Mannheim. „Das Büro ist nicht tot, es muss nur neu entdeckt werden“, sagt Konstantinos Krikelis. Er leitet beim Gewerbeimmobilien- und Investmentmanagementunternehmen JLL den Standort Rhein-Neckar und erkennt einen „starken Trend zur Rückkehr ins Büro, wenn auch nicht an fünf Tagen in der Woche“. Firmen haben unterschiedliche Regelungen, wie oft ihre Mitarbeiter persönlich am Arbeitsplatz erscheinen müssen. „Im Mittelstand ist die Vor-Ort-Quote höher.“
Seit zwei Jahren sei zwar eine Schwäche im Markt zu beobachten. „Es ist extrem viel Bewegung im Markt, wir rechnen mit einem sehr guten Jahr“, sagt der Standortleiter und nennt einen Vorteil, der kleinere Städte beispielsweise von Frankfurt unterscheidet: „Der Markt ist nicht so volatil.“ Und noch einen Unterschied gibt es: „In Mannheim ist nie spekulativ gebaut worden, sondern nur nach Bedarf.“
Obwohl die Nachfrage nach Büroimmobilien groß ist, weist Mannheim zurzeit eine hohe Leerstandsquote von elf Prozent aus. Sie ist vor allem entstanden, weil ABB (50.000 Quadratmeter) und Siemens (26.000 Quadratmeter) große Flächen abgegeben haben. In guten Lagen liegt die Quote nur bei vier Prozent, sodass immer noch ein sehr starker Druck für Unternehmen herrscht, adäquate Flächen zu finden.
Wo in Mannheim die Spitzenmieten gezahlt werden
Als besonders attraktiv gilt das Glückstein-Quartier auf dem Lindenhof mit Büroneubauten nach aktuellen Standards, die zudem zentral in der Nähe zum Hauptbahnhof liegen. Dort werden auch die Spitzenmieten erzielt: ab 21,50 Euro aufwärts bis knapp 30 Euro im Victoria-Turm.
Es muss aber nicht immer die Premium-Lage sein, damit ein Standort funktioniert. Krikelis verweist auf die Eastsite in Neuostheim, wo die Miete bei 15 bis 17 Euro liegt. „Die Lage ist nur vermeintlich schlecht. Das Gebiet ist zwar nicht an die S-Bahn, aber an die Straßenbahn angebunden.“
Oder das Beispiel Siemens, nach dem Umzug nach Neuostheim: „Das Gebiet wird durch ein Unternehmen wie Siemens attraktiv. So kann ein schönes Büroquartier entstehen.“ Auch die Konversationsfläche Columbus – dort baut das Energietechnik-Unternehmen Hitachi seine Deutschland-Zentrale – hat für Krikelis Potenzial: „Das kann eine Magnetwirkung haben, sodass sich im Umfeld zum Beispiel Zulieferer ansiedeln.“
Wohlgelegen – auch dort sind einige Flächen frei – sei schon immer eher ein Backoffice-Standort gewesen. Aber nicht überall seien Eigentümer dort bereit, zu investieren. „Wenn man dort einen guten Standard bietet, kann es gut funktionieren. Der Markt dafür ist vorhanden.“
In welchen Lagen in Mannheim noch Potenzial steckt
Allgemein lässt sich sagen: „Wenn das Produkt adäquat ist, also eine gute Gebäudestruktur, -qualität und Lage hat, erhöht das die Wahrscheinlichkeit auf eine Vermietung.“ Damit steigt der Druck auf Inhaber von Immobilien aus den 1970er und 1980er Jahren. Sie müssen investieren, um die Flächen marktfähig zu halten. In diesem Zusammenhang werden die ESG-Zertifikate für nachhaltige Immobilien immer wichtiger, sagt der Experte: „Für nicht ESG-gerechte Immobilien wird es kaum noch Abschlüsse geben.“
Nach Krikelis‘ Einschätzung wird die Augustaanlage eine Aufwertung erfahren, wenn das attraktive und stark nachgefragte Glückstein-Quartier vollständig bebaut ist. „Dort ist ein enormes Potenzial für zu revitalisierende Immobilien.“ Die Augustaanlage sei schon immer ein attraktiver Standort, „zuletzt hat dort aber das gute Produkt gefehlt.“
Der Standort Rhein-Neckar, einer von zwölf von JLL in Deutschland, ist in diesen Tagen vor zehn Jahren eröffnet worden. Bis 2015 war JLL nur in den sieben größten deutschen Städten vertreten. Dann entschied das Unternehmen, Büros auch in den sogenannten B-Städten zu eröffnen. „Diese Strategie ist voll aufgegangen. Als einziges internationales Maklerhaus sind wir in Nürnberg, Essen oder Mannheim vertreten.“ Während bis dato – von Frankfurt aus – gezielt Unternehmen in Mannheim beraten und unterstützt wurden, habe sich das Firmennetzwerk gewandelt. Inzwischen betreut JLL aus dem Büro in L14 am Kaiserring mit sechs Mitarbeitern auch lokale Unternehmen.
Für die Region Rhein-Neckar sei die Entscheidung auf Mannheim gefallen, da es sich um die wirtschaftsstärkste Stadt in der Region handele. Die Bedingungen waren damals ideal: „Der Immobilienmarkt war im Aufschwung, wir haben vom Wachstum und dem Neubau von Büroimmobilien profitiert.“ KPMG, EY, Siemens, der Verkauf des Victoria-Turms oder des Halberg-Areals in Ludwigshafen: Es sind nur einige der großen Deals, die JLL Rhein-Neckar nach eigenen Angaben federführend gemanagt oder begleitet hat.
Schwierige Situation im Handel auf den Mannheimer Planken
Schwierig ist die Lage im Einzelhandel, auf den Mannheimer Planken wird der Leerstand zunehmend sichtbar. Diese Situation ist neu. „Vor einigen Jahren war es noch so, dass vor dem Auslaufen eines Mietvertrags bereits mit einem Nachfolger abgeschlossen wurde. So gab es einen nahtlosen Übergang“, erinnert sich Krikelis. Das hat sich geändert, seitdem die Nachfrage nach Flächen zurückgegangen ist. Momentan ist im Mannheimer City-Einzelhandel nahezu alles zu haben – sowohl von der Größe als auch von der Lage.
Firmen wie Wempe oder Marken wie Zara Home und Massimo Dutti haben der Stadt den Rücken gekehrt. Krikelis sieht dennoch „enormes Potenzial. Mannheim ist immer noch auf dem Radar von vielen Retailern.“ Auf den Planken seien viele Berater unterwegs. Aber eine Warteliste von Unternehmen für die 1A-Lage gebe es, anders als früher, nicht mehr. „Zunehmend steigt das Interesse an Gastronomen für die 1A-Lage. Es ist auch möglich, dass sich die Lage verschiebt.“
Der Experte nennt eine wichtige Anforderung: „Die Besucher der Innenstadt wollen ein Erlebnis haben. Das schafft man mit Veranstaltungen wie ‚Wein und Genuss‘ oder den Weihnachtsmärkten.“ Es brauche Erlebnis; etwas, dass die Leute wieder mehr in die Stadt ziehe, damit Einkauf und Verweilen nicht mit Stress verbunden sei. Dazu müssten Anreize geschaffen werden, etwa kostenloses Parken am Samstag.
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