Mannheim. Gegen Ende der Beweisaufnahme ist es üblich, dass ein Gericht eventuelle Vorstrafen samt Begründungen aus Urteilen vorliest. Dazu benötigt eine Große Mannheimer Wirtschaftsstrafkammer in dem Prozess um Vorwürfe wegen Einschleusens illegaler Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern wie Usbekistan und Kasachstan rund eine Stunde – obwohl die einzige Frau auf der Anklagebank im Gegensatz zu den drei in U-Haft sitzenden Männern gar keinen Eintrag im Bundeszentralregister hat.
Bei zwei aus Algerien stammenden und in Deutschland lebenden Brüdern, die jeweils die Ausweise bei Fälschern in der Türkei beschafft haben sollen, ist in einem Fall die Vorstrafen-Latte besonders umfänglich und reicht von Drogen über Diebstahl bis zu Supermarktüberfällen.
Der 39-jährige Mannheimer Geschäftsmann und Hauptangeklagte ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Er wurde unter anderem wegen verschleppter Insolvenz einer seiner Immobilienfirmen verurteilt. Zu einem weiteren Strafbefehl hatte Fahrlässigkeit bei Schutzvorkehrungen in Zusammenhang mit einer Dach-Baustelle beim Montieren von Solaranlagen geführt: Ein nicht angegurteter Mitarbeiter war in die Tiefe gestürzt und hatte sich mehrere Brüche zugezogen.
In dem Prozess vor dem Mannheimer Landgericht zeigt sich der einst erfolgreiche Unternehmer nicht nur geständig, sondern auch reuig. Die Vorsitzende Richterin Christiane Loos verliest einen Brief, den ihr der Hauptangeklagte als „Vater, Sohn und Ehemann“ geschickt hat. Darin schildert er, wie ihn die ungewisse Zukunft seiner Familie, auch der (gesondert verfolgten) Eltern umtreibt – zumal sein Vermögen fürs Erste eingefroren worden ist.
In dem Prozess geht es auch um viel Geld – wovon kündet, dass eine Anwältin jene Unternehmen des 39-Jährigen vertritt, die als sogenannte Einzugsbeteiligte gelten und deshalb nach einer Verurteilung illegale Gewinne, beispielsweise durch Schwarzlöhne ohne Sozialversicherungsabgaben, abgeschöpft werden könnten.
Lohn für zwei Monate angeblich nicht bezahlt
Ein zweites Mal hat das Gericht jenen Bereichsleiter eines Unternehmens für Betonfertigteile geladen, das regelmäßig Leiharbeitskräfte des Mannheimers eingesetzt hat. Weil der Zeuge diesmal mit einem Rechtsbeistand erscheint und Fragen, die ihn eventuell selbst belasten, nicht beantworten muss, bleibt die Anhörung eher nichtssagend. Im Raum steht, dass von dem Angeklagten vorab digital übermittelte (gefälschte) Papiere seiner Leute auf der Baustelle nicht mehr kontrolliert wurden.
In der Verhandlung ploppt die Anzeige eines ausländischen Mannes auf, der den angeklagten Personalverleiher beschuldigt, den Lohn für zwei Monate geleistete Arbeit nicht gezahlt und ihn außerdem aus der Unterkunft geworfen zu haben. Bevor das Verfahren in die Plädoyers mündet, will die Kammer noch einen rechtlichen Hinweis zu dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme geben.
Einschleusen von Arbeitskräften beschäftigt das Landgericht immer wieder. Bei einem Prozess, der am 20. August beginnt, wird einem der drei Angeklagten neben mannigfachem Betrug zur Last gelegt, via einer Transport-GmbH mit Sitz in Mannheim 45 Personen illegal von Rumänien hierher gebracht zu haben.
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