Walldorf. Frischgebackene Väter bei SAP bekommen künftig ab der Geburt des Kindes sechs Wochen Sonderurlaub – mit vollem Lohnanspruch. So sollen sie von Anfang an mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und die Familie unterstützen. „Wir wollen damit zeigen, dass die Geburt des Kindes nicht nur die Mütter etwas angeht, und dass Familienfreundlichkeit, Vereinbarkeit und Karriere keine Widersprüche sein müssen“, sagt Cawa Younosi, Personalchef von SAP Deutschland.
Das Angebot heißt „Partnerzeit*“ und gilt ab 1. Januar für alle Beschäftigten in Deutschland. Es ist nicht nur auf biologische Väter beschränkt, sondern für alle Partner, deswegen ein *. Bei Adoption zählt der Tag der Adoption als „Geburtsdatum“, ab dem die sechs Wochen genommen werden können.
Erste Reaktionen „überschwänglich“
Erste Reaktionen von Führungskräften bei SAP sollen „überschwänglich“ gewesen sein, berichtet Younosi. Am Donnerstagmorgen sind die Beschäftigten per E-Mail über das Angebot informiert worden. Darin heißt es: „Eine faire Aufteilung der Care-Arbeit (Betreuungsarbeit) ist entscheidend, um sicherzustellen, dass beide Partner gleiche Chancen haben, ihre beruflichen Ziele zu verfolgen und ihre persönlichen Interessen zu verwirklichen.“ Beantragt werden kann die „Partnerzeit*“ informell per Mail ohne lästigen Papierkrieg.
„Partnerzeit*“ kostet SAP nach Angaben von Younosi mehrere Millionen Euro. Der Softwarekonzern erhofft sich davon, weiter an Attraktivität bei Fachkräften zu gewinnen, die auf dem IT-Markt hart umkämpft sind.
Arbeitende Väter müssen sich in Deutschland voll und ganz auf das Wohlwollen der Unternehmen verlassen – denn sie haben bis dato keinen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub bei Geburt eines Kindes. Einer Umfrage zufolge ist es vielerorts Usus, keinen Sonderurlaub zu bekommen – nämlich in 44 Prozent der befragten Unternehmen, berichtet das Institut für Demoskopie Allensbach. Demnach gewähren 26 Prozent einen Tag, bei weiteren 26 Prozent sind es zwei Tage. Bei lediglich vier Prozent seien es mehr als zwei Tage.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) macht sich deshalb für eine sogenannte Familienstartzeit stark – also eine zweiwöchige bezahlte Auszeit für Partnerinnen und Partner nach der Geburt eines Kindes. „Wir wollen damit dem Partner oder der Partnerin Zeit geben, sich um die junge Mutter zu kümmern und sie bei der Regeneration zu unterstützen“, sagt Paus.
Gesetzentwurf wird derzeit beraten
Der Gesetzentwurf wird derzeit innerhalb der Bundesregierung beraten. Für SAP ist er Anlass gewesen, die „Partnerzeit*“ ins Leben zu rufen. Selbst wenn Paus mit ihrem Vorhaben scheitert, will der Softwarekonzern an seinem Angebot festhalten. Bemerkbar macht sich das allerdings finanziell: Wird Paus’ „Familienstartzeit“ eingeführt, kommt der Staat über die Sozialversicherung in den ersten zwei Wochen für die Kosten auf. SAP zahlt vier Wochen aus eigener Tasche. Kommt das Gesetz nicht, zahlt der Konzern die vollen sechs Wochen selbst.
Younosi rechnet damit, dass nächstes Jahr 700 bis 800 Väter in Deutschland „Partnerzeit*“ nutzen werden. Natürlich bleibt dadurch Arbeit liegen; doch der Personalchef ist zuversichtlich, dass diese Arbeit mit den vorhandenen Kapazitäten aufgefangen werden kann.
Auch der Betriebsratsvorsitzende der SAP SE, Eberhard Schick, begrüßt das Programm. „Ich hätte mich bei der Geburt meiner Kinder sehr über die freie Zeit und die Unterstützung durch SAP gefreut", erklärt er. "Dadurch werden die Väter von Anfang an in die Familienabläufe eingebunden und vielleicht motiviert, selbst länger in Elternzeit zu gehen und so den Müttern einen früheren und besseren Wieder-Einstieg ins Berufsleben zu ermöglichen.“
SAP war nach eigenen Angaben der erste Dax-Konzern, der schon vor Jahren die „Väterzeit“ eingeführt hatte. Im vergangenen Jahr hätten fast 90 Prozent der Väter diese Möglichkeit genutzt, um ihre Arbeitszeit bei SAP um 20 Prozent zu reduzieren – bei vollem Lohnausgleich. Das Programm „Partnerzeit*“ löst die „Väterzeit“ ab.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/wirtschaft/firmen_artikel,-sap-sechs-wochen-sonderurlaub-fuer-frischgebackene-vaeter-bei-sap-_arid,2125395.html