Prozess

Am Mannheimer Landgericht wird um russische Auto-Webseiten gestritten

Haben zwei Angeklagte verbotenerweise Luxuskarossen nach Russland verkauft? Mit dieser Frage befasst sich das Landgericht Mannheim. Die Verteidigung geht die Ermittler des Zolls an.

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Waltraud Kirsch-Mayer
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Zwei Männer sollen in 94 Fällen Luxusautos verschiedener Hersteller unter Umgehung eines Embargos nach Russland verkauft haben (Symbolbild). © picture alliance/dpa

Mannheim. Haben die zwei angeklagten Männer in 94 Fällen hochpreisige Nobelautos wie Maserati oder Mercedes über Umwege, beispielsweise Drittländer, nach Russland zum Verkauf geliefert – jeweils am Embargo vorbei? Höchst strittig wird dieser Vorwurf in einem Mitte September vor einer Großen Wirtschaftsstrafkammer des Mannheimer Landgerichts angelaufenen Prozess verhandelt.

Der 42-jährige Geschäftsführer von zwei in einer baden-württembergischen Kreisstadt ansässigen Unternehmen und ein zwei Jahre älterer Verkaufsmitarbeiter sitzen auf der Anklagebank und in U-Haft. Außer zu ihren spät und zufällig gekreuzten Lebenswegen mit Kindheit in Kasachstan beziehungsweise Nowosibirsk haben sich die beiden Familienväter bislang nicht selbst geäußert. Dies überlassen sie ihrer Verteidigung. Und die lässt keinen Zweifel daran, dass sie bei den Ermittlungen des Zolls Lücken wie Fehler sieht.

Zeuge erscheint im Prozess vor dem Mannheimer Landgericht überraschend ohne Unterlagen

Als Konfliktstoff erweisen sich russische Webseiten. Und zwar solche, die damit werben, über Daten staatlicher Dienstellen, auch der Verkehrspolizei, zu verfügen und anhand der Identifizierungsnummer eines Kraftfahrzeugs, kurz FIN, die jeweilige Fahrzeughistorie mit Fotos, Kennzeichen, außerdem mit Informationen über Unfälle und Werkstattbesuche aufzeigen zu können. Solcherart Seiten, die der Zoll für Ermittlungen genutzt hat, hält die Verteidigung für nicht seriös – auch weil es unwahrscheinlich sei, dass russische Behörden Einblicke in Datenbanken gewähren.

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Waltraud Kirsch-Mayer
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Eigentlich will das Gericht vor der Herbst-Verhandlungspause mit einem Ermittler vom Hauptzollamt Stuttgart Fallakten zur Anklage durchgehen. Weil aber der Zeuge überraschenderweise ohne Unterlagen erscheint, beschließt die Kammervorsitzende, dass erst einmal „allgemein“ über Recherchen gesprochen wird. Was auch für die geladene Zollbeamtin gilt. Immer wieder taucht „ATLAS“ auf – was für „Automatisiertes Tarif- und Lokales Zoll-Abwicklungssystem“ steht, ein IT-System zum Abwickeln und Überwachen von grenzüberschreitendem Warenverkehr.

Anwältin will im Prozess vor dem Mannheimer Landgericht Zeugen aus Kirgistan und Dubai vernehmen lassen

Zur Sprache kommt, dass eine 2022 eingegangene Geldwäsche-Verdachtsmeldung die Ermittlungen in Gang setzte. Als Recherchemöglichkeiten, so ist zu hören, dienten nicht allein russische Webseiten, die jeweils ein Zoll-Kollege als Muttersprachler übersetzt hat. Verwertet worden seien obendrein Erkenntnisse der Steuerfahndung und überwachte Telefongespräche. Außerdem habe es bis Juni 2024 in Moskau einen (inzwischen abgezogenen) Kontaktbeauftragten des Zolls gegeben.

Die Verteidigung moniert, dass Ermittler es unterließen, die mit den Angeklagten im Ausland kooperierende Autohändler zu befragen. Die Anwältin des Geschäftsführers fordert, dies audiovisuell nachzuholen – mittels Videoschaltungen in Kirgistan wie auch Dubai. Es gehe darum, zu belegen, dass bei Pkw-Verkäufen in Staaten jenseits der EU der russische Markt ausgeschlossen gewesen sei. Die Rechtsbeistände der beiden Unternehmen stellen ebenfalls Anträge zur Beweiserhebung: Bei einer Verurteilung des Geschäftsführers könnten hohe Summen als Wertersatz angeordnet werden. In dem Prozess geht es neben möglichen Strafen auch um viel Geld.

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