Saal 4 am Mannheimer Arbeitsgericht platzt fast aus allen Nähten. Es geht um die jüngste Aufsichtsratswahl beim Softwarekonzern SAP. Zwei Anträge sind eingegangen, mit denen die Abstimmung angefochten wird (Az.: 8 BV 7/24 und 8 BV 8/24). Nun hat ein erster Gütetermin stattgefunden. Folgend die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
Wieso wird die Aufsichtsratswahl angefochten?
Konkret betrifft es die direkte Wahl von Arbeitnehmervertretern in den SAP-Aufsichtsrat im März. In den Anträgen vor dem Arbeitsgericht werden Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und das Wahlverfahren behauptet. Eingereicht wurden die Anträge von SAP-Beschäftigten, die teilweise Mitglieder des Betriebsrats sind. Manche der Antragsteller standen selbst auf der Wahlliste - erhielten nach Informationen dieser Redaktion allerdings nur Stimmen im einstelligen Prozentbereich.
Welche konkreten Vorwürfe gibt es?
Erstes Beispiel: Ein Kandidat soll angeboten haben, man könne die Wahlumschläge bei ihm abgeben, und er überbringe sie dem Wahlbüro. „Das hat massiv zu Irritationen geführt“, sagt eine Anwältin der Antragsteller. Für sie verursache es ein „Störgefühl“, wenn jemand, der selbst zur Wahl stehe, Wahlumschläge entgegennehme. Konkrete Anhaltspunkte für mögliche Manipulationen habe die Anwältin allerdings keine. Zweites Beispiel: SAP soll gegen das Neutralitätsgebot verstoßen haben, weil es einer Kandidatin ermöglicht worden sei, für Wahlwerbung auf einen größeren E-Mail-Verteiler zuzugreifen als andere Kandidatinnen und Kandidaten. Zudem soll sie so drei „Videointerview-Sessions“ verbreitet haben.
Was ist beim Gütetermin am Donnerstag vor dem Arbeitsgericht passiert?
Richter Ralf Büschler hat früh klar gemacht, dass es bei dem Gütetermin weniger um eine Einigung zwischen den Parteien gehe, denn diese sei im vorliegenden Fall schwierig. Vielmehr gehe es darum, „dass sich alle mal sehen“, über die Sache austauschen und Formalien klären. Nicht anders ist es bei dem Parallelverfahren am 4. Juni zu erwarten.
Wie geht es mit der juristischen Aufarbeitung weiter?
Büschler will sich die beiden Anträge im Herbst vornehmen - an zwei Kammerterminen, die an einem Tag stattfinden sollen. Angepeilt wird der 8. Oktober, 100-prozentig sicher ist das aber noch nicht. Die Angelegenheit könnte sich über Monate hinziehen - dabei gibt es viele Details zu klären.
Hat das alles eigentlich Folgen für den amtierenden Aufsichtsrat von SAP?
Zumindest momentan nicht. Erst wenn die Anträge bei den Kammerverfahren im Herbst Erfolg hätten, müsste die Abstimmung für ungültig erklärt und wiederholt werden.
Und was sagt SAP dazu?
Ein Konzernsprecher äußert sich mit Verweis auf die laufenden Verfahren nicht. Die SAP-Anwältin hat vor dem Arbeitsgericht hervorgehoben, es habe bei der Wahl keine Verstöße mit Kausalzusammenhang gegeben. Mit anderen Worten: Die Ergebnisse seien nicht durch gravierende Fehler verfälscht worden.
Wer wurde im März direkt in den Aufsichtsrat gewählt?
Die Belegschaft hatte Eberhard Schick, Betriebsratsvorsitzender der SAP SE, sowie Nina Strassner, Personalerin und Arbeitsrechtlerin, in den Aufsichtsrat gewählt - mit jeweils rund zwölf Prozent der Stimmen. Wiedergewählt wurden Lars Lamadé (13,7 Prozent), der das weltweite Sponsoring bei SAP betreut und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist - und zudem Margret Klein-Magar als Vertreterin der Leitenden Angestellten. Für alle Personen wurde zudem ein Ersatzmitglied gewählt.
Was macht das Gremium so besonders?
Plätze in dem 18-köpfigen Aufsichtsrat sind begehrt, denn Mitglieder können über die Strategie des Unternehmens mitentscheiden und darüber, wie der Vorstand besetzt wird. Auch die Bezahlung ist attraktiv: Laut SAP-Geschäftsbericht haben einfache Aufsichtsratsmitglieder im Jahr 2023 größtenteils zwischen 200 000 und 300 000 Euro erhalten. Neuer Vorsitzender des Aufsichtsrats ist der finnische Ex-Nokia-Präsident Pekka Ala-Pietilä. Er hat vor Kurzem SAP-Urgestein Hasso Plattner abgelöst.
Haben SAP-Aufsichtsratswahlen schon einmal die Gerichte beschäftigt?
Ja. Man denke nur an den spektakulären Fall vor dem Heidelberger Landgericht um die Wahlen 2012. Dabei war es um 500 000 Euro gegangen, die ein früherer SAP-Mitarbeiter von einem später abberufenen Konzernbetriebsratsvorsitzenden gefordert hatte. Er begründete das damit, die Summe sei vertraglich vereinbart gewesen, wenn er dem Betriebsrat bei der Wahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat helfe. Das Landgericht wies die Klage im Mai 2021 als sittenwidrig zurück. Ein solcher Vertrag verstoße gegen ein gesetzliches Verbot im Rahmen des Mitbestimmungsgesetzes zur Beeinflussung von Aufsichtsratswahlen.
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