Kunst

Weinheimer Richterin mit einem Faible für Farben

Die Weinheimer Amtsgerichtsdirektorin Eva Lösche ist auch eine gefragte Künstlerin – mit Ausstellungen im In- und Ausland.

Von 
Gabriel Schwab
Lesedauer: 
Vieles hat sich in den zwei Jahren seit dem künstlerischen Debüt bei Eva Lösche verändert. Eines bleibt jedoch: die farbliche Dominanz von Rot, Gelb und Blau. © Roger Schäfer

Weinheim. Heute wünschte sich Eva Lösche, sie hätte den Schritt schon früher gewagt: Vor zwei Jahren traf die 59-Jährige die Entscheidung, mit ihrer Kunst an die Öffentlichkeit zu gehen. Keine leichte, bedenkt man, dass sie sich als Strafrichterin wenig Freunde macht. Doch dann ging es Schlag auf Schlag. Mittlerweile hat sie einen Galeristenvertrag und ist Mitherausgeberin eines Kunstmagazins. Vor Kurzem stellte sie in London aus – bald eröffnet Lösche ein eigenes Atelier in der Weinheimer Bahnhofstraße.

Anerkennung ist für Eva Lösche künstlerischer Katalysator

Die rasanten Entwicklungen sind auch Katalysator für ihr künstlerisches Schaffen. „Die ganze Anerkennung macht mutiger. Ich traue mich, viel mehr Neues auszuprobieren – und dabei auch mal ein Bild zu verhunzen“, sagt Eva Lösche und lacht. Selbst bei einem Rückschlag bleibt sie experimentierfreudig: Wo andere einen Baumarkt sehen, sieht die 59-Jährige einen Laden für Kunstbedarf. Spachtel, Gummilippen und Plexiglas verwandeln sich bei ihren abstrakten Gemälden vom Werkzeug zum Malutensil. Seit Neuestem setzt sie auch Schwämme ein, aus denen Lösche Löcher schneidet, um sie als Stempel einzusetzen. Der Einbau von LED-Lampen stellt sich wiederum als Fehlexperiment heraus. Dafür ist als Nächstes geplant, quadratischen Kupferdraht in ihre Werke einzubauen.

Im Sommer stellte Eva Lösche bei der Parallax Art Fair in der Town Hall in Chelsea aus. Diese Werke lassen sich grob in zwei Kategorien einordnen – die abstrakten und die konkreten Gemälde. Diese Trennlinie verschwimmt jedoch bisweilen. In die ungegenständlichen Bilder schleicht sich dann etwa die Andeutung einer Landschaft. „Das heißt nicht, dass ich es absichtlich so male. Sie mogelt sich einfach so hinein“, sagt die Künstlerin. Ebenfalls neu: Die Autodidaktin geht erste Schritte in der Skulpturkunst. Bislang als zweidimensionale humanoide Wesen in ihren Gemälden, gibt es die erste Figur aus der Reihe „People“ nun zum Anfassen (natürlich bitte nicht anfassen; Anm. d. Red.).

Eva Lösches Kunst von Synästhesie-Wahrnehmung geprägt

Nur farblich ist keine Neuerweckung zu erwarten. Rot, Gelb und Blau bleiben die dominanten Farben in Eva Lösches Welt. Sie kann nicht anders: „Die Farben sind ein Ausdruck meines Innenlebens.“ Die Künstlerin nimmt ihre Umwelt und Gefühle seit jeher stark über sie wahr. Erst mit Anfang 20 entdeckte sie, dass dies an Synästhesie liegt – einer besonderen Wahrnehmung, bei der verschiedene Sinne miteinander verknüpft sind. Bei Menschen mit Synästhesie wird beim Sehen beispielsweise der Geschmackssinn aktiv (Farben bekommen einen Geschmack) oder beim Hören der Tastsinn (Musiknoten bekommen eine Beschaffenheit). In Lösches Fall haben Zahlen und Buchstaben feste Farbzuschreibungen. So wird etwa Rot mit der Zahl 5 oder dem Buchstaben E verbunden, Blau mit A und 4, Gelb mit 3 oder anderen Buchstaben, je nach Farbton. Dadurch erinnert sie sich leicht an Zahlenfolgen oder Wörter, die für sie wie Farbpaletten erscheinen. Diese besondere Wahrnehmung prägt auch ihre künstlerische Arbeit.

