Mannheim. Ein junger Mitarbeiter aus der Generation Z, der remote von Berlin oder Paris aus arbeiten will? Nein, das kann sich Wolfgang Grupp jetzt wirklich nicht vorstellen. „Wenn der nach Berlin geht, ist das eine Katastrophe, weil wenn ich ihn was fragen muss, dann ist er nicht da“, argumentiert der 82-Jährige. Bei Trigema, dem schwäbischen Familienunternehmen, das Grupp bis vor kurzem mehr als 50 Jahre lang geführt hat, seien alle 38 Verwaltungskräfte im Großraumbüro um ihn herum gesessen: „Weil ich sie für alle Entscheidungen brauche.“
Lassen sich mit der Haltung noch junge Talente gewinnen? Wie tickt die berüchtigte Generation Z und was erwartet sie von Unternehmen und Vorgesetzten? Darum geht es an diesem Abend im Mannheimer John Deere-Forum. Gemeinsam mit dem Traktorenhersteller haben die Wirtschaftsjunioren Mannheim-Ludwigshafen zur Podiumsdiskussion geladen. Titel: Generation Z und die Zukunft der Arbeit. Mehr als 400 Zuhörerinnen und Zuhörer sind gekommen - ein Rekord für die Veranstaltungsreihe, wie Swen Stürner von den Wirtschaftsjunioren betont: „Das zeigt, wie sehr wir mit dem Thema Gen Z ins Schwarze treffen“.
Das Podium
- Yaël Meier: Die Schweizer Unternehmerin hat mit ihrem Partner Jo Dietrich vor einigen Jahren die Agentur ZEAM gegründet. Sie unterstützt Unternehmen wie Zalando oder Vodafone dabei, sich bei der Generation Z als relevante Marke zu positionieren. Meier ist 24 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern.
- Wolfgang Grupp: Der 82-jährige Unternehmer stand mehr als 50 Jahre an der Spitze des schwäbischen Textilherstellers Trigema. Erst vor kurzem hat er das Familienunternehmen an seine beiden Kinder übergeben.
- Rüdiger Maas: Der promovierte Psychologe und Autor hat mit seinem Bruder das Institut für Generationenforschung in Augsburg gegründet.
- Bettina Eschbacher (Moderation) leitet das Wirtschaftsteam des „Mannheimer Morgen“. Der Verlag zählt zu den Partnern der Veranstaltung.
Aber wie funktioniert diese Generation, die vor allem von den Babyboomern gerne als arbeitsscheu, verwöhnt und wenig belastbar kritisiert wird? Um das zu beleuchten ist an diesem Abend Yaël Meier da - „eine der bekanntesten GenZ-Erklärerinnen“, wie es Moderatorin Bettina Eschbacher, Leiterin des Wirtschaftsteams beim „Mannheimer Morgen“ formuliert. Mit 24 Jahren gehört Meier der GenZ nicht nur selbst an. Gemeinsam mit ihrem Partner Jo Dietrich hat die Schweizerin die Beratungsagentur ZEAM gegründet, die quasi als eine Art Übersetzer zwischen etablierten Unternehmen und den Generationen Z (geboren zwischen 1995 und 2010) und Alpha (geboren nach 2010) fungieren will.
41 Prozent der GenZ denken darüber nach, bald den Job zu wechseln
Als Chefin von 30 GenZlern - das Durchschnittsalter des ZEAM-Teams liegt laut Homepage bei 21 Jahren - ist Meier auch mit den Ansprüchen dieser Generation vertraut. Remote arbeiten ist für sie, anders als für Trigema-Patriarch Grupp, prinzipiell kein Problem. „Solange die Leistung stimmt, ist mir egal, wann und wo jemand arbeitet“, sagt die 24-Jährige.
Die Möglichkeit, mobil zu arbeiten ist aber längst nicht die einzige Erwartung, die die GenZ an potenzielle Arbeitgeber stellt. Vor allem drei Faktoren seien entscheidend, um die potenziell „illoyale“ Generation - laut Meier denken 41 Prozent der GenZ-Beschäftigten darüber nach, in den nächsten 12 Monaten ihren Arbeitgeber zu wechseln - für sich zu gewinnen: Geld, externe Wertschätzung (was sagen andere, wenn ich ihnen von meinem Arbeitgeber erzähle) und interne Wertschätzung (was tut das Unternehmen für mich?). Letzteres bedeute auch, junge Mitarbeitende an Entscheidungen zu beteiligen, ihre Vorschläge und Ideen zu hören und ihnen Verantwortung zu übertragen.
Werte, bei denen auch Wolfgang Grupp wieder mitgehen kann - auch wenn man vermuten darf, dass er sie in der konkreten Umsetzung etwas anders lebt als die fast 60 Jahre jüngere Unternehmerin Meier.
Man habe die jungen Generationen bei Trigema schon immer geschätzt, sagt Grupp. „Alle leitenden Mitarbeiter bei uns in der Verwaltung sind eigene Lehrlinge gewesen“. Auch Auszubildende hätten zudem auf ihrer Position schon Verantwortung bei dem Textilhersteller, erklärt Grupp am Beispiel eines Lehrlings, der im Betrieb die Post holen muss: „Er entscheidet, wie er sie holt und wann er sie holt. Da ist er vollkommen frei, nur das Ergebnis muss stimmen.“
Wertschätzung will jeder Mensch, egal, wie alt er ist.
GenZlerin Meier wiederum denkt beim Thema Wertschätzung und Beteiligung an Konzepte wie das sogenannte Reverse Mentoring, bei dem ältere Beschäftigte und auch Vorgesetzte von jüngeren Kollegen beraten werden.
Für den Psychologen und Generationenforscher Rüdiger Maas, der an diesem Abend ebenfalls auf dem Podium sitzt, ist der Wunsch nach Wertschätzung unterdessen gar nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal der Generation Z. „Wertschätzung will jeder Mensch, egal, wie alt er ist“, sagt er. Frühere Generationen hätten einen Mangel an Wertschätzung oder andere Frustrationen bei der Arbeit allerdings eher erduldet - allein schon aus Mangel an Alternativen. Die Generation Z wiederum profitiere davon, dass es inzwischen einen harten Wettbewerb um Arbeitskräfte gebe und könne es sich erlauben, höhere Ansprüche zu stellen.
Trotz dieser scheinbar komfortablen Position sieht Maas durchaus auch große Herausforderungen, mit denen die Generation Z zu kämpfen habe. Denn die schiere Menge der Möglichkeiten, die ihr potenziell ständig zur Verfügung stehe, sei auch eine Belastung. Der Psychologe spricht von einer „Options-Depression“: Die heute jungen Menschen seien in einer „absoluten Übersättigung“ groß geworden.
Wenn jemand aus der Generation Z in einem Job starte, habe er immer im Hinterkopf, dass es noch zahlreiche weitere potenzielle Arbeitgeber gebe. Sobald dann eine Hürde auftauche, komme sofort der Gedanke, dass es woanders besser sein könnte. „Das macht euch halt unglücklich“, sagt Maas auf dem Podium in Richtung Yaël Meier. Die Forschung zeige, dass die die glücklichsten Menschen in Deutschland 60 plus seien, die unglücklichsten seien dagegen die unter 25-Jährigen.
Umso wichtiger scheint, wofür Jungunternehmerin Meier an diesem Abend mehrfach wirbt: Dass es wichtig sei, den jungen Menschen zuzuhören und zu versuchen, sie zu verstehen. Umgekehrt brauche es auch aufseiten der Jüngeren Verständnis für die Werte der vorhergehenden Generationen.
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