Warenhäuser

Kaufhof am Heidelberger Bismarckplatz: Noch eine letzte Party für das Team

Seit 39 Jahren arbeitet Karin Herbst für Galeria Karstadt Kaufhof. Im Haus am Heidelberger Bismarckplatz wollte sie eigentlich mal in Rente gehen. Jetzt schließt das Kaufhaus - und Herbst bereitet den Abschied vor

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Tatjana Junker
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Betriebsratsvorsitzende Karin Herbst vor „ihrer“ Galeria-Filiale am Heidelberger Bismarckplatz. © Tatjana Junker

Heidelberg. Abschied und Neuanfang, Karin Herbst ist das schon gewohnt. Vielleicht gehört es sogar fast dazu, wenn man seit knapp vier Jahrzehnten bei der heutigen Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof arbeitet. 1984 startete Herbst in der Mannheimer Filiale in N7, damals noch ein Horten-Haus, ins Berufsleben, mit einer Ausbildung als Einzelhandelskauffrau. Später wechselte sie zu Kaufhof nach Ludwigshafen.

Heute sind beide Häuser längst geschlossen, und Karin Herbst war jedes Mal dabei, zumindest emotional. In Ludwigshafen rechnete sie 2010 sogar die letzte Kasse ab. „Ich hatte da schon in die Heidelberger Filiale gewechselt, aber das habe ich mir nach 19 Jahren in Ludwigshafen nicht nehmen lassen“, erinnert sie sich.

Jobangebote am schwarzen Brett in der Heidelberger Galeria-Filiale

Dann also das Haus am Heidelberger Bismarckplatz - einst mit Münster zusammen die erste Galeria-Horten-Filiale in Deutschland. Hier wollte die 55-Jährige eigentlich arbeiten, bis sie irgendwann das Rentenalter erreicht hat. Doch stattdessen stehen die Zeichen nun wieder auf Abschied: In knallbunten Farben stehen sie als große Rabattschilder auf allen sechs Etagen des Kaufhauses und verweisen auf den laufenden Ausverkauf. Die Filiale schließt, sie gehört zu den Häusern der Kaufhauskette, deren Mietvertrag zum 31. Januar ausläuft.

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Was passiert, wenn "Galeria Kaufhof" am Heidelberger Bismarckplatz schließt?

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Michaela Roßner
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Was das für die mehr als 50 festangestellten Mitarbeitenden bedeutet, die bei der Verkündung der Schließpläne im März 2023 am Bismarckplatz beschäftigt waren, hat Herbst auf einen Zettel geschrieben. Er liegt vor ihr auf dem Tisch im Betriebsratsbüro. Die 55-Jährige ist Vorsitzende des Gremiums in der Filiale. Die meisten aus der Stammbelegschaft sind schon weg, sie haben neue Jobs gefunden: bei der Bank, in der Kita, bei der Bahn. Einige wechseln in Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen in der Region, nach Speyer, Mannheim oder in die Heidelberger Hauptstraße. Wieder andere stehen kurz vor der Rente.

„Wer was Neues gefunden hat, kann sofort gehen, da werden keine Steine in den Weg gelegt“, sagt Herbst. Die Agentur für Arbeit kam direkt in die Filiale, damit sich die Belegschaft en bloc arbeitssuchend melden konnte, am schwarzen Brett im Aufenthaltsraum hängen Stellenangebote von anderen Firmen.