Schaut Lösche auf die schnelllebige Entwicklung der vergangenen Jahre zurück, kann sie nur festhalten: „Es hat sich immer eins aus dem anderen ergeben.“ Auf ihrer ersten Ausstellung in Wald-Michelbach entsteht die Verbindung zum Kunstförderverein. Dort knüpft sie nicht nur „unheimlich viele“ Kontakte, sondern stellt bald auch selbst bei der ersten Auflage des Erfolgsformats „Offene Ateliers“ aus. Einer der 1.200 Besucher, die an diesem Wochenende das in eine Kulturstätte verwandelte Amtsgericht besuchen, ist der Referent der Ludwigshafener Kulturbürgermeisterin. Roger Schäfers Schwarz-Weiß-Aufnahmen neben den knalligen Gemälden Eva Lösches – das ist ein Kontrast, den der Referent nur zu gerne im Kulturzentrum „dasHaus“ sehen will. Und im November auch sehen wird – bei einer gemeinsamen Ausstellung von Oggersheimerin Eva Lösche und Fotograf Roger Schäfer, der einige seiner Aufnahmen in „LU“ geknipst hat. Eins führt immer zum anderen.

Im Sommer stellte Eva Lösche bei der Parallax Art Fair in der Town Hall in Chelsea aus. © Privat

Ist Lösches Karriere bis hierhin ein Blitzstart, kommt mit den sozialen Medien der Turbo. „Meine Söhne meinten zu mir: ,Mama, du musst auf Instagram – das gehört einfach dazu.‘ Also habe ich angefangen zu posten. Mehr schlecht als recht“, sagt die 59-Jährige und lacht. Aber erfolgreich: Anfragen flattern bald herein. Unter ihnen eine der Galerie HermyM mit Standorten in Bremerhaven und Iserlohn. Ob man nicht zusammenarbeiten wolle? „Ich habe dann wie wild ermittelt, ob das seriös ist. Es gibt ja auch solche Eitelkeitsgalerien, bei denen man viel Geld bezahlen muss, um ausstellen zu dürfen.“ Aber nein: Eva Lösche stellt nicht nur bald darauf in der Galerie HermyM aus. Mit Hermann Eskorbier-Modersitzki gerät sie auch an eine hochkarätige Galeristenvertretung.

Der Bremerhavener glänzt mit einer beeindruckenden Liste an internationalen Ausstellungen – darunter Tokio, New York und Monaco. Über Eskorbier-Modersitzki entsteht auch der Kontakt nach London. Er vermittelt die 59-Jährige an die Parallax Art Fair. Dort bewirbt sich Eva Lösche mit ihrer Künstlerbiografie und Aufnahmen ihrer Gemälde – und erhält eine Zusage. Kurz darauf findet sie sich im Linksverkehr mit einem Auto voller Gemälde wieder, mit dem sie zur Chelsea Town Hall fährt.

Und wie immer erweitert sie bei den vielen anregenden Gesprächen ihr Netzwerk. Unter anderem knüpft sie Kontakt zu einem britischen Maler und einer Schweizer Bildhauerin, die beide Interesse bekundet haben, in Weinheim auszustellen. Und nur eine Woche nach London stellt auch die Richterin in Weinheim aus – diesmal bei den zweiten Offenen Ateliers des Kunstfördervereins, die wieder zum Erfolg werden.

Richterin und Künstlerin: Zwischen Beruf und Berufung

Aufstrebende Künstlerin auf der einen Seite, Amtsgerichtsdirektorin auf der anderen. Wie bekommt die 59-Jährige das eigentlich alles unter einen Hut? Vor zwei Jahren sagt sie noch: „Mein Job ist meine Berufung und das Malen meine Leidenschaft.“ Das habe sich heute etwas geändert. Natürlich sei sie auf der Arbeit hundertprozentig bei der Sache. „Ich habe den Beruf ja nicht umsonst gewählt“, sagt Lösche. De facto hat sie ihre Tätigkeit als Richterin jedoch stark reduziert. Ihr hauptberufliches Schaffen fokussiert sich demnach auf die Leitung der Behörde und die Verwaltungsarbeit.

Und wenn die Richterin heute von fremden Menschen nach ihrem Beruf gefragt wird, kann es passieren, dass sie antwortet: „Freischaffende Künstlerin!“

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke