Speiseeis

Langnese-Fabrik Heppenheim: Was die Abspaltung von Unilever bedeutet

Magnum, Flutschfinger, Calippo: Der Unilever-Konzern spaltet sein Eisgeschäft ab, aus der Sparte geht der weltweit größte Eisproduzent hervor. Was heißt das für die Langnese-Beschäftigten in Heppenheim?

Von 
Tatjana Junker
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Im Langnese-Werk Heppenheim wird auf 18 Produktionslinien Eis hergestellt. Der Standort bedient fast alle europäischen Länder. © Thomas Neu

Heppenheim. 65 Jahre lang gehörte das Langnese-Werk in Heppenheim, eine der größten Eisfabriken in Europa, zu Unilever. Nun steht die Trennung bevor. Der britisch-niederländische Konsumgüterkonzern, zu dem Marken wie Knorr, Pfanni, Dove oder Rexona gehören, gibt sein Eisgeschäft zum Jahresende über einen Börsengang ab. Was bedeutet der Schritt für den Standort Heppenheim und seine rund 650 Beschäftigten? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ist der aktuelle Stand bei der Abspaltung des Eisgeschäfts von Unilever?

In den vergangenen Monaten wurde das Eiscreme-Geschäft schrittweise aus dem Unilever-Universum herausgelöst und es wurden eigene Verwaltungsstrukturen aufgebaut. Seit dem 1. Juli ist die Sparte in ein eigenes Unternehmen ausgegliedert: The Magnum Ice Cream Company (TMICC). Das neue Unternehmen hat seinen Hauptsitz in den Niederlanden und steht laut einem Sprecher für 7,9 Milliarden Euro Umsatz. Insgesamt zählt es rund 19.000 Mitarbeitende. Mit einem globalen Marktanteil von 21 Prozent ist es der weltgrößte Hersteller von Speiseeis. Aktuell ist TMICC noch eine 100-prozentige Unilever-Tochter. Zum Ende des Jahres soll das Unternehmen aber an die Börse gebracht werden und dann eigenständig sein.

Welche Rolle spielt die Langnese-Fabrik Heppenheim in dem neuen Unternehmen?

Nach Angaben von Guillaume Cuney, Werksleiter in Heppenheim, eine zentrale. Seiner Einschätzung nach kann der Standort durch die Abspaltung von Unilever profitieren: „Unter dem Dach von Unilever waren wir ein Werk von vielen. In dem neuen Unternehmen sind wir mit Abstand der größte Standort in Europa und weltweit die Nummer 3.“ Künftig gibt es innerhalb des neuen Eis-Riesen nur noch zwei Fabriken in den USA, die größer sind als die in Heppenheim. Cuney zufolge kommt dem Standort schon durch seine strategisch günstige Lage im Herzen Europas eine wichtige Rolle im Unternehmen zu. Auch Innovationen würden bisher oft zuerst hier eingeführt.

1992 lief in Heppenheim das erste Magnum-Eis vom Band. Heute macht die Marke etwa 30 Prozent des Produktionsvolumens aus. © Thomas Neu

Als Vorteil der künftigen Eigenständigkeit betrachtet der Werksleiter, dass sich der TMICC-Vertrieb ganz auf Eis fokussieren kann und nicht, salopp gesagt, auch noch Tütensuppen und Kartoffelknödel aus dem Unilever-Marken-Kosmos an den Mann bringen muss. Auch auf Marktveränderungen könne man schneller reagieren. Dadurch verspricht sich der Werksleiter mehr Wachstum - auch in Heppenheim.

Was ist in der Eisfabrik Heppenheim als nächstes geplant?

In den kommenden fünf Jahren soll Cuney zufolge am Standort einiges investiert werden. Der Werksleiter spricht von einem Betrag im höheren zweistelligen Millionenbereich, konkretere Angaben gibt es nicht. Das Geld soll unter anderem in die Produktion fließen, wo eine neue Eis-Linie geplant ist, außerdem wird in die Energieeffizienz am Standort investiert.

Guillaume Cuney leitet das Langnese-Werk in Heppenheim. © Thomas Neu

Auf dem Areal soll darüber hinaus ein neues Tiefkühllager entstehen. Es wird allerdings nicht von TMICC selbst gebaut, sondern von einem Partner, der es an den Eishersteller verpachtet und es für ihn betreibt. Die Gespräche dafür liefen aktuell. Durch die zusätzlichen Tiefkühlkapazitäten in Heppenheim sollen die Logistikkosten des Werks deutlich sinken: Bisher ist es nämlich so, dass nicht alles Eis, das hier produziert wird, auch vor Ort gelagert werden kann. Laut Michael Weiser, dem Produktionsleiter in Heppenheim, werden etwa 30 Prozent des Volumens derzeit erst einmal an andere Standorte gefahren und dort tiefgekühlt. Künftig soll alles in Heppenheim zentralisiert werden.