Ware wird nur noch in Kartons und Kisten auf Holzpaletten aufgestapelt

Für die letzten Wochen werden die scheidenden Festangestellten durch Aushilfen und Zeitarbeitskräfte ersetzt, die den Ausverkauf über die Bühne bringen. „Für manche unserer Stammkunden ist das natürlich hart. Die hatten zum Beispiel in der Herrenabteilung teils Jahrzehnte lang den gleichen Kollegen, der sich um sie gekümmert hat. Jetzt gibt es keine Beratung mehr, es wird nur noch kassiert.“

Zum 31. Januar läuft der Mietvertrag am Heidelberger Bismarckplatz aus. © Tatjana Junker

Auch dass die Ware ansprechend aufgebaut und dekoriert wird - unter anderem einst die Aufgabe von Karin Herbst und ihrem Team - spielt jetzt keine Rolle mehr: Sie steht nun einfach überall aufgestapelt in Kartons und Kisten auf Holzpaletten auf der Fläche. Auch aus anderen Filialen wurden Restposten an den Bismarckplatz geschafft, deshalb gibt es dort im Moment teilweise Produkte, die bisher gar nicht zum Sortiment gehörten, Bettwaren zum Beispiel oder manches Gartenzubehör.

Andere Waren, etwa hochwertiges Parfüm, wurden wiederum an Häuser abgegeben, die bestehen bleiben. „Manche Marken wollen nicht verramscht werden und gehen nur bis zu einer bestimmten Rabattgrenze mit“, erklärt Herbst. Auch einige Shop-in-Shop-Anbieter wechseln vom Bismarckplatz in die Filiale an der Heidelberger Hauptstraße, ebenso der Asia-Supermarkt aus dem Untergeschoss.

„Mir blutet natürlich schon das Herz, wenn die Ware einfach auf Paletten gepackt wird. Es sieht halt jetzt eher aus wie im Ein-Euro-Shop“, sagt Herbst. Gleichzeitig blickt die Verkaufsexpertin nach vorne: „Heulen macht es ja nicht besser. Man nimmt die Situation eben, wie sie ist.“ Für die Betriebsratsvorsitzende ist klar, dass sie am Bismarckplatz bis zum letzten Tag an Bord bleiben wird. „Ich will die Kolleginnen und Kollegen nicht hängen lassen, das habe ich auch der Mitarbeiterin gesagt, die bei der Arbeitsagentur für mich zuständig ist.“

Zum 1. Februar wechselt Herbst dann erst einmal mit einigen weiteren Kolleginnen und Kollegen in eine Transfergesellschaft. „Vielleicht mache ich die letzten elf Jahre meines Berufslebens ja auch noch was ganz anderes, wer weiß?“ Vorstellen könne sie sich vieles, Hauptsache, es habe mit Menschen zu tun. Beim Thema Einzelhandel ist die gelernte Verkäuferin inzwischen allerdings skeptisch - auch wenn sie sonst nicht so wirkt, als würde sie schnell den Mut verlieren. Doch die letzten Jahre bei Galeria Karstadt Kaufhof haben das Vertrauen auch bei ihr schwinden lassen. „Insolvenz - das kannte ich vorher nur aus den Nachrichten, und dann waren der Bau oder die Industrie betroffen. Dass uns das auch passieren kann, habe ich lange nicht für möglich gehalten.“

Ende November steht ein letztes Betriebsfest an

Wenn sie noch einmal eine Stelle im Einzelhandel annehme, dann nur in einem Geschäft, dessen Sortiment immer gebraucht werde: ein Sanitätshaus zum Beispiel oder ein Brillenladen. „Ich will nirgends mehr hin, wo die Leute nur zum Shoppen kommen.“

Egal, wo er sein wird: Vor dem nächsten Neuanfang wird Karin Herbst mit ihren Kolleginnen und Kollegen jetzt erst noch einmal Abschied nehmen. Am 26. November, dem Totensonntag, steht das letzte Betriebsfest für die Belegschaft der Bismarckplatz-Filiale an. Weil das Kaufhaus-Restaurant im fünften Stock schon seit Sommer geschlossen ist, musste die Betriebsratsvorsitzende anderswo eine bezahlbare Lokalität auftreiben und wurde schließlich mit Hilfe der Stadt fündig: Die letzte Galeria-Karstadt-Kaufhof-Party steigt nun in einer zum Bürgersaal umgebauten früheren Kapelle der US-Streitkräfte.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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