Mannheim. Ulrich Bäurle hat 47 Jahre hinter sich, jetzt am Samstag ist Schluss. Da schließt der Traditionsmetzger in der Traitteurstraße 58 in der Schwetzinger Vorstadt, und die Nachricht hat die Kundschaft zunächst entsetzt. Doch dann folgte gleich die gute Botschaft. Ende August eröffnet Bäurle wieder. Zwar ist der Metzger dann ein anderer, nämlich Michael Gärtner, der bereits in Südhessen mehrere Läden betreibt. Aber der Name wird (fürs Erste) erhalten bleiben und die Qualität sowieso, wie Gärtner betont.
Von Generation zu Generation weitergegeben
Die Brüder Ulrich und Wolfgang Bäurle, 63 beziehungsweise 61 Jahre alt, und Gärtner kennen sich seit vielen Jahren. Gärtner ist gelernter Fleischer, Fleischermeister, Fleischersommelier, seine Eltern hatten selbst eine Metzgerei. Dann aber war er zunächst 20 Jahre als Fachberater für Metzgereien tätig. „Ich habe viele wertvolle Erfahrungen gesammelt und europaweit tolle Kontakte zu führenden Metzgereien aufgebaut“, erzählt der 50-Jährige.
Eines Tages habe ihn einer seiner Kunden gefragt, ob er nicht einen Nachfolger für seinen Laden kenne. Das war 2016. Gärtner kannte einen Nachfolger: sich selbst. „Gegen den allgemeinen Trend habe ich die Metzgerei Doll übernommen, inklusive Mitarbeiterschaft.“ Man könne die Verbraucher nicht nur der Industrieware aussetzen, meint Gärtner, dessen Metzgereien unter dem Namen Doll’s firmieren.
1933 in der Schwetzinger Vorstadt gegründet
Als der Großvater der Bäurle-Brüder - der Vater ihrer Mutter, der ebenfalls Gärtner hieß - vor 90 Jahren, 1933, in der Schwetzinger Vorstadt das Geschäft eröffnete, habe es an jeder Ecke einen Bäcker oder Metzger gegeben, weiß Ulrich Bäurle. Und wenn die eine Generation ging, übernahm die nächste. So heiratete Hiltrud, die Tochter von Karl Gärtner, den Günter Bäurle. Aus der Metzgerei Bäurle wurde 1967 die Metzgerei Gärtner-Bäurle, ansonsten blieb alles beim Alten. 1991 dann der nächste Wechsel, die Brüder Ulrich und Wolfgang übernehmen den elterlichen Laden, sie gründen eine GmbH und streichen den Namen Gärtner, fortan ist es die Metzgerei Bäurle.
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Von einem auf den anderen Tag im Betrieb angefangen
Er wäre gerne länger zur Schule gegangen, er sei auf dem Gymnasium gewesen, erzählt Ulrich Bäurle. Doch damals habe es mehr Schüler als Lehrkräfte gegeben, er hätte außerdem eine Klasse wiederholen müssen, um weiterzumachen. „Also habe ich am Mittwoch in der Schule aufgehört und bin am Donnerstag in den Betrieb eingestiegen.“ Beide Brüder machen erst eine Lehre, dann ihren Meister, Wolfgang übernimmt die Regie in der Produktion, Ulrich und seine Frau Martina managen das Ladengeschäft und kümmern sich um die kaufmännische Seite des Betriebs. Zum Jahrtausendwechsel folgt ein größerer Umbau, man will moderner werden.
Vor zwei, drei Jahren beginnen die Brüder über einen Rückzug nachzudenken. Die 50-Stunden-Wochen setzen ihnen zu, es wird immer schwieriger, Personal für den Verkauf zu finden, dazu die Debatten, ob Fleisch essen gesund sei. „Eigentlich waren wir davon ausgegangen, dass niemand kommt und den Laden übernehmen will.“ Ulrich Bäurle hat zwei Kinder, doch die machen etwas anderes; sie hätten auch Metzger werden können, doch die Eltern haben das nie verlangt und auch nicht wirklich gewollt. Doch dann sagt Michael Gärtner: „Ich steige ein!“
Gegen den Trend
Gärtner glaubt an das Geschäft mit Würsten und Fleisch. Er will sich gegen den Trend des Handwerkersterbens stemmen. Mit „Menschen, die gerne in dem Beruf arbeiten". Mit einer „top aktuellen Produktionsstätte“, die sich am Hauptstandort in Bürstadt befindet. Mit „super Qualität“, nahezu jeder Artikel werde täglich frisch hergestellt. Sommerferien gibt es in seinen Läden keine, auch keine Mittagspause. Gearbeitet wird im Schichtdienst, wer morgens früh anfange, sei mittags fertig. Im Standort in der Schwetzinger Vorstadt sieht er weiter Potenzial. „Es wäre schade, wenn es hier künftig keinen Metzger mehr gäbe.“
Am 29. August also werden die Rollos wieder hochgezogen, und auch Ulrich Bäurle wird das ein oder andere Mal hinter der Theke zu sehen sein. Das Haus, in dem sich das Geschäft befindet, bleibt weiter in Familienhand, und Gärtner hat den Bäurle-Brüdern angeboten, auszuhelfen. „Wenn sie Lust haben.“
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