Was ändert sich durch die Unilever-Abspaltung für die Beschäftigten?

Bastian Martin, Betriebsratsvorsitzender in Heppenheim und seit kurzem auch Betriebsratsvorsitzender der neuen The Magnum Ice Cream Company, sieht die geplante Abspaltung inzwischen positiv. „Als bekannt wurde, dass Unilever das Eisgeschäft loswerden will, war das natürlich erst einmal eine heftige Nachricht, die auch mit viel Unsicherheit verbunden war“, sagt er. Man sei aber erleichtert, dass die Trennung nun über einen Börsengang erfolgen soll.

Zehn Fakten über die Langnese-Fabrik in Heppenheim



1. Das Langnese-Werk in Heppenheim gibt es seit 1960, zum Start wurde dort Vanilleeis hergestellt . Kurz darauf kamen Langnese-Eis am Stiel und andere Produkte dazu.

2. Heute wird auf dem 100.000 Quadratmeter großen Areal auf 18 Linien produziert. Bis zu zwei Milliarden Stück Eis laufen dort jährlich vom Band.

3. Rund 30 Prozent des Produktionsvolumens in Heppenheim entfällt auf die Marke Magnum , weitere knapp 30 Prozent auf Cremissimo, also größere Eisverpackungen für zu Hause.

4. Die Vollproduktion im Werk beginnt im Januar , dann wird bereits für den Sommer vorproduziert. Gearbeitet wird im Drei-Schicht-Betrieb, zu Spitzenzeiten an sieben Tagen die Woche. Dann arbeiten im Werk auch zusätzliche Saisonkräfte.

5. Außerhalb der Saison steht etwa ein Drittel der Produktion in Heppenheim still . Wassereis zum Beispiel wird nur als Saisonprodukt hergestellt. Andere Produkte wie Cremissimo-Eis oder die Magnum Bonbons laufen dagegen das ganze Jahr über vom Band.

6. Für das noch relativ junge Produkt Magnum Bonbons wurde 2024 im Werk eine neue Linie in Betrieb genommen .

7. Rund 60 Prozent des in Heppenheim produzierten Eises werden für den DACH-Markt hergestellt , also Deutschland, Schweiz und Europa. Der Rest geht vor allem in die übrigen europäischen Länder.

8. Innerhalb des neu gegründeten Unternehmens The Magnum Ice Cream Company (TMICC) ist die Fabrik in Heppenheim die größte in Europa und die drittgrößte weltweit . Insgesamt werden nach Unternehmensangaben rund 20 Prozent des gesamten europäischen Speiseeis-Marktes von Heppenheim aus abgedeckt.

9. Der europäische Eismarkt , für den Heppenheim produziert, wächst nach Angaben von Werksleiter Guillaume Cuney jedes Jahr um etwa vier Prozent . Der Trend gehe dabei zum Portionseis, also zu Einzelverpackungen.

10. Der wichtigste Wettbewerber der neuen The Magnum Ice Cream Company sitzt in Luxemburg und heißt Froneri . Zu dem Konzern gehören Eismarken wie Schöller, Mövenpick und Häagen-Dazs. Froneri ist der zweitgrößte Speiseeishersteller weltweit. In Deutschland sind außerdem Eigenmarken, also Marken, die Handelsketten unter ihrem eigenen Label verkaufen, ein wichtiger Wettbewerber.

Martin zufolge haben die Arbeitnehmervertreter mit dem Management eine dreijährige Beschäftigungsgarantie für den Standort ausgehandelt. Betriebsbedingte Kündigungen seien dadurch „mindestens drei Jahre“ ausgeschlossen, auch die Konditionen für die Beschäftigten bleiben im neuen Unternehmen gleich. Die Mitarbeitenden unterliegen dem Tarifvertrag für die Süßwarenindustrie. Auch wenn das Management nach Ablauf der drei Jahre Veränderungen vornehmen wolle, müsse darüber erst mit den Arbeitnehmervertretern verhandelt werden, betont Martin.

Perspektivisch rechne man damit, dass die Zahl der Beschäftigten am Standort steigt, unter anderem durch die geplante Erweiterung der Produktion, sagt Frank Wegerle, Personalleiter in Heppenheim. Konkrete Zahlen dazu könne man aktuell aber noch nicht nennen. Generell liege der Fokus im Moment darauf, frei werdende Stellen nachzubesetzen, was teilweise herausfordernd genug sei.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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