent steigen, die Kaufpreise für Eigentumswohnungen um 13 Prozent. In der Universitätsstadt müssen Mieter 31,3 Prozent ihres Haushaltseinkommens aufbringen, für den Kauf wird das 12,6-fache Einkommen benötigt.
Büros: Besonders ältere Gebäude haben es schwer
„Das ist der Markt, der den Projektentwicklern und Investoren am meisten Sorgen macht“, sagt Rohr. Vor allem wegen vieler leerstehender Bestandsgebäude aus den 1970er und 1980er Jahren. Hier stelle sich die Frage, ob und zu welchen Kosten diese sich energetisch ertüchtigen lassen. Gerade bei Gebäuden aus den 70ern, in die viel investiert werden muss und die Kosten über der zu erwartenden Miete liegen, komme man manchmal zu dem Schluss: „Es rechnet sich nicht.“
Der Experte dämpft Erwartungen, dass diese Bestandsgebäude sich zu Wohnungen umnutzen lassen. Aus Gründen der Erschließung oder des Brandschutzes sei das meist nicht möglich, dann bleibe nur der Abriss. Zwar seien in Frankfurt Hochhäuser erfolgreich umgebaut worden, jedoch seien nur Apartments möglich, aber keine größeren Wohnungen für Familien.
In Mannheim ist der Leerstand bei Büros extrem angestiegen und liegt bei mehr als zehn Prozent, unter anderem, weil ABB und Siemens große Flächen aufgegeben und Neubauten bezogen haben. Den Büroflächenumsatz in der gesamten Region bezeichnet Rohr als „grundsolide“, 2024 hätten vor allem Ludwigshafen und Heidelberg zu dem guten Ergebnis beigetragen. Die weitere Entwicklung lasse sich schwer vorhersagen. Rohr ist überzeugt, dass die Nachfrage nicht aus Wachstumsimpulsen kommt, sondern aus qualitativen - dass sich also Unternehmen verändern und den Standort wechseln wollen. Er sieht keine Wachstumsimpulse aus der Konjunktur heraus, sie seien aber das Entscheidende für Büroflächennachfrage. Trotzdem erwartet er steigende Mieten in den Spitzenlagen aller drei Städte.
Einzelhandel: verhaltener Optimismus
Während der Filialisierungsgrad in den 1a-Lagen von Mannheim und Heidelberg mit knapp über 70 Prozent stabil geblieben ist, ist er in Ludwigshafen auf fast 64 Prozent geschrumpft. Dieser Trend sei in vergleichbaren Städten ebenfalls zu beobachten. Immer mehr Filialisten zögen ab und konsolidierten ihr Filialnetz. „Oft unterhalten sie die Läden nur aus Werbe- und Sichtbarkeitszwecken, der Umsatz wird im Onlinekanal gemacht.“ Meist folgten Gastronomie oder „ramschige Konzepte“, um laufende Kosten zu halten.
Bei den zurückgehenden Handelsmieten erwartet Rohr eine Stabilisierung. Mannheim liege bei 120 Euro pro Quadratmeter, Heidelberg knapp darunter. Allgemein herrsche ein verhaltener Optimismus. Einzelhändler fokussierten sich auf die Erdgeschosslage, schon das erste Obergeschoss sei schwierig. „Wenn der Mietvertrag für das zweite Obergeschoss ausläuft, können sich acht von zehn Eigentümern Gedanken machen, mit welcher Nutzung das demnächst bespielt wird.“
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