Ludwigshafen. Der Bürgerdialog blieb weitgehend aus. Um 20 Uhr, nach drei Stunden Vorträgen, Fragen und Antworten, läutete Ludwigshafens Oberbürgermeistern Jutta Steinruck (parteilos) die zweite Fragerunde für die Stadträte ein, und die Stuhlreihen der Bürgerinnen und Bürger im Konzertsaal des Pfalzbaus lichteten sich noch weiter. „Die Veranstaltung richtet sich vorrangig an Bürgerinnen und Bürger aus Ludwigshafen“, hatte es in der Einladung geheißen, die überdies auch „Bürgerdialog“ hieß.
Die Stadtratssitzung, die dem Ganzen vorausgehen sollte, sollte nur eine Stunde dauern. Das allerdings war wohl etwas sehr optimistisch berechnet, denn das Thema, um das ging, war dafür dann doch zu komplex: Geothermie.
Der Chemiekonzern BASF plant, das ist seit vergangenem Herbst bekannt, zusammen mit dem Karlsruher Start-up Vulcan Energy ein gemeinsames Geothermie-Projekt. Auch die Bürger der Stadt sollen davon etwas haben: Ein Teil der Erdwärme, die auf diese Weise aus den Tiefen gefördert wird, soll für den Ausbau der Fernwärme in der Stadt genutzt werden. 27 Prozent der Ludwigshafener Haushalte haben bislang Anschluss ans Fernwärmenetz, Ziel sind nach Aussage des kommunalen Versorgers, den Technischen Werken Ludwigshafen (TWL), 50 Prozent plus.
Lieferverträge mit Autokonzernen Volkswagen und Stellantis
Die BASF wiederum will ein Viertel ihres Dampfes, den sie für ihre chemischen Prozesse benötigt, durch geothermische Energie ersetzen und so 1,3 Millionen Tonnen klimaschädigendes Kohlendioxid einsparen. Vulcan Energy verfolgt ein doppeltes Ziel und ist neben dem heißen Wasser an dem darin befindlichen Lithium interessiert. Das will das Unternehmen aus der geförderten Sole extrahieren und für Batterien in Elektroautos verwenden; so wurden bereits Abnahmeverträge mit den Autokonzernen Volkswagen, Renault und Stellantis geschlossen.
Bis es so weit ist, vergehen aber noch einige Jahre, und bis dahin müssen noch jede Menge Fragen beantwortet werden. Den Anfang machten nun die Stadträte, die auf ihrer öffentlichen Sitzung am Montagabend großen Informationsbedarf hatten. Das Nachsehen hatten die Bürgerinnen und Bürger, die zwar im Konzertsaal, in dem die Stadtratssitzung stattfand, mithören durften, aber eben - darauf hatte Steinruck zur Eröffnung vorsichtshalber hingewiesen - kein Rederecht hatten. Derweil warteten im Foyer des Pfalzbaus Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von BASF, Vulcan Energy und TWL auf zu beratende Bürgerinnen und Bürger.
Nicht ganz vergeblich, denn schon vor Beginn der Stadtratssitzung hatten sich Interessierte vor den Stellwänden eingefunden und so manch einer hielt auch bis 21 Uhr durch, um noch seine persönlichen Fragen loszuwerden. Ein ehemaliger BASF-Mitarbeiter, der inzwischen in Pension ist, bezeichnet Geothermie als „Glücksfall“ im Rheingraben. Für ihn ist die Geothermie alternativlos, vor allem in geopolitisch unruhigen Zeiten wie diesen. „Geothermie kann konstant und CO2-frei Städte heizen und warmes Wasser liefern, dadurch werden wir unabhängiger von teuren Importen von Öl, Gas und Kohle“, erklärt der 70-Jährige.
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Auch Walter Willi Weidenhaus, der sich generell für das Thema interessiert, wie er erzählt, kann diesem nur Positives abgewinnen. „Das ist gut für die BASF, gut für Vulcan, gut für die Region, die so mit grüner Wärme versorgt wird“, meint er. Befürchtungen, dass die Bohrungen in großen Tiefen Umweltschäden zur Folge haben könnten, hat er nicht, gleichwohl kann er Diskussionen darüber nachvollziehen: „Bedenken sollten nicht weggewischt werden.“
Eine andere Besucherin ist skeptisch, ob ein junges Unternehmen wie Vulcan Energy genug Erfahrung hat, um die Risiken der ebenfalls noch neuen Technologie am Ende eingrenzen zu können. „Wenn man Landau im Kopf hat, macht man sich schon seine Gedanken“, meint sie. Von Landau ist an diesem Abend häufiger die Rede - denn dort schreckte Mitte August 2009 ein Erdbeben begleitet von einem lauten Knall die Menschen auf. Wie ein Gutachten später bestätigte, war für die Erschütterungen das zwei Jahre zuvor in Betrieb genommene Geothermiekraftwerk verantwortlich.
„Dass es zu Erschütterungen kommt, ist nie auszuschließen“
Doch 16 Jahre später beteuert Vulcan-Geschäftsführer Thorsten Weimann im Pfalzbau: „Wir haben daraus gelernt.“ Zum Beispiel Wasser, das in abgekühlter Form wieder ins Erdreich zurückgepumpt wird, mit weniger Druck ins Tiefengestein einzubringen. Oder das gesamte Prozedere zu überwachen, um mögliche Spannungen, die sich im Erdreich aufbauen, rechtzeitig zu erkennen. Gleichzeitig räumt er ein: „Dass es zu Erschütterungen kommt, ist nie auszuschließen, es kann immer passieren, dass der Untergrund einen Millimeter nachgibt.“
Die allermeisten dieser Erschütterungen sind laut Weimann aber so gering, dass sie an der Erdoberfläche nicht zu spüren sind. Und wenn es dann doch zu Schäden etwa an Gebäuden kommen würde, wie damals in Landau, sind Unternehmen wie Vulcan laut Bundesberggesetz zu Entschädigungszahlungen verpflichtet.
Lars Liebscher will Vulcan hier vertrauen. „Die bohren ja nicht wild durch die Gegend“, sagt der Ludwigshafener. Trotzdem wünscht er sich noch mehr Informationen, die Bürgerinnen und Bürger müssten auf dem Weg weiter eingebunden werden, rechtzeitig erfahren, was die nächsten Schritte sind. „Viele besitzen ein eigenes Haus, da stehen die nächsten Investitionen an und man möchte wissen, wie die Perspektiven etwa in der Wärmeversorgung sind.“
Die nächsten Schritte sehen vor, dass Vulcan im Frühjahr und dann noch einmal im Winter sogenannte seismische Untersuchungen in Ludwigshafen, Frankenthal und in Teilen des Rhein-Pfalz-Kreises durchführt, um die geologische Beschaffenheit des Bodens bis in sechs Kilometer Tiefe abzubilden. Und erst wenn diese Daten ausgewertet und zu einem Bild vom Untergrund zusammengefügt sind, was mehrere Monate in Anspruch nimmt, kann die eigentliche Suche nach einem möglichen Bohrstandort beginnen. Reimann rechnet frühestens Mitte 2026 mit ersten Ergebnissen.
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https://www.bergstraesser-anzeiger.de/wirtschaft_artikel,-regionale-wirtschaft-noch-herrscht-bohrende-ungewissheit-beim-thema-geothermie-in-ludwigshafen-_arid,2277927.html
Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar BASF bringt Geothermie einen Schub