Jubiläen - 125 Jahre Nebenbahn nach Heidelberg und 100 Jahre OEG-Elektrifizierung

Vom "Feurigen Elias" bis hin zur "Elektrisch"

Von 
Heinz Keller
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Der "Feurige Elias" auf seinem Weg von Heidelberg in Richtung Weinheim. Die Nebenbahnstrecke wurde 1890 in Betrieb genommen, also vor 125 Jahren.

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Weinheim. Zwei lange zurückliegende Ereignisse bescheren der OEG, Weinheim und den Gemeinden im Verkehrsdreieck Mannheim-Weinheim-Heidelberg im neuen Jahr zwei Erinnerungstage: am 4. Oktober 1890 wurde die eingleisige Nebenbahnstrecke von Weinheim nach Heidelberg in Betrieb genommen, am 2. September 1915 die neue zweigleisige OEG-Trasse von Mannheim nach Weinheim erstmals mit elektrischen Triebwagen befahren. Der "Feurige Elias" feiert also 2015 seinen 125. Geburtstag, die Elektrifizierung der OEG liegt 100 Jahre zurück. Sie schenkte Weinheim "die Elektrisch".

Von Mannheim abgehängt

Mit dem Bau der Main-Neckar-Eisenbahn in den Jahren 1844 bis 1846 war Weinheim schon früh ans deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen worden. Aber die neue Bahnlinie endete in Friedrichsfeld und das brachte Weinheim um direkte Verbindungen nach Mannheim und Heidelberg. Deshalb stand die Stadt in den 1870er-Jahren an der Spitze der Gemeinden, die sich für den Bau einer Bahnlinie von Mannheim über Viernheim nach Weinheim einsetzten.

Die Linie sollte sogar nach Fürth und Reinheim im Odenwald weitergeführt werden. Diese Pläne fanden zwar das Interesse der Großherzoglichen Regierungen von Baden und Hessen, aber keine finanzielle Unterstützung. Deshalb blieb nur das wesentlich bescheidenere Ziel einer eingleisigen Nebenbahn von Mannheim nach Weinheim, das 1866 mit der Konzessionserteilung an ein privates Konsortium von Eisenbahnfachleuten und Banken erreicht wurde. Am 12. September 1887 wurde die eingleisige Dampfbahnstrecke Mannheim-Weinheim auf einer Spurbreite von 1000 mm als erste Schmalspurbahn Badens dem Verkehr übergeben.

1897 gründete der Berliner Eisenbahnpionier Louis Herrmann Bachstein, Initiator und Betreiber von über 60 Straßenbahn- und Eisenbahnstrecken in Deutschland, als Tochterunternehmen die Süddeutsche Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) mit Sitz in Darmstadt. In ihr gingen auch die Bahnen der Mannheim-Weinheim-Heidelberg-Mannheimer Eisenbahn (MWHME) auf: die Strecke Mannheim-Weinheim und die 1890 eröffnete Dampfbahnstrecke Weinheim-Heidelberg mit dem Heidelberger Bismarckplatz und dem Weinheimer "Secundärbahnhof", dem heutigen OEG-Bahnhof, als Endpunkten. 1911 ging die SEG in der Oberrheinischen Eisenbahngesellschaft (OEG) auf, deren Geburtshelfer auch die Stadt Weinheim ist.

Vorrangige OEG-Ziele waren der Aufbau eines publikumsnahen Straßenbahnnetzes und seine Elektrifizierung. Deshalb wurde auch in Weinheim die Streckenführung geändert. Mit der "Neue Überführung" genannten OEG-Brücke wurde die Main-Neckar-Bahn überführt. Am 1. Juli 1912 wurde die charakteristische Stahlbogenbrücke eingeweiht. Noch fuhren allerdings Dampfzüge auf dem Schienenpaar, das auf der noch weitgehend unbebauten, feldwegähnlichen Stahlbadstraße, der heutigen Mannheimer Straße, verlegt worden war, zur neuen Brücke.

Als erste Teilstrecke wurde 1915 die Strecke Käfertal-Viernheim-Weinheim elektrifiziert. Seitdem sprach man in Weinheim voller Stolz über "die Elektrisch" und ihre schlanken, weißen Waggons, aus denen nichts mehr rußte. Die Elektrifizierung des Schienendreiecks wurde 1929 auf der Strecke Mannheim-Heidelberg weitergeführt, doch dann dauerte es noch einmal 30 Jahre, ehe auch auf der Strecke Weinheim-Heidelberg der elektrische Betrieb eröffnet wurde. Am 1. September 1959 tat der "Feurige Elias" an der Bergstraße seinen letzten Schnaufer. Fast 70 Jahre lang waren die Kastendampflokomotiven ein Bild gewesen, das zur Bergstraße gehörte, von Eisenbahnfreunden begeistert fotografiert, von den Anwohnern der Strecke aber oft als "Dreckschleuder" und als "Ententöter" beschimpft.

"OEG: Oh ewiges Gewackel"

"De feirisch Elias" nannte man die stark rußende Lokomotive, wohl nach dem biblischen Propheten Elias, der in einem von feurigen Rossen gezogenen feurigen Wagen "im Wetter gen Himmel" gefahren sein soll. An den Anstiegen der Strecke kam der irdische Elias häufig ins Prusten, musste dann zurückrollen und einen neuen Anlauf nehmen, oft von Passagieren unterstützt. "Oh ewiges Gewackel" erklärten Spötter die Abkürzung OEG und meinten damit die unruhige Fahrt der Waggons, deren heimelige Wärme in den kalten Wintermonaten der ersten Nachkriegsjahre freilich sehr geschätzt wurde - wenn die Passagiere die Kanonenöfen mit mitgebrachten Briketts gut gefüttert hatten.

Für die Arbeitnehmer in den Bergstraßen-, vor allem aber in den Odenwaldgemeinden waren die neuen Bahnen ein Freund, der ihnen den Weg zur Arbeitsstelle erleichterte. Die Geschäftsleute sahen die "Bembel" mit Freuden, weil sie ihnen Kunden brachte. Nur die Bauern mochten die neuen Verkehrsmittel nicht. Sie wollten keine rußende Eisenbahn an ihren Feldern vorbeifahren lassen.

Und außerdem: "Wir halten jede engere Verbindung eines Dorfes, in welchem hauptsächlich Landwirtschaft betrieben wird, mit einer Großstadt für den völligen Ruin der Landwirtschaft", hieß es kurz nach der Eröffnung der Mannheim-Weinheim-Bahn in einem Schreiben an die großherzogliche Regierung. Man wisse, dass die Städter nur wegen der großen Portionen und der hausgemachten Würste an die Bergstraße kommen, und befürchte, "dass man durch den bloßen zeitweisen Verkehr mit der städtischen Bevölkerung oft eher verbildet und eingebildet, als gebildet werden kann".

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