Interview

Darum fehlen bestimmte Markenartikel in den Supermarkt-Regalen

Wenn Produkte nicht mehr da sind: Wer bei Edeka oder Rewe einkauft, findet immer wieder bestimmte Marken wie Coca-Cola oder Mars nicht mehr. Florian Stahl von der Universität Mannheim erklärt, warum das so ist

Von 
Walter Serif
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Supermärkte wie Edeka wehren sich im Preiskampf mit den Markenherstellern. © Jens Kalaene/dpa/Universität Mannheim

Mannheim. Herr Stahl, bei meinem Edeka gibt es kein Sheba-Katzenfutter mehr, auch Meister Proper steht nicht mehr im Regal. Ärgert es Sie auch, dass die Supermärkte immer mehr Markenprodukte auslisten?

Florian Stahl: Das ärgert mich natürlich, bei Rewe gibt es zum Beispiel auch keine Mars-Produkte mehr. Ich habe als Verbraucher aber auch Verständnis dafür, dass die Supermärkte so reagieren. Jeder leidet ja unter der Inflation, die die Lebensmittel unheimlich verteuert haben. Neue Preiserhöhungen wären da schädlich. Daher ist es auch im Interesse der Verbraucher, dass die Händler sich von den Herstellern der Markenprodukte nicht die Konditionen diktieren lassen, sondern einschreiten, wenn diese in den Preiserhöhungen überziehen.

Diesmal liegt das an den Machtkämpfen, die es zwischen Händlern und den Herstellern gibt
Florian Stahl

Sie geben also Coca-Cola & Co die Hauptschuld daran, dass die Menschen wieder wie in der Pandemie vor leeren Regalen stehen?

Stahl: Ja schon. Während Corona waren die Regale wegen der Hamsterkäufe und den Lieferengpässen leer. Das ist jetzt ja anders. Diesmal liegt das an den Machtkämpfen, die es zwischen Händlern und den Herstellern gibt. Es sind vor allem die Markenartikler, die mit ihrer aggressiven Preispolitik ihre Margen behalten oder sogar steigern wollen. Dabei wissen diese, dass die mittelständischen Händler viel stärker unter den gestiegenen Energiepreisen leiden. Die großen internationalen Konzerne könnten diese Kosten dagegen leichter verkraften.

Die Supermärkte haben bei ihrem Kampf aber nicht nur das Wohl der Verbraucher im Sinn, oder?

Stahl: Natürlich machen sie das nicht nur für die Konsumenten, sie denken auch an ihren eigenen Gewinn, das sind ja keine Wohltätigkeitsvereine. Aber das ist nicht der entscheidende Grund. Die Supermärkte fürchten, dass die Konsumenten zu den Discountern oder sogar ins Internet ausweichen, wenn ausgerechnet die Schlüsselprodukte, die die Leute in den Laden bringen, teurer werden. Klar ist aber auch, dass die Supermärkte nicht alles rausschmeißen können, was ihnen zu teuer erscheint. Sie unterscheiden da zwischen den A- und B-Marken. Bei Coca-Cola war es so, dass der US-Konzern die Lieferungen einstellte, nachdem Edeka sich geweigert hatte, die neuen Konditionen zu akzeptieren. Offensichtlich saß Coca-Cola am längeren Hebel.

Zur Person: Florian Stahl



  • Florian Stahl wurde am 30. Dezember 1974 in Esslingen (Baden-Württemberg) geboren.
  • Der Betriebswirt ist seit 2013 Professor für quantitatives Marketing und Consumer Analytics an der Universität Mannheim und seit Januar 2019 Co-Direktor des Mannheim Center for Data Science. 

 

Wenn es aber Sheba und Meister Proper nicht mehr im Supermarkt gibt, kann ich doch gleich zu den Discountern gehen. Lidl und Aldi haben ja auch Markenprodukte.

Stahl: Das Angebot ist dort aber kleiner. Und außerdem befinden sich auch die Discounter im Preiskampf mit den Herstellern. Danone gehört zum Beispiel dazu. Die Supermärkte hoffen auch, dass sie sich am Ende doch mit den Herstellern einigen können und die Kundinnen und Kunden für die Übergangszeit bei der Stange bleiben.

Wer sitzt am längeren Hebel? In der Automobilbranche heißt es ja oft, dass die Pkw-Bauer die Zulieferer knebeln und die Preise diktieren. Wie läuft das im Lebensmittelbereich ab?

