Mobilität

Mannheimer ZEW-Studie: Homeoffice doch kein Klimaretter

Wie wirkt sich die Homeoffice-Nutzung auf den Verkehr und damit die CO2-Klimabilanz aus? Mannheimer Wissenschaftler haben überraschende Ergebnisse geliefert

Von 
Walter Serif
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Videokonferenz am heimischen Schreibtisch: Das Pandemie-bedingte Homeoffice hat den Alltag von Millionen Menschen umgekrempelt. © Istock

Mannheim. Deutschland hat im vergangenen Jahr sein Klimaziel zwar erreicht - aber nicht in allen Bereichen. Im Verkehr sind zum Beispiel die CO2-Emissionen nach einer Prognose des Umweltbundesamts sogar zweimal in Serie gestiegen. Offensichtlich war die Hoffnung übertrieben, dass die Zunahme von Homeoffice und Online-Angeboten in den Unternehmen zu einem dauerhaften Rückgang des Verkehrsaufkommens führen könnte. Das ist das Ergebnis eine aktuelle Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Homeoffice ohne Pandemie wirkungslos

Zwar ist demnach die Mobilität während der ersten zwei Pandemie-Jahre in Regionen mit einem höheren Digitalisierungsgrad der Unternehmen merklich gesunken. Aber: „Für die Zeit nach der Aufhebung fast aller Corona-Maßnahmen im März 2022 finden wir keinen Zusammenhang mehr zwischen Digitalisierungsgrad und Mobilitätsreduktion“, sagt Forscher Daniel Erdsiek.

„Wenn keine akuten gesundheitlichen Bedrohungen und staatlichen Einschränkungen bestehen, wird das Potenzial digitaler Technologien kaum ausgeschöpft“, sagt Wissenschaftlerin Janna Axenbeck und warnt vor einem Trugschluss: „Auch wenn viele Beschäftigte ihr Mobilitätsverhalten im Homeoffice verändern, reduzieren diese Verhaltensänderungen nicht unbedingt die insgesamt zurückgelegten Wege.“

Hohe Investitionen in digitale Infrastruktur

Das Homeoffice mag also für die Beschäftigten ein Segen sein, als Klimaretter taugt es aber wenig. Dabei gehen die Unternehmen davon aus, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Homeoffice auch in den nächsten Jahren stärker nutzen werden als vor Corona. Die Firmen haben den Grundstein schon während der Pandemie gelegt, als sie hohe Investitionen in die digitale Infrastruktur tätigten und Vereinbarungen über die Nutzung der mobilen Arbeit trafen.

Daran haben sich die Beschäftigten gewöhnt, sie möchten aber offensichtlich ihren Bewegungsradius nicht einschränken. „Die meisten Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach Mobilität“, sagt ZEW-Wissenschaftlerin Janna Axenbeck. Deshalb würden viele Beschäftigte auch im Homeoffice das Haus verlassen. „Sie verabreden sich in ihrer Mittagspause oder zum Abendessen und erledigen Besorgungen“, erklärt die Forscherin.

Homeoffice-Effekt teilweise negativ

Vor der Pandemie hätten viele Beschäftigte dies häufig mit dem Arbeitsweg kombiniert. Teilweise hat das Homeoffice sogar einen negativen Einfluss auf die Mobilität. Wer nicht jeden Tag bei der Arbeit erscheinen muss, ist auch bereit, größere Strecken zu pendeln. Das Homeoffice erleichtert also die Verlagerung des Wohnorts. Wer dann drei Tage die Woche eine längere Strecke zur Arbeitsstelle zurücklegen muss, legt nach einem Umzug womöglich insgesamt mehr Kilometer als früher zurück.

Und wie lautet das Fazit des ZEW mit Blick auf den Klimaschutz? „Es ist wichtiger, umweltfreundliche, klimaneutrale Mobilität zu fördern, als auf die Vermeidung von beruflichen Wegen durch mehr Homeoffice zu hoffen“, rät Axenbeck.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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