Beachvolleyball

EM-Bronze: Ludwig und Lippmann machen einfach

Laura Ludwig holt mit ihrer neuen Partnerin Louisa Lippmann bei der Beachvolleyball-EM in Wien Bronze und schürt Olympia-Hoffnungen. Bei dem Duo müssen trotz der rasanten Entwicklung aber noch Feinheiten greifen

Von 
Felix Meininghaus
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Laura Ludwigs (links) will es mit Louisa Lippmann an ihrer Seite noch einmal wissen. © Eva Manhart/dpa

Wien. Der Urschrei war markerschütternd – und auf der gesamten Donauinsel zu hören: Er kam von Laura Ludwig, sie hatte nach dem Matchball im Achtelfinale der Beachvolleyball-Europameisterschaften in Wien gegen die deutschen WM-Dritten von 2022, Svenja Müller und Cinja Tillmann, das dringende Bedürfnis, der Welt ihren Triumph in größtmöglicher Lautstärke mitzuteilen. „Seht her”, sollte das heißen, „wir können es immer noch. Mit uns ist zu rechnen.” Danach lief sie zum Spielfeldrand, um zunächst ihren Trainer Imornefe „Morph“ Bowes, der gleichzeitig ihr Mann und Vater ihrer Kinder ist, in die Arme zu schließen und anschließend auch noch ihre Psychologin Anett Szigeti zu herzen.

Es waren große Gefühle, dabei sollte es doch eigentlich keiner sonderlichen Erwähnung bedürfen, ein simples K.o.-Spiel siegreich zu beenden, wenn man beim kontinentalen Gipfeltreffen bereits vier Mal als Gewinnerin reüssieren konnte und auch sonst alle Pokale und Medaillen abgeräumt hat, die es zu gewinnen gibt.

Eine Zeitfrage

Doch die Zeiten, in denen die Abwehrspezialistin zusammen mit ihrer kongenialen Partnerin Kira Walkenhorst das Weltniveau nach Belieben bestimmte und sich folgerichtig als Olympiasiegerin 2016 und Weltmeisterin 2017 feiern ließ, sind definitiv vorbei.

Sechs Jahre später lautet die Frage nicht mehr, ob Ludwig an der Seite ihrer neuen Partnerin Louisa Lippmann für Titel infrage kommt, sondern ob die Zeit reicht, das Duo so einzuspielen, dass die Qualifikation für die Olympischen Spiele im kommenden Sommer in Paris gelingt. Die Eindrücke von Wien geben Anlass zu nachhaltiger Zuversicht.

Vor allem das epische Halbfinale gegen die Schweizerinnen Nina Brunner und Tanja Hüberli zeigte, in welche Sphären der Weg führen kann. Ludwig/Lippmann boten den späteren Turniersiegerinnen über drei Sätze einen Kampf auf Weltklasseniveau, mussten jedoch am Ende in eine 1:2-Niederlage einwilligen.

Viel schwerer als das Verpassen des Endspiels wog jedoch die Erkenntnis, dass es den beiden Deutschen immer besser gelingt, der ehemaligen Hallenspielerin und viermaligen „Volleyballerin des Jahres”, Lippmann, die für den Sand nötigen Skills beizubringen. Im abschließenden Spiel um die Bronzemedaille gegen die Schweizerinnen Anouk Vergé-Dépré und Joana Mäder veredelten Ludwig/Lippmann durch einen Erfolg in drei Sätzen ein Turnier, in dem sie sich selbst offenbar am meisten überraschten. „Diese Bronzemedaille”, sagte Louisa Lippmann mit Tränen in den Augen, „fühlt sich wie eine goldene an”.

Schließlich befindet sich das Duo, das im vergangen Jahr zueinander fand, noch in der Aufbauphase, wie Trainer Bowes immer wieder betont. „Zeigen sie mir eine Spielerin auf der Welt, die wie Louisa nach sieben Turnieren schon so weit ist.”

Was der Schotte damit meint, liegt auf der Hand: Lippmann, die unter dem Hallendach hochdekoriert war, muss das Spiel auf neuem Untergrund quasi neu erlernen. Vor allem gilt das für das Element Annahme, von dem sie als Angriffsspezialistin bei der Konstellation sechs gegen sechs befreit war, weil ihre Kolleginnen den Job für sie erledigten.

Beim Spiel zwei gegen zwei auf Sand gibt es diesen Luxus nicht, was die Gegnerinnen natürlich wissen und die Umschülerin deshalb in schöner Regelmäßigkeit mit ihren Aufschlägen ins Visier nehmen. Wozu das führen kann, wurde während der EM bei der Vorrunden-Niederlage gegen die Niederländerinnen Raisa Schoon und Katja Stam offenbar, als Lippmann dem Druck bei windigen Verhältnissen nicht Stand hielt und die Annahme in Serie verbaggerte.

Rasante Entwicklung

Es war ein Einbruch, der für den weiteren Turnierverlauf Böses erahnen ließ. Umso mehr war Bowes davon angetan, dass sich sein Schützling in der Folge stabilisierte und die Dinge sehr viel zuverlässiger in den Griff bekam: „Louisa hatte unfassbar viel Druck, und dem hat sie standgehalten.”

Das galt ebenfalls für ihre Partnerin, obwohl sie ihre Klasse auf Sand schon unzählige Male nachgewiesen hat. Dass sie auch als zweifache Mutter mit 37 Jahren noch auf ihr Ausnahmekönnen vertrauen kann, zeigte Ludwig in Wien vor allem im zweiten Durchgang des Halbfinals, als sie den Sand wie ein Teenager durchpflügte und jeden Ball ausgrub.

Zusammen mit der ungeheuren Athletik von Lippmann, die sich vor allem im Block manifestiert, kann das durchaus zu neuen Höhenflügen führen, wenn irgendwann noch die Feinheiten greifen. Ludwig spricht angesichts der Eindrücke bei der EM vom „Quäntchen, das gefehlt hat, uns zu beweisen, dass wir das Richtige machen. Das musst du fühlen, das musst du spüren.” Ihre Partnerin registriert die „Weiterführung unseres Prozesses. Wir waren geduldig und haben unsere Fehler abgehakt.”

Die Vorstellungen beim kontinentalen Gipfeltreffen im Wiener Dauerregen beflügeln die Fantasie und geben den Experten recht, die an die Liaison einer begnadeten Sandartistin mit einer klassischen Hallenspielerin glauben. Auf die Frage, ob sie und ihre Partnerin in der österreichischen Hauptstadt gleich mehrere Evolutionsstufen übersprungen haben, hatte die elfmalige „Beachvolleyballerin des Jahres” eine typische Ludwig-Antwort parat: „Das Denken lassen wir weg. Wir machen einfach.”

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