Studie

Die Metropolregion ist süchtig nach Wasserstoff

Wie viel Wasserstoff braucht die Metropolregion Rhein-Neckar? Eine neue Studie hat den Bedarf bis 2045 unter die Lupe genommen. Vor allem zwei Dinge sind notwendig

Von 
Walter Serif
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Die BASF soll Wasserstoff für die Modell-Projekte in der Metropolregion produzieren – braucht aber selbst enorme Mengen für die Energiewende. © Uwe Anspach/dpa

Mannheim. Die Metropolregion hat eine starke Wirtschaft, in der ein Player besonders auffällt. „Anilin und Pfalz, Gott erhalt’s“. Die Ludwigshafener wissen, wie wichtig die BASF für sie ist - also jene „Firma auf der anderen Rheinseite“, die der gelernte Chemiker Tilman Krauch bei der Pressekonferenz in Mannheim nicht einmal beim Namen nennen muss.

Auch der Vorstandschef des Vereins Zukunft der Metropolregion (ZMRN) weiß, wie stark und verwundbar zugleich die BASF ist. Damit der Konzern seine Kraft entfalten kann, braucht er viel Energie. Also Strom, der leider nicht so einfach aus der Steckdose kommt. Und natürlich auch das „fantastische Molekül Wasserstoff“, bei dem Krauch - er ist ja auch Top-Manager bei der Weinheimer Freudenberg Gruppe - geradezu ins Schwärmen gerät.

Zwei Windräder pro Woche nötig

Eingeladen zur Pressekonferenz haben die Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) und die Hafengemeinschaft Mannheim. Sie stellen eine gemeinsame Studie vor, die nicht nur mit Blick auf die BASF vor zu großen Illusionen warnt. Der Ludwigshafener Chemiekonzern kann natürlich auch Wasserstoff produzieren, doch das reicht nicht einmal für den Eigenbedarf aus, schon gar nicht für das Rhein-Neckar-Gebiet, das „gewaltige Mengen“ (Krauch) braucht, um das große Ziel zu erreichen: Klimaneutralität bis 2045.

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Das Studien-Team der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) in München hat den Wasserstoffbedarf in der Region auf sieben Terawattstunden (TWh) geschätzt. 90 Prozent davon würden auf die Industrie entfallen. Auf Deutschland hochgerechnet entspricht das fünf Prozent des Gesamtverbrauchs. FfE-Experte Andrej Guminski ordnet das so ein: „Dafür müssten bis 2040 zwei Windräder pro Woche aufgestellt werden.“ Zweitgrößter Abnehmer nach der Industrie ist der Verkehr für Lastwagen, Busse, Müllfahrzeuge, den Schienenverkehr und die Binnenschifffahrt.

Infrastruktur für Wasserstoff soll her

Die Studie bildet da gewissermaßen den Überbau, denn die Rhein-Neckar-Region treibt ja inzwischen bereits Projekte voran und ist seit rund drei Jahren Wasserstoff-Modellregion. Bund und Land haben rund 40 Millionen Euro bereitgestellt für die Projekte „H2 Rivers“ beziehungsweise „H2 Rhein-Neckar“. Weitere Millionen kommen von anderen Partnern wie den Städten Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg und Unternehmen, zu denen neben der BASF auch der Walldorfer Softwarekonzern SAP und die Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV) gehören.

Die gemeinsame Vision: Eine Infrastruktur für Wasserstoff aufbauen. Der Wasserstoff soll zentral bei der BASF produziert und zum Verteilzentrum auf der Friesenheimer Insel in Mannheim transportiert werden. Dort wird der Wasserstoff in der Region ausgeliefert, beispielsweise an Tankstellen. Damit können dann Busse und Lastwagen sowie Müllfahrzeuge betrieben werden - so jedenfalls sehen die ehrgeizigen Pläne bisher aus.

Studie macht keine Prognosen

Die Studie geht auf diese Projekte nicht ein, sie enthält auch keine Prognosen, sondern beschreibt eine „Szenariowelt“ (Guminski) bis 2045: „Die Industrie wird zum größten Wasserstoffabnehmer in der Region und kann somit zum Treiber einer zukünftigen Wasserstoffwirtschaft in der Metropolregion Rhein-Neckar werden. Verkehr und andere Sektoren können davon profitieren.“

Klar ist auch, dass die großen Industriestandorte entlang des Rheins wie Mannheim oder Ludwigshafen, die Nachfrage nach Wasserstoff bestimmen. Auf dem Land besteht der Bedarf dagegen eher im Verkehrsbereich. Die Studie hält es für unmöglich, dass der Wasserstoffbedarf vollständig lokal produziert werden kann. Ohne den Anschluss an das bis 2030 geplante europäische Wasserstoffnetz - im Fachjargon: European Hydrogene Backbone - geht gar nichts.

Das Problem: Niemand weiß, ob das Netz bis dahin realisiert ist. Die geplanten Netze in Deutschland könnten den Bedarf nie und nimmer decken, nur Importe würden die Zukunft der Wirtschaft in der Metropolregion sichern. Immerhin: „Für den Hochlauf einer Wasserstoffversorgung stehen auch regionale H2-Erzeugungspotenziale zur Verfügung“, heißt es in der Studie.

Dass sich auch die Hafengemeinschaft Mannheim an der Studie beteiligt hat, ist nachvollziehbar. Die Binnenschifffahrt will und soll als Transportoption ebenfalls eine Rolle spielen. „Mannheim hat einen der größten Binnenhäfen in Deutschland. Der Transport von Energie gehört ja sozusagen zur DNA der Häfen“, sagt Hafendirektor Uwe Köhn.

„Geld, Geld, Geld“

Schön ist es, dass die Experten sich nicht auf Fantastereien einlassen wollen. „Wasserstoff soll erst dort eingesetzt werden, wo Alternativen fehlen oder zu teuer sind“, sagt FfE-Mann Andrej Guminski. Damit die schöne neue Klimawelt nicht im Desaster endet, braucht es nach seiner Einschätzung drei Dinge: Tempo, Tempo, Tempo. Als Praktiker denkt Tilman Krauch aber auch an die Kosten. Nach seiner Einschätzung braucht die neue Wasserstoff-Welt drei andere Dinge: Geld, Geld, Geld. Nur dann klappt es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, ohne die grüner Wasserstoff knapp bleibt.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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