Rio de Janeiro. Gefühlte 55 Grad in der „Huasteca Potosina“ sind für die Mönchsittiche einfach zu viel: Dutzende der grünen Papageien sind ebenso wie die ikonischen Tukane laut „El Universal“ in den letzten Tagen vom Himmel gefallen. Einige dehydriert, andere tot. Die Umweltorganisationen „Selva Teenek Ecopark“ und „UMA“ kümmern sich inzwischen um die Aufnahme der betroffenen Vögel und geben Tipps wie diese und andere Tiere vor den extremen Temperaturen in der zentralmexikanischen Region geschützt werden können. Sofern das überhaupt mit menschlicher Hilfe überhaupt möglich ist.
Rund 3500 Kilometer südlich in Costa Rica sorgten zuletzt ausbleibende Regenfälle dafür, dass die Stauseen immer leerer wurden. Weil das mittelamerikanische Land aber fast komplett auf erneuerbare Energien setzt, soll nun der Strom zum ersten Mal seit 2007 rationiert werden, wie lokale Medien berichten. Die zuständigen Behörden führen die dramatische Situation auf das Wetterphänomen „El Niño“ zurück, das seit Mitte 2023 ein Niederschlagsdefizit von 40 bis 70 Prozent verursacht habe.
In Lateinamerika sind die Folgen der Wetterphänomene „El Nino“ und „La Nina“ besonders ausgeprägt: Bei El Niño kehrt sich das normale Strömungssystem des Pazifiks um. Dadurch wird der Osten warm und feucht, der Westen trocken. Bei La Niña wird dagegen das normale Strömungssystem ins Extrem verstärkt – der Westen wird ungewöhnlich warm und feucht, der Osten ungewöhnlich trocken.
Mittelamerika erlebte zuletzt nicht nur Dürren: Verheerende Tropenstürme und Hurrikane sorgten in Honduras, El Salvador und Guatemala für verheerende Zerstörungen und Ernteausfälle. Und sind ein Motor für die Migration Richtung Norden. Neu sind solche Verhältnisse nicht, aber ihre Ausprägung und Häufigkeit werden immer auffälliger. Im Süden Südamerikas Uruguay schlugen die Behörden im letzten Jahr Alarm, weil die Trinkwasserreservoire für die Hauptstadt Montevideo wegen einer anhaltenden Dürre zu versiegen drohten. Wasserhähne röchelten bedrohlich, die Regierung mischte schließlich Wasser des Rio de la Plata dazu. Auf den letzten Drücker begann es zu regnen, Uruguays Metropole entging nur knapp einem Desaster.
Rekord-Niederschlagsmengen im Süden Brasiliens
Eine Katastrophe biblischen Ausmaßes erlebt nun der Süden Brasiliens. Allerdings in umgekehrter Form. Nach der Dürre kommt die Flut. Riesige in dieser Form historisch hohe Niederschlagsmengen ergossen sich in den letzten Tagen über den Bundesstaat Rio Grande do Sul. Die Millionenstadt Porto Alegre wird wegen über die Ufer getretene Flüsse wohl noch über einen Monat unter Wasser stehen. Die Schäden gehen in die Milliarden. Straßen existieren nicht mehr, Ernten sind zerstört, Flugzeuge in den Flughäfen stehen unter Wasser, im Fußball-Stadion wabert eine braune Masse. Erst langsam wird den Menschen klar, dass nichts mehr so sein wird, wie es einmal war.
In den Anden drohen wegen des Schneemangels Geisterdörfer
„Die Katastrophe ist auf das Zusammentreffen mehrerer Faktoren zurückzuführen“, sagt die brasilianische Geographin Karina Lima im Gespräch mit dieser Zeitung. „Das Wetterphänomen El Niño ist immer noch präsent und begünstigt mehr Regen in der Region. Und dann gab es einen Korridor, der Feuchtigkeit aus dem Amazonasgebiet brachte, sowie atmosphärische Blockaden aufgrund der warmen Luftmasse über dem Zentrum des Landes.“ Das alles führte zu extremen Regenmengen über dem Bundesstaat Rio Grande do Sul. Lima macht auch den Klimawandel für die Entwicklung verantwortlich: „Die Erwärmung der Atmosphäre und der Ozeane aufgrund der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung erzeugt die Energie für diese extreme Ereignisse.“
Auch in den Anden sind die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren. Hier drohen Geisterdörfer wie im argentinischen Skigebiet „Los Penitentes“. Dort wachsen auf dem verwaisten Marktplatz Gräser und Blumen. Einst war das Skisport-Vorzeigeprojekt des Landes, doch dann fiel immer weniger Schnee. Eine Mischung aus Klimawandel und Misswirtschaft haben „Los Penitentes“ inzwischen zu einer Tourismus-Ruine gemacht. Zum Skifahren stehen eigentlich rund 25 Kilometer Piste zur Verfügung. Lifte könnten Gäste befördern. Das Wintersportgebiet liegt auf einer Höhe von 2.579 bis 3.194 Metern zu Füßen des Aconcagua, dem mit 6.961 Metern höchsten Gipfel Amerikas. Doch es fällt nicht mehr genügend Schnee. „Seit fünf Jahren ist alles beim Alten, und es ist noch schlimmer geworden“, sagte Bewohnerin Veronica Tsallis. Das Dorf sei zu einem Ort ohne Zukunft geworden.
In Venezuela ist die Entwicklung schon einen Schritt weiter. Der Humboldt-Gletscher, auch bekannt als La Corona, bedeckte einst 4,5 Quadratkilometer Fläche. Heute existiert nur noch ein klitzekleiner Bruchteil davon. Vor mehr als Hundert Jahren zählte Venezuela noch sechs Gletscher mit einer Fläche von 1000 Quadratkilometern. Dann wurde Öl gefunden. Und nun droht ausgerechnet das ölreichste Land der Welt einen hohen Preis für das eigene Geschäftsmodell zu bezahlen: Es wäre damit das erste Land der Moderne weltweit, das alle seine Gletscher verloren hat.
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