Stahl: Definitiv anders. Die Märkte haben oft eine bessere Verhandlungsmacht oder sind zumindest auf Augenhöhe mit den Herstellern. Aber es gibt auch Ausnahmen. Und da sind wir wieder bei Coca-Cola. Das ist eben eine besonders wichtige Marke, auf die Edeka nicht einfach verzichten kann.

Es gibt auch ein Kartellverfahren gegen Coca-Cola. Der Vorwurf lautet, dass der Getränkehersteller mit Rabattaktionen die Konkurrenz verdrängt haben soll. Kommt so etwas öfter vor?

Stahl: Verfahren wie dieses sind eher selten, das heißt aber noch lange nicht, dass es solche Manöver in der Praxis nicht gibt. Im Handel sind jedenfalls Rabatte nicht unüblich, damit ein Hersteller exklusiv einen Platz im Regal bekommt. Die Supermärkte wollen so ihre Margen erhöhen. Manchmal verlangen sie sogar, dass der Hersteller sich an den Werbekosten beteiligt, wenn er eine prominentere Position im Laden bekommen will und damit auch mehr Umsatz erzielen kann. Es gibt dazu auch wissenschaftliche Studien.

Der Vorwurf des Bundeskartellamts lautet ja, dass Coca-Cola mit seinen Vorzugskonditionen andere Anbieter in ihren wettbewerblichen Möglichkeiten behindert hat, das ist doch ein schwerwiegender Vorwurf.

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Stahl: Ja, aber so einfach lässt sich das nicht beweisen. Deshalb muss man mal das Ende des Verfahrens abwarten. Aber zurück zu Ihrer Ursprungsfrage: Prinzipiell hängt die Verhandlungsposition der Supermärkte immer von der Stärke der jeweiligen Marke ab. Es gibt deshalb auch Segmente, in denen der Hersteller selbst Rabatte verlangt. Es geht da also in beide Richtungen. Die iPhone-Preise im Telekomladen werden ja auch von Apple mitdiktiert, um mal ein Beispiel zu nennen, das jetzt nichts mit der Lebensmittelbranche zu tun hat.

Der Anteil der Eigenmarken und auch deren Umsatz hat sich im vergangenen Jahr stark erhöht. Ist das für die Supermärkte nicht gefährlich, weil die Markenprodukte sie doch erst attraktiv machen.

Stahl: Die Discounter nehmen ja auch Markenprodukte aus dem Regal. Da gab es zum Beispiel viel Ärger mit Haribo und Mars. Für die Discounter ist das auch eine gefährliche Sache. Supermärkte wie jene von Edeka und Rewe haben aber noch immer den Vorteil, dass sie in einem Laden Produkte verschiedener Qualität anbieten. Sie können teures oder billiges Reinigungsmittel kaufen. Und Sie als Kunde können den teuren Käse und das billige Toilettenpapier zusammen im Supermarkt kaufen. Diese Auswahlmöglichkeiten haben Sie bei Lidl und Aldi dagegen nicht.

Wer hat denn eine höhere Marge im Handel?

Stahl: Auf das einzelne Produkt bezogen sind das die Supermärkte, die pro Einheit einfach mehr verdienen. Andererseits machen die Discounter in der Regel mit einem kleineren Sortiment vergleichsweise höhere Umsätze und Gewinn pro Quadratmeter Verkaufsfläche.

In der Pandemie haben die Supermärkte und die Discounter unheimlich viel Geld verdient. Jetzt sitzt der Euro nicht mehr so locker.

Stahl: Davon profitieren vor allem die Discounter. Die Supermärkte müssen aber nicht nur diese Konkurrenz fürchten. Der Online-Handel zieht daraus auch seinen Nutzen. Billiges Katzenfutter gibt es nicht nur beim Aldi, man kann ja sogar ein Abo im Internet abschließen.

Das ist aber jetzt ein Scherz?

Stahl: Nein, das weiß ich aus meinem privaten Umfeld, da gibt es einige, die Katzen- oder Hundefutter nur noch online bei Amazon oder Fressnapf kaufen. Meine Mutter, die nächstes Jahr 80 wird, hat das jahrelang gemacht. Jetzt ist ihr Hund leider gestorben. Und noch mal zurück zu unserem Ausgangspunkt: Der Kunde mag keine leeren Regale. Wenn das zur Regel wird, wandert er ins Internet ab. Und das schadet dem stationären Handel.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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